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Blume, Clemens
Der Cursus s .
Benedicti Nursini und die
liturgischen h^men des
6.-9. Jahrhunderts.
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Der
Cursus s. Benedict! Nursini
und
Die liturgischen Hymnen
des 6. — 9. Jahrhunderts
in ihrer Beziehung
ZU den Sonntags- und -Ferialhymnen
unseres Breviers.
Eine hymnologisch-liturgische Studie
auf Grund handschriftlichen Quellenmaterials
herausgegeben
von
Clemens Blume
S. J.
Leipzig.
0. R. Reis 1 and.
1908.
Hymnologische Beiträge.
Quellen und Forschungen
zur Geschichte
der
Lateinischen Hymnendiclitung.
1 111 Anschlüsse
an die
ANALECTA HYMNICA
von
Clemens Blume und Guido M. Dreves.
Dritter Band. /f
-<ss«-
Leipzig.
0. R. Re Island.
1908.
Der
Cursus s. Benedict! Nursini
und
Die liturgischen Hymnen
des 6.-9. Jahrhunderts
in ihrer Beziehung
ZU den Sonntags- und -Ferialliyninen
unseres Breviers.
Eine hymnologisch-liturgische Studie
auf Grund handschriftlichen Quellenmaterials
herausgegeben
von
Clemens Blume
S. J."'
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Leipzig.
0. R. ReislaEd.
1908.
"ib. lo.ST
Vorwort.
Als III. Band der „hymnologisclien Beiträge'' wird vor-
liegende Studie schwerlich der Erwartung Raum geben, daß sie
eine regelrechte teoäkritische Ausgabe oder eine vollständige
Interpretation des „ Cursus st. Benedicti'' bieten werde. Wenn-,
gleich dieser Cursus im Wortlaut der wichtigsten, meines
Wissens bisher noch ungedruckten Hss. — gleich noch ein
kurzes Wort darüber — vorgelegt und mit einigen bei-
läufigen Erläuterungen bedacht wird, so soll derselbe doch
vor allem nur als uicJitiger Ausgangspunht dienen , um die
dunkle Frage zu lösen , welche Hymnen und zwar welche \
liturgischen Hymnen zur Zeit des hl. Benedikt im Brauche waren,
in seinem Cursus angeordnet wurden, und wie und wie lange
dieselben dann in der Liturgie wuchsen und fortlebten. — Der
zweite Teil des Titels: „und die liturgischen . Hymnen des
6. — 9. Jahrhunderts"- deutet das in den Kreisen der Liturgiker
und der Hymnologen vielleicht überraschende, weil ganz neue
und mit den bisherigen Ansichten brechende Resultat an,
daß nämlich im Laufe des 9. Jahrhunderts der ursprüngliche,
vor und seit Benedikt auf dem Continent dominierende und
mit den Hymnen im Cursus Benedikts übereinstimmende,
wenngleich allmählich zu einem etwas größeren Umfange heran-
gewachsene liturgische Hymnencyclus aus der Liturgie schwindet,
um dann einem ganz anderswo zusammengestellten und viel-
fach wohl auch entsprossenen Hymnencyclus auf diesem Felde,
d. h. im Breviere, Platz zu machen. Dieser letztere Hymnen-
cyclus ist auf dem Titel näher umschrieben durch „die Sonn-
tags- und Ferialhymnen unseres Brevieres''. Diese nämlich,
nebst den „Hymni de Communi Sanctorum^^ , welche nebenbei
(3 Vorwort.
zur Sprache kommen werden . bilden den eigentlichen festen
und im wesentlichen unveränderten Grundstock des Hymnars,
welches seit Ende des 9. Jahrhunderts durch eine reiche Zahl
von Hymnen auf die Feste des Herrn und seiner Heiligen
in den verschiedenen Kirchen, Klöstern und Diözesen immer
mehr anwächst und entsprechend den verschiedenen Orten
sich verschieden gestaltet.
Ein Kapitel somit, und zwar eines der grundlegenden,
aus der Geschichte der Hymnodie und zugleich, da
es sich um die liturgische Hymnodie handelt, ein Kapitel aus
der Geschichte des Brevier es sucht die vorliegende
Studie zu erledigen oder der Erledigung näher zu bringen.
Das Material, worauf die Untersuchung sich stützt, ist
durchweg ein handschriftlicJies , womit jedoch keineswegs ge-
sagt sein soll , daß diese Handschriften bis jetzt unbekannt
oder für die Hymnodie noch gar nicht herangezogen seien.
Bis auf eine, den Cod. Parisin. lat. 14088, auf den der
Hymuologe Rev. James Mearns mich aufmerksam zu machen
die Güte hatte, sind alle anderen hauptsächlich in Betracht
kommenden Handschriften alte Bekannte^). Wohl aber
wird die Bedeutung derselben und deren Beziehung zu-
einander in ein ganz anderes Licht treten, als es bisher
der Fall war; von besonderem Interesse dürfte auch
die Beziehung sein, welche sich als zwischen dem Cod.
Faulem. 25. 2. 31 (olim Blas. memb. 86) und dem Cod.
Carolsruhan. Augien. CXCV bestehend herausstellt. Gleich
zeitig wird ein den Hymnologen und Liturgikern nicht un-
erwünschtes Hymnenverzeichnis aus allen alten bisher ans
Licht gezogenen Hymuaren bis zum Schluß des 9. Jahr-
hunderts vorgelegt werden. — Für solche geschichtliche,
liturgische oder hymnologische Daten, die als gesichert und
bekannt anzusehen sind, und die ab und zu zur Erläuterung
oder zur Stützung des Raisonnements heranzuziehen waren,
verzichtete ich, wohl mit Fug und Recht, stets nähere Belege
zu bringen und sie mit vielen Quellenzitaten aufzuputzen.
Vielleicht bedarf es einer Begründung, warum der volle
') Näheres über diese Quellen an den betreffenden Stellen im
eigentlichen Korpus.
Vorwort. 7
Text des Cnrsits s. Benedicti sowie desjenigen Teile? der
Regula ss. Caesarii et Äureliani Ärelatensium, welcher über das
Officium des Brevieres handelt, in die Abhandlung aufgenommen
wurde, und zwar direkt aus Handschriften. Manches nämlich
in diesen Werken steht in keiner unmittelbaren, oft auch,
scheinbar wenigstens, in keiner mittelbaren Beziehung zur
Hymnodie; somit hätte ein Resume oder ein kurzer Auszug
genügen können. Auszüge. aber sind immer etwas Mißliches,
rauben dem Zitate den Reiz der Originalität. Es kommt
hinzu, wie oben schon erwähnt wurde, daß diese hymnologische
Studie gleichzeitig ein Beitrag zur Geschichte des Brevieres
ist. Als solcher dürfte sie manchem von Interesse sein, dem
sonst die Hymnodie fernab von seinem Wege liegt. Der
Cursus des hl. Benedikt aber ist der hervorragendste Markstein
in der Geschichte des Brevieres -^ sichert er ja dem „Patriarchen
der Mönche des Abendlandes" in gewisser Hinsicht auch den
Titel ^Begründer des abend] ändischen Breviers'' (Bäumer, S. 194j.
Nicht jedem ist der in die Benediktinerregel verwobene Cursus
gleich zur Hand; und da nun doch einmal von ihm unsere
Untersuchung ausgeht, der volle, äußerst lehrreiche Text
obendrein nicht umfangreich ist, so schien statt des jedenfalls
nötigen Gerippes das volle frische Fleisch und Bein in jeder
Hinsicht den Vorzug zu verdienen. — Eine kritische Ausgabe
des Cursus, bzw. der Benediktinerregel im Wiener Corpus
aus der Feder Eerih. PlenJcers steht aber noch aus. Seine
„Untersuchungen zur Überlieferungsgeschichte der ältesten
latein. Mönchsregeln ^)" haben gezeigt, daß der Normcdtext
jener direkten Abschrift aus dem Handexemplar Benedikts,
welche Karl der Große fertigen ließ, vornehmlich (außer in
fünf anderen Hss.) im St. Galler Cod. lat. 914 (saec. 9.)
und im Mün ebener Cod. lat 28118 (ebenfalls saec. 9.)
enthalten ist 2). Aus diesen beiden handschriftlichen Quellen,
auf die ich mich glaubte beschränken zu dürfen, ist daher
') In „Quellen und Untersucliungen zur lat. Philologie des M. A."
herausgegeben von L. Traube. I. Bd. III. Heft (München, 1906).
-) Gerade diese Quellen hatte Edm. Schmidt bei seiner Avisgabe
„Regula sancti Patris Benedicti iuxta antiquissimos Codices recognita''
(Ratisbonae 1880) nicht benützt: ebenso nicht Ed. Wölfflin in
„Benedicti Regula Monachorum" (Lipsiae 1905).
8 Vorwort.
der Text des Cursus s. Benedicti in vorliegender Arbeit
herausgehoben.
Aus dem gleichen kostbaren Münchener Cod. lat. 28118,
einem vollständigen Codex reguJarum, in den Graucrt und
Traube, als sie dieses Prachtstück aus dem Jos. von Görresschen
Nachlasse am 25. Nov. 1902 in den Besitz der hiesigen kgl.
Hof- und Staatsbibliothek übergehen ließen, als Geleitwort
auf dem 1. Fol eintrugen: „Codicis regularum a Benedicto
abbate Anianensi conditi hoc imimm exstat exemplar", ist
auch der das kirchliche Officium betreffende Abschnitt aus
den Regeln der beiden Arelatenser Cäsarms und Aureh'an
entnommen. Eine kritische Gesamtausgabe der Werke des
hl. Cäsarius durch Dom Germ. Morin befindet sich noch in
Vorbereitung.
Als Anhang ist jener Hymuencyclus beigegeben, der
auf Grund vorliegender Studie als das liturgische Hymnar
auf dem Continente bis ins 9. Jahrhundert anzusehen
ist. Darin sind die zugehörigen Hymnen des hl. Ämhrosius
übergangen, da dieselben im L. Bande der Analecta Hymnica
bereits mit allem nötigen Apparate vorgelegt wurden. Den
Originaltext der jetzigen Sonntags- und Ferialhymnen sowie
derer de Communi Sanctorum wird demnäclist aus allen ältesten
und älteren Quellen der LI. Band der Analecta Hymnica in
neuer Auflage bringen, weshalb ich hier von demselben absah.
Betreffs des erstgenannten Hymuencyclus möge beigefügt sein,
daß derselbe hier zum ersten Male mit voUständigem kritischen
Rüstzeug erscheint; zur Herbeischaffung desselben leisteten
mir der bestbekannte 'HymnologeHeY.B.enry Marriott Banm'ster,
wie schon so oft, ferner die Chefs im Departement der Hss.
des Britischen Museums und der Pariser Nationalbibliothek,
A. F. Herbert und H. Omont, und der Stiftsarchivar von
St. Gallen , Jos. Müller, wertvolle Dienste , wofür hier der
verbindlichste Dank zum Ausdruck komme.
München, 2U. September 1907.
Clemens Blume, S. J.
Inhaltsübersicht.
Seit©
Kapitel I: Was lehrt der Cursus sancti Benedicti über die
Hymnodie seiner Zeit? 18 — 31
Kapitel II: Das Zeugnis der hll. Bischöfe Cäsarius und
Aurelianus von Arles für die liturgischen Hymnen
des 6. Jahrhunderts 32—47
Kapitel III: Der Hymnenbestand der ältesten nicht-irischen
Hymnare bis in das 9. Jahrhundert 48 — 62
Kapitel IV: Die Sonntags- und Ferialhymnen und jene de
Communi-Sanctorum in den ältesten Quellen
irischer Provenienz und in den Hymnaren seit
Beginn des 10. Jahrhunderts 63 — 71
Kapitel V: Die ältere und die jüngere liturgische H3'mnen-
liste des 9. Jahrhunderts und ihre Beziehung
zum Cursus des hl. Benedikt und zur mozara-
bischen Hymnodie 72 — 82
Kapitel VI: Die Hymnen der Matutinae Landes und der
Morgenhymnus „Lucis largitor splendiäc''' .... 83 — 93
Kapitel VII: Die bisher geltende Ansicht und die nvmmehr ge-
wonnenen Resultate 94 — 106
Anhang: Text der ,,Hymni communes de tempore" in der
I. Periode der liturgischen Hj^mnodie mit Aus-
schluß der Hymnen des hl. Ambrosius 108 — 129
Der Cursiis s. Benedict! Nursini
und
die liturgischen Hymnen des 6.-9. Jahrhunderts.
1.
Was lehrt der „Cursus s. Benedieti" über die
Hymnodie seiner Zeit.
1. Der Cursus des hl. Benedikt oder jene Ordnung des
kirchlichen Stundengehets , welche der Patriarch der abend-
ländischen Mouche ums Jahr 530 in seiner unsterblichen
Regel als Kapitel VIII— XIX niederschrieb, ist anerkannt eines
der wichtigsten, wenn nicht das wichtigste Dokument für die
Geschichte der kanonischen Tagzeiten. Wir besitzen kein
zweites so altes und zugleich so vollständiges Schema der-
selben, welches die Ordnung für Tag- und Nacht-Officium
bis ins kleinste Detail fixiert, wie jenes im Cursus des großen
Abtes von Monte Cassino. War auch Benedict zunächst nur
darauf bedacht, für die Mönche seiner Klöster das Officium
zu ordnen, so leuchtet doch aus allem hervor und wird von
kompetenter Seite anerkannt \), daß er in weisem Konservatismus
sich an eine bereits hestehende, ihm und seiner Umgebung im
wesentlichen schon ivohlhekannte Gebetsordnung anlehnte,
so daß aus seinem Cursus auch auf das nicht-monastische und
insbesondere auf das römische Officium seiner Zeit viel Licht
fällt. Spricht doch ein unserem Patriarchen zeitlich sehr
nahestehender iro-schottischer Mönch laut einer Handschrift
des 7. Jahrhunderts (Cod. Londinen. Cleop. E I.) vom Cursus
1) Bäumer, Suitb., Geschichte des Breviers (Freiburg, 1895), S. 171
und 178 ff. Eine französische Übersetzung dieses verdienstvollen
Werkes erschien als „Histoire du Bre\äaii-e", die sich zugleich als
„mise au courant des derniers travaux svir la question" präsentiert,
aus der Feder des Ordensgenossen Bäumers, Dom Reginalt Biron
(Paris 1905). Die Zitate sind im folgenden der deutschen Ausgabe
entnommen, es sei denn, daß auf Ergänzungen oder Berichtigungen
Birons zu verweisen war.
14 I- Kapitel.
des hl. Benedikt als einem „paucodiscordantcaCursu Romano'' ^).
Überhaupt weisen alle Resultate der liturgischen Forschung
darauf hin, daß die römische Kirche ihre kanonische Stunden-
ordnung nach jener des hl. Benedikt als ihrem Vorbilde aus-
gestaltete, nachdem sie vorher für dieselbe ergiebig die Grund-
linien und noch mehr als das geliefert hatte. Nicht so sehr
das Was, die zu betenden oder zu singenden Texte, — und
das ist für unsere folgende Untersuchung von größter
Wichtigkeit — , sondern vielmehr das W i e des Officiums wurde
in manchen Punkten von der Regelung und Fixierung durch
Benedikt betroffen. Allen Anzeichen nach scheint der Hmipt-
unterschied zwischen beiden Ordnungen darauf zu beruhen,
daß Benedikt die sogenannten „Meinen Horen^' gleichmäßig
abrundete; daß er das schon aus zwei Teilen sich zusammen-
setzende Abendofficium des Lucernarium in wirklich zwei
zeitlich geschiedene, für sich gesondert bestehende kanonische
Stunden zerlegte, wodurch er die Vesper zu einem Ta^-Officium
umgestaltete und endgültig die im Keime schon länger und
im Orient bereits im Anfange des 5. Jahrhunderts vorhandene
Complet^) samt ihrem Namen „Completorium" schuf; daß er
ferner das Nachtofficium (die „Nocturna laus", jetzt Matutin
genannt) in drei Nokturnen gliederte, während es früher sich
aus zwei zusammensetzte; und daß er endlieh den alten Um-
fang des Officiums Ijesonders in den Psalmen wesentlich kürde,
nicht durch Ausscheidung bis dahin gebräuchlicher Psalmen
oder Hymnen oder Gebete, sondern durch Verteilung jenes
Gebetspensums auf die ganze Woche, was vorher so ziemlich
auf einem Tage lastete: „. . . quando legamus sanctos patres
nostros uno die hoc strenue imple[vi]sse, quod nos tepidi utinam
sejitimana integra persolvamus" (Schluß des Kap. XVIII der
Regula^). — Dieser pietätvolle, so diskret und weise sich
äußernde Konservatismus des Heiligen, der das bereits Bestehende
^) Vgl. Haddan und Stuhbs, Councils and Ecclesiast. Documents, I
(Oxford 1869), 140.
-) Vgl. Biron, Hist. du Brev., I, p. 255. — Plaive, Genese hist.
des Heures, in der Revue anglo-romaine, I, p. 593. — Pargoire, in der
Revue d'histoire et de litter. relig., III, (1898) p. 456 sqq.
3) Vgl. Bäumer, S. 169 nebst Anm., S. 183 und besonders S. 213 ff.
(gegen Battifols Auffassung).
Was lehrt der Cursus Benedicti über die H;}aTinodie seiner Zeit? 15
nicht einfach der Reform opfert, sondern zweckentsprechender
zu ordnen sucht, gibt uns für die Lösung der in vorliegender
Studie gestellten Aufgabe einen bedeutsamen Fingerzeig und
ist deshalb besonders hervorgehoben.
2. Der Worflaut des Cursus, von dem die weitere Unter-
suchung auszugehen hat, ist entnommen den beiden wichtigen
Handschriften aus der Karolinger-Zeit: Cod. Sangallen. 914
(p. 49 sqq.) und Clm. Monacen. 28118 (fol. 7* sqq.), über
die man das Vorwort (S. 7 f.) vergleiche. Im Varianten-
verzeichnis bezeichnet A den ersteren, B den zweiten Codex ^):
Der „Cursus" oder das „Officium divinum"
nach Kapitel Till — XIX der Regula sancti Benedicti.
VIII. De Officiis diviuis in noctibus. — Hiemis tem-
pore, id est a Kalendas Novembres^) usque in Pascha, iuxta con-
siderationem rationis octava hora noctis surgendum est, ut modice
amplius de media nocte pausetur et iam digesti surgant. Quod vero
restat post Vigüias , a fratribus , qui psalterii vel lectionum aliquid
iudigent , meditationi inserviatur. A Pascha autem usque ad supra
dictas Kalendas^) Novembres sie temperetur hora*) Vigiliarum Agenda :
parvissimo •'') intervallo, quo fratres ad necessaria naturae exeant,
custodito^) mox 3Iatutini, qui incipiente luce agendi sunt, subsequantur.
IX. Quanti psalmidicendi suntNocturnisHoris. —
Hiemis tempore suprascripto inprimis '^) versu tertio dicendum : Domine,
') Die Kollation aus A besorgte mir gütigst der hochw. Herr
Stiftsarchivar Josef Müller in St. Gallen. — Die Einteilung in Kapitel,
deren Überschriften allerdings nicht von Benedikt herzurühren 'scheinen
(cfr. Wölfflin 1. c, p. X), entspricht genau den beiden Handschriften.
Eine zweite Hand (in A ist es vielleicht die gleiche, jedenfalls eine des
9. Jahrb., in B eine jüngere) hat stellenweise die nach unserem Emp-
finden „grammatikalischen Verstöße^' am Rande oder auch im Texte
korrigiert. Im Variantenverzeichnis bezeichnet A^ resp. B' den ur-
sprünglich geschriebenen Text, A- resja.B- die Korrekturen oder Zusätze.
-) Kalendas novembres A^ B^, -dis -bribus A-', -dis -bris B^.
^) Kalendas fehlt A' , aber Verzeigung im Text avif die Iland=
korrektur, wo „Idus" geschrieben.
*) hora ut A'B', ut durch Einklammern getilgt B^.
'") ut parvissimo B^.
ß) custodito fehlt A'B\ ist nachgetragen am Rande A''^.
'') Nach inprimis (= primum, initio) verzeichnet A'^ die Rand-
bemerkung : praemisso inprimis versu „Dens in adiutorinm vieum intende"
in secundo tertio (=ter'?) dicendum est „Domine labia mea".
1(3 I. Kapitel.
la'bi(( mca aperies et os meum adnunfiabit ^) laudem tuam, cui subiun-
gendus est tertius psalmus et Gloria. Post liunc psalmum nonagesimum
quartum ^) cum antifona ^^Venite" ^) aut certe(!) decantandum^), Inde
sequatur Ambrosianum. Deinde sex psalmi cum antifonas-^). Quibus
dictis dicto versu benedicat abbas ; et sedentibus omnibus in scamnis
legantur vicissim a fratribus in codice super analogium^) tres lec-
tiones, inter quas et ti'ia responsoria cantentur. Duo responsoria sine
Gloria dicantur. Post tertiam vero lectionem, qui cantat, dicat
Gloriam. Quam dum incipit cantor dicere, mox omnes de sedilia
sua'') surgant ob honorem et reverentiam sanctae trinitatis. —
Codices autem legantur in Vigilüs divinae auctoritatis tarn veteris
testamenti quam novi, sed et expositiones earum ^), quae a nominatis
et orthodoxis catholicis patribus factae sunt. Post has vero tres
lectiones cum responsoria sua ^) sequantur reliqui sex psalmi cum
Alleluia canendi. Post hos lectio apostoli sequatur ex corde reci-
tanda et versus et supplicatio letaniae ^°), id est: ,^Kyrie eleyson^' ''■^),
et sie finiantur Vigiliae nocturna e.
X. Qualiter aestatis tempore agatur Nocturna
laus. — A Pascha autem usque ad Kalendas Novembres omnis,
ut supra dictum est, psalmodiae quantitas teneatur, excepto quod
lectiones in codice propter brevitatem noctium minime legantur. Sed
pro ipsis tribus lectionibus una de veteri testamento memoriter ^^)
dicatur ; quam brevis responsorius ^^) subsequatur et reliqua omnia,
ut dictum est, impleantur, id est, ut nunquam minus a duodecim
psalmorum quantitate ad Vigilias nodurnas dicantur exceptis tertio
et nonagesimo quarto psalrao.
XI. Qualiter diebus domin icis Vigiliae agantur. —
Dominico die temperius ^^) surgatur ad Vigilias ; in quibus Vigilüs
teneatur mensura, id est modulatis, ut supra disposuimus, sex psalrais
et versu, residentibus cunctis disposite et per ordinem in subselliis
') adnuntiavit A.
-) psalmuni -mum -tum A'B; korrigiert am Rande zu -us A".
^) Venite fehlt B, am Rande nachgetragen A^.
"*) decantandus , korr. aus -dum A- , -dum B •, das gleiche gilt
vom folgenden Ambrosianus resp. Ambrosianvim.
^) antifonas A' B, korr. zu -nis A-.
^) anologium A; (analogium = Lesepult).
■') sedilia sua A'B', korr. -ibus -is A-B'-.
^) eorum A- am Rande, earum A^ B.
®) responsoria sua A^B', korr. -is -is A'-B'.
'°) litaniae A^, am Rande: letaniae A^.
*^) Quirle eleison A^B, Cyri eleison A-.
^2) memoriae A-.
'^) brevis (brebis A') responsorius A'B', -ve -ium A^B".
'■*) temperies B.
Was lelirt der Cursus Benedict! über die Hymnodie seiner Zeit? 17
legantur in codice, ut supra dixiraus, quattuor lectiones cum re-
sponsoriis suis, ubi tantum in quarto responsorio dicatur a cantante
Gloria; quam dum incipit, mox omnes cum reverentia surgant. Post
quibus lectionibus ^) sequantur ex ordine alii sex psalmi cum antifonas ^)
sicut anteriores, et versu ^), Post quibus iterum legantur aliae quattuor
lectiones cum responsorüs suis ordine, quo supra, Post quibus dicantur
tria cantica de prophetarum , quas-*) instituerit abbas, quae cantica
cum Alleluia psallantur. Dicto etiam versu et benedicente abbate
legantur aliae quattuor lectiones de novo testamento ordine quo supra.
Post quartum autem responsorium incipiat abbas ymnum ,,Te Deum
laudamus". Quo perdicto legat abbas lectionem de evangelia-^) cum
honore et timore stantibus omnibus; qua perlecta respondeant omnes
„Amen". Et subsequatur mox abbas ymnum „Te dccet laus", et
data benedictione incipiant Mahdims. — Qui ordo Vigiliarum omni
tempore tam aestatis quam hiemis aequaliter in die dominico teneatur,
nisi forte, quod absit, tardius surgant, aliquid de lectionibus breviandum
est aut responsorüs; quod tarnen ornnino caveatur, ne proveniat.
Quod si contigerit, digne inde satisfaciat Deo in oratorio, per cuius
evenerit neglectum.
XIL Quomodo Matutinorum sollemnitas agatur. —
In Mahdims dominico die inprimis dicatur ^) LXVP' '^) psalmus sine
antifona in directum; post quem dicatur s) L"^ cum AUehdia: post
quem dicatur«) CXVIF^; etio)LXIP% inde benedidiones et laudes,
lectio de apocalypse una ex corde et responsorium, Ambrosianum,
versu ^1), canticum de evangelio, letania, et completum est.
XIII. Privatis diebus qualiter agantur Matutini. —
Diebus autem privatis matutinorum sollemnitas ita agatur, id est, ut
LXVl*"* psalmus dicatur sine antifona, subtrahendo modice sicut 'do-
minica, ut omnes occurrant ad L""", qui cum antifona dicatur. Post
quem aJii duo psalmi dicantur seciindum consuetudinem, id est sectmda
feria: V"' et XXXV"'; tertia feria: XLII"^ et LVP^; quarfa feria:
LXIiri2) et LXIV"^ quinta feria LXXXVIF^ et LXXXIX"';' sexto
^) quibus lectionibus A'B; radiert und dann am Rande: -as -es A-
ebenso in den beiden folgenden Sätzen post c. abl. korr. in post c. accus
2) antifonas A^B'; -is A2B2.
^) versu A^B, versus A-.
*) quas A'B, quae A^.
^) evangelia A^B, -lio A^B^.
^) Nach dicatur: ;,Deus misereatur nosiri" A. (Am Rande).
■'J Diese und ff. Ordinalzahlen sind in Ziffern wiedergegeben im
Gegensatz zur Hs.
^) Nach dicatur: „Miserere mei Beus", A^.
^) Nach dicatur: „Confitemini Domino" A^.
1°) Nach et: „Deus, Dens mens" A^.
") Ambrosianum, versum A',B, -nus -sus A^.
12) Hier und bei den folgenden Zahlen der Psalmen i-
Blume, Cursus Benedicti und liturgische Hymnen.
18 I. Kapitel.
fcria LXXY"" et XCI"'; saUato{r\xm) auteni CXLIP' et canticum
deutcronomium, quod dividatur in duas Glorias; nam ceteris diebus
canticum unumquemque ^) die suo ex prophctis, sicut psaJlit ecdesia
Jiomatui , dicantur. — Post liaec sequantur lau des, deinde lectio
una apostoli memoriter recitanda, responsorium , Ambrosiauum,
versu ^), canticum de evangelio, letania, et completura est.
Plane Agenda mahdifia vel vespertwa non transeat aliquando,
nisi in ultimo per ordinem oratio dominica omnibus audientibus di-
catur a Priore propter scandalorum spinas, quae oriri solent, ut con-
venti per ipsius orationis sponsionem, qua dicunt „ditniite nohis, sind
et nos dimitlimvs''' , purgent se ab liuiusmodi vitio. Ceteris vero
Agetulis ultima pars eius orationis dicatur, ut ab omnibus respondeatur :
Sed libera nos a mala.
XIV • In nataliciis sanctorum qualiter agantur
Y i g i 1 i a e. — In sanctorum vero festivitatibus vcl omnibus soUemni-
tatibus , sicut diximus dominico die agendum , ita agatur , excepto
quod psalmi, antifonae vel lectiones ad ipsum dicm pertinentes dicantur.
]\Iodus autem suprascriptus teneatur.
XV. Alleluia quibus teraporibus dicatur. — A
sancto Pascha usque Pentecosten sine intermissione dicatur ÄUeJina
tarn in psalmis quam in responsoriis. A Pentecosten autem usque ^)
Caput Quadrageslmae omnibus noctibus cum sex posterioribus psalmis
tantum ad Nodurnos dicatur. Omni vero dominica extra Quadra-
gesima*) Cantica, Matutini^)^ Prima^ Tertia, Sexta, Nonaqtte cum
Alleluia dicantur^). Vcspera vero cum'^) antifoua; responsoria vero
nunquam dicantur cum Alleluia nisi a, Pascha usque ^) Pentecosten.
XVI. Qualiter divina opera per diem agantur, —
Ut ait propheta „Scpties in die laudem dixi tibi'' ; qui septenarius
sacratus numerus a nobis sie implebitur, si Matutino, Primae, Teriiae,
Sextae, Nonae , Vesperae, Completoriiqne tempore nostrae servitutis
oificia pcrsolvamüs, quia de his dinrnis lioris dixit : „Septies in die
laudem dixi tihi^^ . Nam de nodurnis vigiliis idem ipse propheta
ait: ,, Media node surgebam ad confitendiim tibi'". Ergo his tem-
poribus referamus laudes creatori nostro super iudicia iustitiae suae,
Endung „-um", wofür A- am Rande die Korrektur: „-us". — Die Zahlen
dieses Kapitels sind in beiden Hss. immer völlig ausgeschrieben , wie
z. B. „quinquagesimus psalmus" , wofür ich „L"" psalmus" wählte.
') canticum unumquemque A- B ; — quodque A^.
-) Ambrosiauum, versu A'B, -nus -sus A-.
^) usque in A-.
*) Quadragesima A' B, -am A-.
^) Matutinos A^B.
ß) dicatur A^B.
■') vero iam antifona A'B, cum antifona A-.
") usque fehlt, dafür ad B; dieses „ad" am Rande A-.
Was lehrt der Cursus Benedict! über die Hymnodie seiner Zeit? 19
id est Matutlms ^ ), Prima, Tertia, Sexta, Nona, Vespera, CompMorio,
et I^^ocie surganius ad confitendum ei.
XVII. Quot psalmi per easdera horas dicendi^)
sunt. — lam de Kodnrnis vel Mattitinis digessimus ordinem ])salmo-
diae; nunc de sequentibus horis videamus.
Prima hora dicantur psalmi tres singillatira et non sub una
Gloria; ymnuiii^) eiusdeiii liorae post versum ..Beus in adiu-
torinm'-, antequara psalmi incipiantur. Post expletionem vero triura
psalinorum recitetur lectio una, versu*) et „Kvrie eleison'-', et missae^),
Tertia vero, Sexta etNona item'') eo ordine celebretur
oratio, idest versu, ymnos'') earimdem liorarum, ternos psalmos,
lectione et versu „Kirie eleison'', et missas sunt^). Si maior con-
gregatio fuerit, cum antifonas ^), si vero minor in directum psallantur.
V esper tina autem sijnaxis quattuor psalmis cum antifonis ter-
niinetur, post quibus psalmis i°) lectio recitanda est, inde responsorium,
Ambrosiamim ^'), versu ^2). canticum de evangelio, letania; et
oratione^^j doniinica fiant missae.
Completoriam ^'*) autem trium psalmorum dictione terminetur ^•'*),
qui psalmi directanei sine antifona dicendi sunt. Post quos ymnura
eiusdem liorae, lectionem unam, versu, Kirit eleison ^^) ; et bene-
dictione missae tiant.
XVIII. Quo ordine ipsi psalmi dicendi sunt. — In-
priniis ^'') dicatur versu ^^) „Beus in adiutoinum meum intende, Bomine
ad adiuvandum me festina. Gloria.'' Inde ymnum^^) uniuscuis-
que horae.
1) ut Matutinis A^.
-) canendi B.
^) ymnum A^B, -nus A-.
*) versu A^ B, -sus A"^.
^) missas ohne Korrektur; später heißt es „missae fiant".
^) idem AB.
■'j versu ymnos A^B, -sus -ni A-.
®) Angefangen von „versu ymnos etc." hat A^ die Korrekturen
„versus ymni" etc.; nur ist die Korrektur am Rande vielfach un-
lesbar, weil abgegriffen.
8j antifonas A^BS -nis A'-B=.
'•') quibus psalmis A^B; -uos -mos A-.
^1) Ambrosianum B ; -nus A.
^-) versu B; -sus A.
^^) oratio A.
'*) Completorios A^B, -um A^.
^'^) terminentur B.
'6) Korrektur der Casus in: ynmus e. h. lectio una versus A^.
^") Inprimis fehlt B.
'*) versu A^B; versus A^.
^^) ymnum A^ B ; ymnus A-.
20 T- Kapitel.
Deinde Prima hora dominka dicenda quattor capitula psalmi
CXVIir; reliquis vero horis, idest Tertia, Sexta vel Nona terna
capitula suprascripti psalmi CXVIH' dicantur. Ad Primam autem
secundae fcriae' dicantur tres psalmi, id est r% II"' et Vr% et ita
per singulos dies ad Primam usque Doniinicam ^) dicantur per ordinem
terni psalmi usque XIK*"" psalmum , ita sane , ut IX"' psalmus et
XVir" partiantur in binos, et sie fiat^), ut ad Vigilias Dominica
semper a XX° incipiatur.
Ad Tertiam vero, Sex tarn Nonamque secundae feriae
novem capitula, quae residua sunt de CXVIir psalmo^), ipsa terna
per easdem horas dicentur. Expenso ergo psalmo CXVIir duobus
diebus, idest Dominico et secunda feria, tertia feria iam ad T ertiam ,
Sextam vel Nonam psallantur terni psalmi a CXIX° usque CXXVH"",
id est psalmi novem; quique psalmi semper usque Dominicam per
easdem horas itidem repetantur, yiimoruiii nihilominus, lectionum
vel versuum dispositionera *) uniformem ciinctis diebus servatum , et
ita scilicet semper Dominica a CXVIir incipietur.
Vespera autem cotidie quattuor psalmorum modulatione ■'^)
canatur. Qui psalmi incipiantur a CIX" usque CXLVIP", exceptis
bis, qui in diversis horis ex eis sequestrantur, id est a CXVIl" usque
CXXVir" et CXXXIIP et CXLIF, Reliqui omnes in Vespera
dicendi sunt ; et quia minus veniunt tres psalmi, ideo dividendi sunt,
qui ex numero suprascripto fortiores inveniuntur, id est CXXXVIIP',
CXLIir' et CXLIV"'^). Centesimus vero sextus decimus, quia pax-
vus est , cum CXV" coniungatur. Digesto ergo ordine psalmorum
vespertinorum reliqua, id est lectione, responsum. ymuuin, versum "')
vel canticum, sicut supra taxavimus, impleantur.
Ad Completorios vero cotidie idem psalmi repetantur, id
est IV"^ XC' et CXXXIIP'^).
Disposito ordine psaJmodiae diurnae reliqui omnes psalmi, qui
supersunt, aequaliter dividantur in septem noctium Vigilias, partiendo
scilicet, qui inter eos prolixiores sunt psalmi, et duodecim per unam_
quamque constituens^) noctem; hoc praecipue commoneutes, ut si
cui forte haec distributio psalmorum displicuerit , ordinet, si melius
aliter iudicaverit, dum omnimodis id attendat^*'), ut ömtti liebdomada
^) dominica A* B.
2) fit A.
3) psalmo fehlt AS nachgetragen am Eande A^.
*) dispositione A^ B.
^) modolatione B.
6) -um (ebenso bei den zwei vorhergehenden Zahlen) A' B, -us A^.
'') A^ korrigiert: lectiones -soria -iis -us.
*) -um (ebenso bei den zwei vorhergehenden Zahlen) A^ B, -us A^.
^) constituens A'B, -uantur A^.
10) attendatur A^
Was lehrt der Cursus Benedicti über die Hymnodie seiner Zeit? 21
psallerium ex integro numero centum quiuquaginta psalmoruin psallatur
et Douiinico die semper a caput*) reprehendatur^) ad VigiUas, quia
nimis inertem devotionis suae servitium ostendunt monachi, qui minus
psalterio cum canticis consuetudenariis per septimanae circulum psallunt,
dum quando legamus sanctos patres nostros imo die hoc strenne^)
implesse"*), quod nos tepidi utinam seiHimana integra persolvamus.
XIX. Dedisciplinapsallendi. — Ubique credimus divinam
esse praesentiam et oculos Doraini in omni loco speculari bonos et
malos; maxinie tarnen^) sine aliqua dubitatione credamus , cum
ad opus divinum assistimus. Ideo semper memores simus, quod ait
propheta: „Servite Domino in timore'\ et iterum : „Psallite sapienter"' ,
et: „/w conspectu angelorum psaJlam tibi'' . Ergo consideremus, qua-
liter oporteat in conspectu divinitatis et angelorum eius esse, et sie
steraus ad psallendum, ut mens nostra concordet voci nostrae.
In diesen Vorschriften werden das kirchliclie Stundengebet
und die einzelneu Tagzeit eu desselben von Benedikt verschieden-
artig bezeichnet. Es dürfte sich empfehlen, unter gleichzeitiger
Hinzuziehung des Cursus der beiden Bischöfe Caesarius und
Aurelicm von Ärles^), dessen vollen Text das nächste Kapitel
bringt, diese verschiedenartigen Bezeichnungen in systematischem
Überhlicl- hier folgen zu lassen. Die Gliederung des Officiuras
tritt dabei klar zutage, und wird daraus jeder Kenner des
Römischen Breviers die betonte nahe Verwandtschaft desselben
mit dem Officium Benedikts in seinem ganzen Aufbau leicht
ablesen.
„Officia divina" (Bened. Kap. 8) ist der Kollektivname
für das ganze kirchliche Stuudengebet mit seinen verschiedenen
kanonischen Tagzeiten oder Stunden (horae, Hören). Statt
dieses Namens findet sich nachher: „Divina opera" (Kap. 16);
„Divinum opiis^ (Kap. 19), „Servitutisofficia" (Kap. 16) ; ,,Agendae"
(Kap. 13; cfr. ..Agenda matutina vel vespertina'" im gleichen
^) Caput A^ B, capite A^.
-) repetantur A-.
") strennue B.
*) implevisse A^.
•^) tarnen hoc A^.
ß) Die den Namen Caes[arius] und Aur[elianus] beigefügten Buch-
staben bezeichnen im Folgenden die betreffenden Abschnitte , in
weiche ich die Officiumsordnung jener Bischöle zu gliedern für gut
hielt.
22 !• Kapitel.
Kapitel und .,hora Vigiliarum ageiula" im 8. Kapitel); „Oratio''
(Ka]). 17 „crlehrdur oratio")', schließlich .ßynaxis'' (Kap. 17,
allerdings in Verbindung mit „vespertina"). — Aurelian (unter a)
hat die Bezeichnung „Ojms Dei" (diese gleiche Bezeichnung
auch bei Benedikt in Kap. 47 seiner Regula). — Vergleichs-
halber, an die genannte Bezeichnung „synaxis'' anknüpfend,
sei hingewiesen auf Kap. 7 der Regula s. Columbani , wo es
heißt: ,.,De Sijnaxi vero, id est de Cursu psalmorum et ora-
tionum usw." Kach dem festen ,,curf<us"- der Sonne richtete
sich der fest geregelte Lauf der Gchets.<itimden, der Cursus
Laut Kap. 16 gliedert Benedikt das „Officium divinum"
in die zwei Gruppen: „Yigiliae uocturnae" (drei Kocturnen)
und „Diurnae liorae", welche letztere er dort ausdrücklich
als sieben an der Zahl unter folgenden Namen anführt:
Matutini, Prima, Tertia, Sexta, Nona, Vespera, Completorium.
Für dieselben finden wir nachstehende andere Bezeichnungen :
Tigiliae nocturnae (Beued. Kap. 9, 10, 16); Vigiliae
(Bened. Kap. 8, 9, 11, 14, 18; Caes. i; Aur. b); Vigiliae noc-
timn (Bened. Kap. 18; dort „Septem vigiliae noctium" offenbar =
vigiliae der sieben Wochentage); Eora vigiliarum agenda (Bened.
Kap. 8); man vgl. „vigilari" = vigiliae fiant (Caes. b) u. vigi-
landmn est (Caes. c); Nocturna laus (Bened. Kap. 10); Noc-
turnae horae (Bened. Kap. 9, 17); Nocturni (Bened. Kap. 15;
Caes. a, b, c, i; Aur. a, b; zu ergänzen ist wohl „psalmi");
primus Nocturnus (Caes, e), secundus Nocturnus (Caes. e, Aur.
g), primi Kocturni (Caes. e, Aur. c), secundi Kocturni (Caes. e,
Auy, c). — Später wurden die Nocturni mit den Matutini
psalmi] vereint gebetet, zur Zeit der 3for^mdämnierung, und
ward alsdann auf die Nocturnen der noch jetzt geläufige Name
„Matutiu" übertragen.
Matutini (Bened. Kap. 8, 11. 13, 15, 16; Caes. f. i; Aur.
a, g; zu ergänzen ist wohl wiederum „psalmi"; matutinus
sichtlich abgeleitet von matuta = aurora ; cfr. den Morgenhymnus
des hl. Ambrosius: „hymnus in aurora"); Maüdinorim sollem-
w?Yas (Bened. Kap. 12, 13); Matutinae liorae (Bened. Kap. 17);
3Iatutinae (Caes. f); Agenda Matutina (Bened. Kap. 13);
Matutinarii (Caes. f); Matutinarii canonici (Caes. f); Matuti-
nales canonici (Caes. f). — Einen Teil der Matutini bildete
Was lehrt der Cursus Benedicti über die Hymnodie seiner Zeit? 23
die „henedictio trium puerorum" (Caes. f) oder einfachhin
„benedfdfo" (Aur. a) = das noch jetzt bei dieser Gebetstunde
gebräuchliche und mit „Beneäkite"' in jedem Verse beginnende
Cantieum trium puerorum aus Daniel Kap. 3. Daran schlössen
sich die „laudes" (Bened. Kap. 12 und 13) = die mit ..Laudcde"'
in jedem Vers anhebenden Psalmen 148 — 150. Als die
„Matutini" ihren Kamen an die „Nocturni" abtraten, erhielten
sie allmählich von diesem Teile, den „laudes", den noch jetzt
gebräuchlichen Gesamtnamen der „Landes". Im 10. Jahrhundert
heißen sie in manchen Quellen ..Matidmae laudes'', wodurch
die alte und neue Bezeichnung verbunden erscheint; zur Ver-
meidung von Mißverständnissen habe ich diesen letzteren Namen
bei der Überschrift von Morgenhymnen (s. Anhang) beibehalten.
Prima, bald mit, bald ohne „hora" (Bened. Kaj). 15, 1(3;
Caes. g; Aur. e). Wenn Caesarius sagt: „Omni tempore post
Matutinos usque ad secundam lioram legant" (Caes. k), so ist
„secunda hora" vielleicht = „secunda (oder altera) nmiidma"'
= Prima, die bekanntlich relativ eine ^^novclla sollenmitas"'
(des beginnenden 5. Jahrhunderts) ist und hieß.
Tertia, Sexta, Noua, ebenfalls mit oder ohne „hora"
(Bened. Kap. 15, 1(3 ; Caes. a , d , Aur. a), die von Tertullian
(De ieiunio, 10) „horae apostolicae'^ benannten Tagzeiten, zeigen
in ihrem Kamen keine Schwankungen.
Vespera (Ben. Kap. 15, 16, 18; Caes. a, h); Agenda
vespert ina (Ben. Kap. 13); Vcspcrtina synaxis {^evt. Kap. 17).
— Die Benennung ist ofieubar abzuleiten vom „vesperus'' , dem
Abendstern , bei dessen Sichtbarwerden dieses Stundeugebet
stattfand. Weil um diese Zeit und für dieses Abendgebet
die Lichter (luccrnae) angezündet wurden , war eine zweite
Benennung nach griechischem Muster (At/JT/toV): „Lucemarnim''
(Caes. a; Aur. a, f; man vgl. den Prudentiushymnus „Ad
mcensum hicernae'' in Anal. Hymn. I, 30, der erst später als
„ad ignem benedicendum" Verwendung fand).
Completoriiim (Ben. Kap. IG, 17); Completoni (Ben.
Kap. 17, 18; zu ergänzen ist hier sichtlich „psalmi"). — Als
Pendant, aber durchaus nicht gleichwertig, da Benedikt die
eigentliche Complet endgültig schuf und bei ihm zuerst der obige
Kamen nachweisbar sich findet, kann gelten: „Duodeciina''
Caes. a, b, d; Aur. a, f). — Die „Completa"' (Aur. f.) scheint
24 I- Kapitel.
-weniger eine kircbliclie Höre, als vielmehr ein bloßes Kaclit-
gebet bezeichnen zu sollen. — Im Orient allerdings ist nach
Ausweis einer Stelle in der Vita s. Hypatii^j schon für die
erste Hälfte des 5. Jahrhunderts die Complet als eine kano-
nische Höre anzusetzen, die den Namen „ugtoO^uTtvia" führte
und als besonderes Stundeugebet zwischen den „Zr/i-r/a"
(lucernarium) und „ueaoviy.Tia" (vigiliae nocturnae) angeführt
wird.
Als Ergänzung seien noch folgende, jetzt nicht mehr in
der alten Bedeutung geläufige Ausdrücke aus dem Cursus
Benedikts und der beiden Arelatenser hervorgehoben: „Psalmi
directanei sine antiphona'- (Ben. Kap. 17), Psalmi,, indirecium"
(ibid.), „psalmus sine antiphona in directum"' (Ben. Kap. 12j;
„dh-ectaneus" (Caes. a, f, h; Aur. a, d); der Zusatz „sine
auti]>hona" und der Gegensatz „psalmus cum antiphona resp.
cum antiphonis" (Ben. Kap. 9, 17) geben die Erklärung. —
„Missae", „fiant missae", „missae fiant", „missae sunt" (Ben.
cap. 17); diese Bezeichnungen können nach dem Context kaum
andere als fast gleichwertige Ausdrücke mit „sie finiantur" (Ben.
Kap. 9) oder „completum est" (Ben. Kap. 12) sein, also „missa"
= missio, dimissio = Entlassung , sei es mit oder ohne
Entlassungsgehet (cfr. „et oratione Dominica fiant missae"
Ben. Kap. 17). — Im Sinne von Entlassungsgre&ef und
Gehet einfachhin (oratio) und dann in noch weiterem Sinne
als Jectio'' gebiauchen Caesarius und Aurelian das Wort
missa bzw. missae (Caes. b, f, i; Aur. b und besonders c. ^)).
3. Der LiturgiJcer konnte und kann somit aus dieser wert-
vollen alten Quelle reichlich schöpfen. Soll der Hijmnologe
leer ausgehen? Beim einfachen Durchlesen des Cursus und
bei einer Umschau in der Literatur, ob und wie derselbe für
die Hymnologie ausgenutzt wurde, möchte man es glauben.
Und doch: a) Gibt der Cursus betrefi"s der liturgischen
1) Gallinici, De vita s. Hj-patii liber, edidd. Seminarii philolo-
gorum Bonnensis sodales, (Lipsiae 1905), p. 54. — Scliou vorher war
diese Vita ediert von den BoUandisten (.Juni, tom. III, p. 308 sqq.)
2) Man vgl. Odüo Eottmanner, Über ältere und neuere Deutungen
des Wortes Missa, in Tübinger Qtlschr. 1889, S. 531 ff.; ferner Siiitb.
Büumer, über Litaniae und Missae, in Ötud. d. Benedictinerordens,
ßaigem 1886 (II); und Paul Lejcujs Artikel in der Revue d'Hist. et de
Liter, relig., II (1897), p. 287 sq.
Was lehrt der Cursus Benedicti über die Hrmnodie seiner Zeit? 25
Verivenäung von Hymnen im 6. Jahrhundert direkt einen sehr
wertvollen Aufschluß. Dieses ist bereits von Fachmäimern
erkannt und anerkannt worden.
b) Stellt er uns förmlich vor ein wichtiges hymnologisches
Problem, das interessant und schwierig zugleich erscheint, zu
dessen Lösung aber der Wortlaut des Cursus und seine oben
erwähnte Beziehuug zu der damals gebräuchlichen kanonischen
Stundeuordnung wenigstens die Bahn bezeichnet. Dieses
Problem und seine Lösung ist bislang übersehen oder doch
übergangen worden.
Das Hauptbestreben des hl. Benedikt ging in seinem
Cursus sichtlich darauf hin, das Officmm der Woche oder das
Commune de Tempore durch Verteilung der Psalmen und
Antiphonen, der Lektionen nebst Yersikeln und Responsorien,
der Hymnen und Orationen für den Sonntag und die Wochen-
tage genau und fest zu regeln, während er das Proprium de
Tempore et de Sanctis, das ja ohnehin zu seiner Zeit sich
im ersten Entwicklungsstadium befand, mehr beiläufig be-
handelt. Auf die Hymnen des Commune de Tempore ist dem-
entsprechend unser Interesse bei vorliegender Untersuchung
hingerichtet. — Betreffs des Officiums der Woche nun be-
stimmt Benedikt, daß bei jeder kanonischen Tagzeit ein be-
stimmter Hymnus zu beten oder zu singen ist. Mit Recht
hebt Ul. Chevalier hervor: „La plus notable [prescription de
Saint Benoit], au point de vue qui nous occupe, fut l'introduction
des hymnes ä ioutes les heures canonicales." ^) In diesem
Satze ist der Nachdruck auf Joutes les heures" zu legen und
die „introduction des hymnes" nur so zu verstehen, daß
Benedikt zunächst für seine Klöster als feste Begcl einführte,
was in manchen Kirchen schon mehr oder minder Brauch
war, wenngleich auch vielleicht nicht gleichmäßig für jede
einzelne Höre. Jedenfalls kann der Hymnologe dem Cursus
Benedikts mit aller Sicherheit entnehmen, daß zur Zeit dieses
Patriarchen für alle acht kanotiischcn Tagseiten, auch für die
relativ jüngeren der Prim uud Complet, in verschiedenen
Kirchen und Klöstern ein eigener Hymnus bereits in Brauch
war oder in festen Brauch kam. Bedeutung und Alter der
') Ul. Chevalier, Poesie liturg. tradionnelle de l'Eglise cathol.
en Occident, (Tournai 1894), p. X.
2i5 I- Kapitel.
Hijmni commimes de iemjwre tritt durch dieses Zeugnis des
Cursus, welches den Liturgikern und Hymnologen keineswegs
entgangen ist, in ein helleres Licht.
Es drängt sich nun aber von selbst die weitere wichtigste
Frage auf: Welclie Hymnen sind es, die Benedikt
den einzelnen kanonischen Hören des Sonntags und der
Wochentage zuweist? Chevalier erwidert darauf: „Ces textes
[du Cursus] sont malheureusement muets sur Tincipit des
hymnes." \) Allerdings; aber gerade das Schweigen und die
Art und Weise, wie das Incipit der Hymnen verschwiegen
wird, ist in mancher Hinsicht beredt. Bei jeder Tagzeit
nämlich heißt es im Cursus: „Sequatur (dicutm') ÄmJjrosianiim^
oder Jiymmis eiusdem horae (hymnus earuudum horarum)". Be-
deutet das „ein heJiehiger Eymuiis," „?V(/eMf?em Ambrosianischer
Hymnus (Hymnus des hl. Ambrosius)," oder vielmehr „der
für jene Tagzeit hestimmte, gehrauchliche Hymnus?" Doch wohl
nur letzteres. Wenn es um einen genau bekannten, für eine
bestimmte Höre gebräuchlichen Hymnus sich handelt, ist am
ehesten verständlich, daß auf Angabe des Incipit jenes Hymnus
verzichtet wird. So wird z. B. auch jetzt, wenn wir für
Priester, die das Brevier beten, von unserer Prim reden und
dann den bei dieser Prim gebräuchlichen und allheJcannten
Hymnus „lam Jucis orto sidere^^ anführen wollen, es selbst-
verständlich erscheinen, daß derselbe kurzweg ohne Angabe
seines Anfanges durch die Bezeichnung „der Hymnus dieser
Tagzeit"' gekennzeichnet wird. — Wozu auch bei Benedikt
der Zusatz ..eiusdem horae", da „ein beliebiger, etwa erst zu
schaffender Hymnus" eher einfachhin durch „hymnus" ohne
jeden Zusatz bezeichnet würde? — Es kommt hinzu, was ein-
gangs betont wurde, daß Benedikt nach gut begründeter
Ansicht nicht eigentlich Neues schatten, sondern echt konservativ
bereits Vorhandenes, durch längeren Gebrauch Erprobtes regeln
und fest ordnen wollte. Um so mehr haben wir Grund, in
den von ihm angeordneten und für jede Höre vorgeschriebenen
Hymnen solche zu vermuten , die schon mancherorts in die
Liturgie sich eingebärgert hatten. Die vorgelegte Interpretation
des allgemeinen, aber durch einen Zusatz näher determinierten
1) Chevalier, 1. c, p. XIII.
Was lehrt der Cursus Benedict! über die Hyranodie seiner Zeit? 27
Ausdruckes „hymnus eiusdem horae" findet hierdurch eine
Bestätigung für ihre Richtigkeit. — Somit hat die folgende
These alle Wahrscheinlichkeit für sich: Die zur Zeit des
hl. Benedikt liturgisch gebräuchlichen Hymnen
sind auch jene, welche Benedikt in seinem Cursus
anordnete. Mit dieser These, wie ich nachträglich be-
obachtete, finde ich mich in voller Übereinstimmung mit JBäumer,
welcher schreibt: „Zu bemerken ist noch, daß St. Benedikt keine
neuen Texte für das Officium schuf oder bestimmte, die außer
der hl. Schrift nicht schon im kirchlichen Gebrauch gewesen
wären ; vielmehr setzt er die Hymnen ah bekannt voraus." ^) —
Um einem Bedenken, das competente Liturgiker erheben könnten,
gleich hier zu begegnen, sei betont, daß keineswegs behauptet
werden soll, in allen römischen Basiliken und insbesondere in
der Mutterbasilika des Lateran seien die dem hl. Benedikt
vorschwebenden Hymnen in Brauch gewesen. War dieses
auch nicht der Fall, und das ist entschieden anzunehmen, so
wird unser Raisonnement dadurch in keiner Weise be-
einträchtigt.
Der Cursus des hl. Benedikt drängt demnach förmlich
den Hymnologen, hier die Forschung einzusetzen und zu unter-
suchen, ob aus Zeugnissen MrcJäicher Schriftsteller, die Benedict
zeitlich nahe standen, und aus den ältesten Hymnaren zu er-
mitteln ist, welche Hymni communes de tempore (um diese
handelt es sich zunächst) damals liturgisch verwendet wurden.
Es steht doch zu erwarten, daß, wenn die Benediktiner das
eine oder das andere Hymnar anlegten, die Hymnen desselben
entsprechend der Vorschrift des Cursus eben jene waren, welche
der hl. Patriarch bei jeder Höre verwendet sehen wollte.
Wenn dann diese Hymnen mit jenen übereinstimmen, welche
von Zeitgenossen Benedikts angeführt werden, so haben wir
eine doppelte, sich gegenseitig stützende Bürgschaft dafür, auf
diesem W>ge das vorgelegte Problem mit einiger Sicherheit
gelöst zu haben. Es fragt sich nur, ob solche Hymnare uns
erhalten und ob die angedeuteten Zeugnisse hinreichend vor-
handen sind. Diese Frage läßt sich nicht einfachhin bejahen.
Die alten Zeugnisse sind spärlich, sehr spärlich ; und Hymnare
') Bäumer, Gesch. des Breviers, S. 177.
28 I. Kapitel.
aus der Zeit des 6. und 7. Jalirhunderts liegen leider nicht
vor. Es ist sogar nicht ausgeschlossen , daß überhaupt so
frühe noch kein Verzeichnis der Hymnen , deren Zahl ja be-
schränkt und deren Text als bekannt vorausgesetzt \Nerden
konnte, angefertigt wurde. Das eine Hymnar von Bangor^j
aus dem Schlüsse des 7. Jahrhunderts, welches bis auf einen
einzigen nur solche Hymnen enthält, die der irischen Kirche
ausschließlich eigen sind, kommt hier nicht in Betracht.
Erst das ausgehende 8. und namentlich das 9. Jahrhundert
hat solche Hymnare geschaffen, die bis auf unsere Zeit erhalten
blieben, aber in sehr geringer Zahl und teilweise in lücken-
haftem Zustande. Das mag neben anderem der Grund sein,
daß meines Wissens niemand daran gedacht oder es gewagt
hat, aus diesen Hymnaren einen Piückschluß zu machen auf
den Bestand der Hymnen, die zu Benedikts Zeiten, also im
Anfange des G. Jahrhunderts, beim Officium des
Sonntages und der Wochentage Verwendung fanden und die
von Benedikt selbst in seinem Cursus vorgeschrieben
wurden.
4. Der hochverdiente Liturgiker Suith. Bäumer versucht
erst für die Wende des 8. z u m 9. Jahrhundert eine
Liste der damals liturgisch verwendeten Hymnen aufzustellen
und leitet den Versuch mit dem Bemerken ein: „Leider ist
es gar nicht so leicht zu bestimmen, welche kirchliche Gesänge
dieser Art so früh schon Verwendung gefunden haben" ^).
Aus den ihm bekannten ältesten Hymnaren, deren Verzeichnis
als ein ziemlich vollständiges, wenngleich betreffs Alter und
Provenienz nicht einwandfreies zu bezeichnen ist , schöpft er
alsdann ein Hymnenregister, das wesentlich von jenem ver-
schieden ist, welches sich als Resultat unserer Untersuchung
ergeben wird. Im Schlußkapitel werden wir uns mit demselben
zu befassen haben. Nur dieses sei vorab bemerkt: Bäumer
nimmt keinen Bezug auf die Hymnen im Cursus des hl.
Benedikt, fragt deshalb auch nicht, oh und tvelche der ihm
vorliegenden Hymnare in Beziehung stehen zu dem von
^) The Antiphonary of Bangor; ed by E. F. Warren. (Henry
Bradshaw Societ}-. 1892 and 1895.)
2) Bäumer, Geschichte d. Breviers, S. 256. —
Was lehrt der Cursus Benedicti über die Hymnodie seiner Zeit? 29
Benedikt vorgeschriebenen Hymnar, und so fehlte ihm eine
sichere Richtschnur für die Aufstellung seiner Hvmnenliste
und für die Sichtung der Hymnen in zwei grundverschiedene
Gruppen.
Was Bäumer unterließ, scheint VI. Chevalier in etwa
angestrebt zu haben. Letzterer weist nämlich ganz treffend
hin auf den 3. Canon des ConciJs von Aachen im Jahre 817,
worin die Vorschrift gegeben wird : „üt officium, iuxta quod
in rerjnJa sancti Benedicti coutiiietur. celebrent monachi".
'Alsdann fährt er fort : „ A n'en pas douter, cet office renfermait
des hymnes; lesquelles, ä cette epoque?"^) Hätte nun
Chevalier ein oder richtiger die uns bekannten Hymnare des
9. Jahrhunderts herangezogen , die Antwort auf die von ihm
aufgeworfene und richtig auf die Fährte leitende Frage wäre viel-
leicht anders ausgefallen, als sie jetzt in seinem angeführten
Werke lautet. Mone. den Chevalier als Quelle zweiter Hand statt
der von Mone bezeichneten Quellen benutzte, führte ihn in
die Irre. Aus zwei Handschriften, von denen früher die
eine in Darmstadt als Cod. 2106. die andere in der Stadt-
bibliothek zu Trier als Cod. 1418 aufbewahrt wurde (nun-
mehr ist erstere Handschrift der Cod. Capituli Coloniensis 106,
letztere der Cod. Trevirensis 1245), hatte der bekannte
Hymnologe von Karlsruhe ein Yerzeichnis der „Hymni
communes de tempore" mitgeteilt und den Ursprung beider
Quellen ins 8. Jahrhundert gesetzt. Chevalier war vorsichtig
genug, dieser Altersbestimmung nicht ganz zu trauen; ohne
die Hss. persönlich zu prüfen, sagte er auf gut Glück: „nous
les ramenerons au IX® siecle, precisement celui que nous
occupe." Aber das gute Glück war bei dieser Präzisierung
ihm nicht hold. Der Cod. 1245 der Trierer Stadtbibliothek
ist nämlich ein Sammelband verschiedener Stücke, die im 8.,
9. und 10. Jahrhundert geschrieben wurden; gerade das
Hymnar, welches in Betracht kommt, stammt aus dem 10.
Jahrhundert und ist als solches, wie sich später erst recht
klar zeigen wird , für den gewünschten Nachweis ganz un-
brauchbar. — Der Cod. 106 der Kölner Kapitelsbibliothek
(früher Cod. Darmstadien. 2106) hingegen gehört wohl dem
') Chevalier, 1. c, p. XIX.
30 I- Kapitel.
9. Jalirliundeit an, aber er ist im Hymnenteile irischen bzw.
angloi^ächsiscben Ursprunges, und deshalb, wie nachher darzutun
ist, gleichfalls nicht beweiskräftig. Daher verfehlte die Antwort
Chevaliers auf seine richtig gestellte Frage den wahren Tat-
bestand. Gleichwohl galt und gilt es als eine Art hymno-
logischen Dogmas, daß die von Chevalier und Bäumer auf-
gestellte Hynmenliste, welche bei beiden Gelehrten im
wesentlichen gleichlautend ist, uns ein mindestens annähernd
richtiges Bild vom Hymuenbestand gibt, welcher seit dem
8. Jahrhundert und schon früher ziemlich allgemein bei den
kanonischen Tagzeiten des Wochen-Officiums liturgisch ver-
wendet wurde. Ich selbst war der gleichen Ansicht, als ich vor
elf Jahren die Einleitung zum 27. Bande der Analecta Hymnica
niederschrieb. Erst allmählich und immer kräftiger wurde ich
zur Überzeugung gedrängt, daß mit der bisherigen Ansicht, die
durchweg als sicher das Rechte treffend galt, zu brechen sei.
Nicht ein einzelnes direktes Zeugnis, nicht ein einzelnes neu
entdecktes Hymuar, sondern eine Reihe verschiedener Beweis-
momente, die voneinander getrennt und für sich allein betrachtet
weniger gewichtig erscheinen mögen, führten zu dieser Über-
zeugung. Daher ist es begreiflich, daß der Weg zur Ge-
winnung und Sicherstellung unseres Resultates sich etwas
umständlich gestaltet. Schon der Nachweis, ivelchen Weg der
Cursus des hl. Benedikt der Forschung andeutet, schien eine
weitläufige Erörterung zu erheischen; erst bei weiterem
Wandern wird sich deutlicher zeigen, wie ja meist bei der-
artigen Forschungen, ob die Spur richtig vermutet und er-
kannt wurde.
Vorher ist noch ein die Hymnen betreffender Ausdruck
im Cursus zu erwägen. Für die Horae nocturnae (unsere
Matutin), die Matutinae laudes (unsere Landes) und die
Vesper ordnet Benedikt nicht einen „hymnus eiusdem horae",
sondern einen „Ämbrosianus'' an. Ist damit ein „voni hl.
Amhrosius verfaßter" bzw. ihm zugeschriebener Hymnus ge-
meint oder allgemein „ein Anihrosianischer Hymnus"^ d. h.
ein solcher, der im Rhythmus und Metrum der von Ambrosius
gedichteten Hymnen abgefaßt ist? „Ambrosiani" in letzterem
Sinne waren alle Hymnen, die für Benedikt in Betracht kommen
konnten, und somit wäre bei letzterer Interpretation „hymnus''
Was lehrt der Cursus Benedicti über die Hymnodie seiner Zeit? 31
uud ^Ämbrosmms'' bei ihm ganz gleichbedeutend. Kiehts jedoch
zwingt lins oder legt auch nur nahe, daß wir annehmen sollen,
Benedikt habe bloß der Abwechslung halber beide Ausdrücke
synonym gebraucht. Warum auch, wenn „Ambrosianum" und
„hymnus" bei ihm gleichbedeutend wären, fehlt bei „ Ambrosianus"
stets der bei „hymnus" regelmäßig augewandte determinierende
Zusatz „eiusdem horae" ? Folglich will Benedikt höchst
wahrscheinlich mit „Ambrosianus" einen vom hl. Ambrosius
verfaßten Hymnus bezeichnen. Nun aber findet sich unter
den Hymnen des hl. Ambrosius einer und nur ein Hymnus
fiir die Kocturn. nämlich: ,,Äetcrne rerum cmiäitor'' \ ebenso
nur einer für die Laudes, nämlich: „Siüendor paiernae gloriae'' ,
und schließlich eben ein solcher für die Vesper : „Dens creator
omnhim.'' Hat wirklich Benedikt gerade diese Hymnen ge-
meint, so würde der Ausdruck „Nocturnis horis . . . sequatur
Ambrosianum" zu iibertragen sein mit: „Bei der Nocturn . . .
folge der entsprechende Hymnus des hl Anihroshts; analog
ebenso bei den Laudes und bei der Vesper. Dann aber
auch hätten wir eine neue wichtige Bestätigung, daß oben
richtig vermutet wurde, „hymnus eiusdem horae" bedeute:
„der hei dieser Höre gebräuchliche Hymnus." Tatsächlich
werden wir, um das vorab zu erwähnen, bei unserer
Untersuchung, wenn wir den angedeuteten Weg verfolgen,
zum Resultate gelangen, daß gerade diese drei Hymnen des
hl. Ambrosius gemeint sind. Wir dürfen darin wohl eine
Bürgschaft für die Richtigkeit jenes Weges erblicken, den
wir einzuschlagen uns entschlossen.
II.
Das Zeugnis der hl. Bischöfe Caesarius
und Aurelianus von Arles für die liturgischen Hymnen
des 6. Jahrhunderts.
1. Nacbdein im 50. Bande der Analecta Hymnica jüngst
Dreves aufs neue ermittelt hat, welche Hymnen als von
den Hymnoden des 4. — G. Jahrhunderts , nämlich von
Hilarius, Ambrosius, Prudeutius, Paulinus von Nola,
Sedulius und Ennodius, verfaßt angesehen werden dürfen
oder müssen, sind wir über den Hymnenbestand dieser Jahr-
hunderte und speziell des 6. Jahrhunderts gewiß nicht völlig
im Dunkel. Es ist jedoch ein großer Unterschied, welche
Hymnen um jene Zeit schon gedichtet und hier und dort be-
kannt , und welche im liturgischen Gehrauche waren. Die
Dichtungen des hl. Amhrosius allerdings drangen bald ins
Volk ; wie weit und wann über die mailändische Kirche hinaus,
ist eine andere Frage. Hilarius und Ennodius hatten mit
ihren Dichtungen entschieden nicht jenen Erfolg wie der
große Bischof von Mailand. Unter den uns erhaltenen Ge-
dichten des Bischofs Paulinus von Nola läßt sich keines
nennen, das als eigentlicher Hymnus, viel weniger noch als
Hymnus für liturgische Zwecke gelten kann. Frudentins hatte
nicht beabsichtigt, in den herrlichen Liedern seiner Bücher
Cathemerinon und Peristephanon Hymnen für die Liturgie
zu liefern; erst später (ob schon im 6. Jahrhundert?) wurden
einzelne Abschnitte aus denselben liturgisch verwendet.
Von Sedulius, dem Dichter des großen Carmen paschale, be-
sitzen wir nur den einen berühmten abecedarischen Hymnus
^A solis ortus cardine", aus dem verschiedene auf den
Weihnachtsfestkreis bezügliche Teile seit Jahrhunderten im
Zeugnis der hll. Caesarius und Aurelian von Arles. 33
Breviere noch fortleben; iconn dieselben zuerst dort Aufnahme
fanden, läßt sich nicht bestimmt sagen. — Anderseits steht
es außer Zweifel, daß im Laufe des 5. und 6. Jahrhunderts
wenigstens einige Hymnen neu gedichtet wurden, die wir
keinem bestimmten Dichter zuschreiben und deren Ursprungs-
zeit wir nicht genau bestimmen können, vorausgesetzt, daß sie
überhaupt uns erhalten blieben.
Somit findet unsere wichtige Frage, welche Hymnen im
6. Jahrhundert zu Benedikts Lebzeiten liturgisch in Brauch
und bekannt waren, dadurch keine Lösung, daß eine Reihe
von Dichtungen der ältesten christlichen Hymnoden ermittelt
ist, ausgenommen, daß wir voraussetzen dürfen, die Hymnen
des hl. Ambrosius, wenn sie nicht bloß mailändische Lokal-
heilige zum Gegenstande haben, hätten die verdiente Auf-
nahme in das Officium mancher Kirchen sehr frühe gefunden.
Lehrreich und bestätigend in letzterer Hinsicht ist der
interessante 23. Canon des 2. Koncils von Tours (507), welcher
vorschreibt , daß außer den Hymnen des hl. Äiiihrosius auch
einige Hymnen anderer Dichter zuzulassen seien , voraus-
gesetzt, daß der Name der Verfasser bei denselben vermerkt
werde ^). Leider sind diese Dichter des »3. Jahrhunderts und
ihre Dichtungen für uns nicht vermerkt. — Auch die älteren
christlichen Schriftsteller geben uns wenig Aufschluß, wenn
wir von den allbekannten Zeugnissen über einzelne Hymnen
des hl. Ambrosius absehen^). Papst CaeJestin I.^) und Bischof
Faustus von Beji*) sprechen zu allgemein über den in Italien
sich ausbreitenden Hymnengesang, als daß wir über bestimmte
Hymnen etwas erfahren. Auch Cassiodor, der Begründer des
Klosters Vivarium in der Kähe von Monte Cassino (um die
Mitte des 6. Jahrhunderts), der also in mehr als einer Hinsicht
') „Licet hymnos Ambrosianos habeamus in canone, tarnen,
quoniam reliquoruni sunt aliqui, qui digni sunt forma cantari,
volumus libenter amplecti eos praeterea, quorum auctorum nomina
fuerint in limine praenotata, quoniam, quae fide constiterint. dicendi
ratione non obstant." can. 23. (Harduin, Coli. Concil. , Paris 1714,
II, 861).
■■^) Vgl. Dreves, Aurelius Ambrosius (Freiburg 1893), S. 27 ff.
3) Cfr. Migne, PP. lat. 50, 457.
■*) idem. 58, 854.
Blume, Cursus Eenedicti und liturgiscLo Hymnen. 3
34 II- Kapitel.
(lern Patriarchen Benedikt so nahe steht, kommt fast nur für
Hymnen des hl. Ambrosius in Betracht.
2. Um so wichtiger und wertvoller, weil die ausführlichste
und in ihrer Art älteste, ist die Nachricht, welche uns die
beiden hll. Bischöfe von Arles, Caesar ius und Aurelian,
über Hymnen ihrer Zeit gegeben haben. Beide sind Zeit-
genossen des hl. Benedikt: Cäsarius starb 542, Aurelian 551
oder 553. Ersterer schrieb unter anderem für das von seiner
Schwester Caesaria geleitete Kloster gottgeweihter Jungfrauen
eine Regel, mit der eine Verordnung über das canonische
Chorgebet und den Hymnengesaug verbunden ist : „Ordinem
etiam , quomodo psaJIere deheatis, ex maxima parte secimdmn
regulam monasterii Lyrinensis in hoc libello iudicavimus in-
serendum." ^) Caesarius, die Leuchte der südgallischen Kirche,
war bis gegen Schluß des 5. Jahrhunderts (489—498) Mönch
im berühmten Kloster von Lerins, aus dem im 5. und 6. Jahr-
hundert eine stattliche Reihe von Äbten und Bischöfen Galliens
und Norditediens hervorging. Wie er laut seiner eigenen Worten
die in Lerins gebräuchlichen Hymnen nach Arles verpflanzte,
wenn vielleicht auch nicht alle und nicht mit der Bestimmung
füi' gleiche Verwertung bei den einzelnen Tagzeiten („ex
maxima parte"), so haben höchstwahrscheinlich jene anderen
Bischöfe und Abte in ähnlicher Weise diese Hymnen in ihre
Diözesen und Abteien übertragen. Folglich dürften die in
Arles gebräuchlichen Hymnen uns ein Bild geben , welche
Hymnen damals nicht nur dort und in Lerins, sondern auch
in manchen anderen Kirchen liturgisch verwendet wurden.
Bäumer ^) meint, allerdings mit Bezug auf das kirchliche
Stundengebet überhaupt und ohne spezielle Rücksicht auf die
Hymnen, die Regel des hl. Caesarius von Arles lasse uns „ein
Bild der Entwicklung gewinnen . welche das monastische
Officium und wohl auch das der Säkularpriester im 5. und
6. Jahrhundert in einem großen Teile des Abendlandes ge-
wonnen hat". Meines Erachtens dürfen wir auf die au-
gedeuteten Gründe hin den gleichen Satz für die Hymnen,
welche einen nicht unwichtigen Teil des Officiums ausmachten.
^) S. weiter unten den Anfang dieses Ordo (S. 86).
2) Bäumer, GescMchte d. Brev., S. 149.
Zeugnis der Ml. Caesarius und Aurelian von Arles. 35
aufstellen. Überdies zwingt uns nichts, ja legt auch nur nahe,
den Hymnenbestand des Officiums von Lerins und Arles und
seiner übrigen Töchterklöster in Gallien und Italien als etwas
Partikuläres, nur ihnen Eigentümliches anzusehen. Ob tfirMicli
derselbe Gemeingut vieler Kirchen und weit verbreitet war,
ob namentlich das aus den Regeln des Caesarius und
Aurelian zu gewinnende Hymnenregister uns jene oder doch
einen Gutteil jener Hymnen angeben wird, die in der Umgebung
des hl. Benedikt in Brauch waren, dafür bedarf es weiterer
positiver Nachweise; einstweilen mehr als eine Vermutung in
dieser Richtung zu hegen, wäre übereilt.
Ein Umstand verdient Beachtung. Caesarius schrieb um
das Jahr 500 seine Regel für die Mönche in Arles^), mehrere
Jahre später (534) eine solche für die Jungfrauen. In ersterer
ist der das Officium berührende Abschnitt relativ dürftig und
schweigt über die Hymnen vollständig; in letzterer hingegen
bietet derselbe reichliche Details und gibt uns die Anfänge
der zu betenden Hymnen, wenn auch, was nicht übersehen
werden darf, nicht aller Hymnen. Ist das Zufall, oder lag
der Grund der verschiedenen Darstellungsweise nicht vielmehr
darin, daß bei den Mönchen die Grundlinien und verschiedeneu
Teile des Officiums und insbesondere die Hymnen als hehannt
vorausgesetzt wurden, während die Klosterfrauen einer ge-
naueren Angabe derselben benötigten ? — Aurelian allerdings,
wie wir sehen werden , gibt auch in seiner Mönchsregel die
Anfänge der Hymnen; bei ihm könnte also eine solche
Erwägung, die vielleicht bei Caesarius maßgebend war, .nicht
obgewaltet haben, es sei denn, daß er mcrst die Regeln für
die Jungfrauen verfaßte und dann den Text derselben, was
den Cursus betrifft, für die Mönche einfach herübernahm;
tatsächlich sind beide Regeln fast wörtlich gleichlautend.
3. Der Text der „Regula s*^ Caesarii Ep. ad virgines",
soweit er das kirchliche Officium betrifft, ist nach dem
im Vorwort (S. 7) erwähnten Chn. Monacen. 28118 (saec. 9.),
wo er Fol. 190 b am Schlüsse der „Statuta sanctarum
') Text bei Migne, PP. lat. 67, 1099 sqcj. — Vgl. Bäumer, Gesch.
d. Brev., S. 150.
3ß II- Kapitel.
virginum" beigefügt ist, und den ich zwecks leichterer Über-
sicht in Abschnitte zerlege, der folgende:
Cum Dei adiutorio psallite sapienter. Ordinem etiam,
quomodo psallere debeatis, ex maxinia parte secundum regulani
monasterii Lirinensis in hoc libello iudicavimus inserenduni.
a) In primo die Paschae ad Tertiam psalmi duodecini
cum alleluiaticis suis et antiphonis tres dicantur lectiones:
una de actibus apostolorum, alia de apocalypsi et de evangelio
tertia; liymuus ,,lam surgit Jiora tertia''. — Ad Sextam:
psalmi sex cum antiphona; hymniis „lam sexta smsirn
volvitur", et lectiones. — Ad Nonam similiter dici debent
psalmi sex cum antiphona; hymnus „Ter hora trina volvitur'\
lectio et capitellum. — Ad Liicernarium directaneus brevis
et antiphonae tres; hymnus ,,Hic est dies verus Dei", quem
hymnum totum Pascha et ad Matutinos et ad Vesperam
psallere debetis. — Et ad Buoäecimam inprimis*) „Sol cognovit
occasurn suum'' et psalmi decem et octo dicantur, antiphonae
tres et hymnus „Christe precamur adnue'' ; die alia „Christe,
qui Jux es et dies" hymnus dicatur. — Et sie omni tempore
isti duo hymni dicantur. — Lectiones ad ipsam paschalem
Duodeeimam duae, una apostoli, alia evangeliorum de resur-
rectione dicantur. — Ad Nocturnos psallantur psalmi decem
et octo, antiphonae minores cum alleluiaticis suis et lectiones
duae, hymnus et capitellum. — Hoc ordine toti Septem dies
sunt celebrandi.
h) Post Pascha vero ipsi Nocturni^) dicendi sunt usque
ad Kalendas Octobres; et usque Kalendas Augusti sexta
feria tantum et dominica vigilentur^). Post Pascha vero usque
ad Pentecosten sexta feria semel reficiendum est. Et post
Duodeeimam sex missae*) futurae sunt, hoc est: lectiones
decem et octo memoriter dicendae sunt, et post psalmi decem
^) inprimis = initio ; in gleicher Bedeutung .,in primo" weiter
unten im Abschnitte f.
2) Hier ist nur die 1. Nocturn gemeint; man vergl. den Anfang
des Abschnittes e.
3) vigilentur = fiant Vigiliae i. e. Nocturni.
*) ,,Missa" hier, wie im folgenden und bei Aurelian öfter = lectio.
Wie diese lectio (= missa) zu geschehen hat, beschreibt genau Aurelian
im Abschnitte c am Schlüsse (S. 42)
Zeugnis der hll. Caesarius und Aurelian von Arles. 37
et octo, antiphonae tres; post Nodurnos vero missae tres ad
librum fieri clebent usque ad lucem. (Hier ist alsdann eine
Vorschrift über das leiunium eingeschoben.)
c) Natali Domini et Epiphania ab hora tertia noctis usque
ad lucem vigiJandum est, ita ut ante Nodurnos missae sex de
evangelio dicantur; in Epiphania ante Nocturnos missae sex
de Daniele flaut, post Nocturnes de evangeliis missae sex.
d) Cotidianis') vero diebus ad Tertiam, Sextam, Nonam
seni psalmi cum antiphonis, liymiiis, lectionibus vel capitellis
suis dicantur. Dominica vero die vel sabbatorum ad Tertiam
psalmi sex, post quos lectiones tres: una de prophetis, alia
de apostolo, tertia ex evangeliis ; et post ipsas lectiones psalmi
sex, antiphona una, hymmiin et capitellum.
Cunctis diebus festis ad Buodecimam psalmi, qui ad
Tertiam dicendi sunt; antiphonae tres iungantur; lectiones
vero de re, hoc est de ipsa festivitate dicantur.
e) A Kalendis Octobris usque ad Pascha addite secundos
Nodurnos, id est psalmos decem et octo, lectiones duas et
hyinnum. Ad primos Nodurnos in primo dicite „Miserere
Diei, Deus, secunäum magnam misericordiani tuam", in fine
„Eex aderne Domine". A secundo Nodurno „Magna et mira-
J?7/a". Alia nocte 2i(\.primum Nodurnum dicendum est „Mediae
nodis tempus est", ad secundum [Nodurmuu] „Aeterne rerum
conditor''. — Ad secundos Nocturnos inprimis incipite „Miserere
mei, Bens, miserere mei^. Post Nocturnos legantur orationes
tres, psallatur antiphona et responsus et alia antiphona. ' Post
hoc usque ad lucem impleantur missae quattuor. Si fieri
potest, nunquam minuantur; nunquam maturius, nunquam
tardius excitentur.
f ) Post hoc Matutinales canonici dicantur ; privatis diebus
cum antiphonis, festis vero diebus cum Alleluia psallantur.
Omni dominica sex missae fiant; postea Matutinae fiant.
Inprimis dicite directaneum parvulum „Confitemini" cum
antiphona ..Cantemns Bomino'^. Et omnes Matutinarii cum
Allelu[iatic]is dicantur. — In sollemnitatibus vero ipsis impletis
1) Cotidianus (auch privatus) dies ^= Wochentag, im Gegensatz
zu Sonn- und Festtagen. Yergl. weiter unten den Anfang des Ab-
schnittes f.
38 11. Kapitel.
Matutiuis et liymumu dicant „Te Dcmn hmdamus''. In
exteriore oratorio procedendum est, et dicendus est directaneiis
parvulus; post hoc canticura „Cantemus Domino'', dein heneclidio
irimu imerorum; post benedictionem hymuus „Gloria in
excelsis Deo''.
g) Deinde dicenda est Prima cum psalmis sex et hymmis
„Fidgentis auctor aetheris", lectiones duae, una deuteri, alia
de novo testamento, et capitellum. Hoc modo Dominica vel
sabbato et maioribiis festivitatibus tieri debet.
h) Ad Vesperam simili modo in exteriori oratorio
direetaneus parvulus dieatur et antiphonae tres, hymuus
una die „Dem, qui certis legibus'' , altera die .^Beus creator
omm'um".
i) Omnibus vero diehus dominicis ad Vigilias evangelia
legantur; sed semper in prima missa una resurrectio^) legatur,
altera dominica altera resurrectio, sie et tertia sicque quarta.
Et dum illa prima missa in resurrectione legitur, — et semper
in prima missa una resurrectio legitur — , nemo sedere
praesumat. Postea vero in illis quinque missis, quae sequuntur,
omnes secundum consuetudinem sedeant. — Quando fcstivitates
martynmi' celebrantur, prima missa de evangeliis legatur,
reliquae de passionibus martyrum. — Privatis vero diehus in
vigiliis ordine suo libri novi vel veteris testamenti legantur. —
In hieme omni die post Nocturnos tres missae fiant. — Ante
omnia ipsa lectio in Vigiliis ita temperauda est, ut et
desiderari et semper augeri^) [possit] , et ideo per singulas
orationes binae aut certe non ampliusternaepaginaerelegantur;
si vero evenerit, ut tardius ad Vigilias consurgant, singulas
paginas aut, quantum abbatissae visum fuerit, legant. In
cuius potestate erit, ut, quando Signum fecerit, quae legit,
sine mora consurgat, ut canonicus missarum numerus possit
impleri; pro qua re ipsae Vigiliae sie temperentur, ut, quae
sanae sunt, post Vigilias somno non opprimantur.
k) Omni tempore post Matutmos usque ad secundam
') Resurrectio = Bericht über die resurrectio Christi nach je einem
der vier Evangelisten; dementsprechend auch 4 Kesurrectiones an-
geordnet werden.
2) Augere Hs. ; desiderari = decurtari, minui.
Zeugnis der hll. Caesarius und Aurelian von Arles. 39
horam (= secundam Matiitinara i. e. Primam?) legant; postea
vero faciant opera sua. — (Hierauf folgen, ohne Überschrift
oder Alinea, die Verordnungen, was beim Tode einer Schwester
zu geschehen habe. Daran schließt sich der „Ordo eon-
vivii").
Von einem auf unsere Untersuchung direkt zugespitzten
Resume stehen wir besser ab, bevor wir nicht erst den .
Text aus der „Regula Aureliani Episcopi" herangezogen
haben. Derselbe ist uns im gleichen Müuchener Cod.
lat. 28118 doppelt vorgelegt, zuerst auf Fol. 114b ff. als
Mönchsregel mit der Einleituog: „Sanctis et in Christo
venerandis fratribus in monasterio, quod Deo miserante ac
iubente rege Childeberto fecimus , constitutis Äurelianus
episcopus;" und auf Fol. 193b ff. als Jimgfrauenregel mit
der Einleitung: „Sanctis et in Christo venerandis sororibus
in monasterio Beatae Mariae, quod Deo iubente intra muros
Arelatensis urbis fecimus, constitutis Äurelianus episcopus."
Der auf das Officium bezügliche Teil der Regel ist in
beiden Fassungen (für die Mönche und für die Jungfrauen)
völlig gleich, nur daß für die „fratres" die „sorores", für
den „abbas" die „abbatissa" einrückt. Ich lege den Text der
Mönchsregel zugrunde und kennzeichne etwaige Varianten
in den Fußnoten durch A, die Varianten aus der Jimgfrauen-
regel durch B ; so haben wir beide Regeln in einer. Daß die
Jungfrauenregel des hl. Caesarius als Vorlage benutzt wurde,
manchmal bis auf die Worte genau, ist gleich einleuchtend;
aber Aurelian ist vielfach ausführlicher. Um einen Vergleich
der Regel beider Autoren zu erleichtern, sei bemerkt, daß
im allgemeinen der Abschnitt a bei Aurelian dem Abschnitt
a bei Caesarius entspricht, der Abschnitt b dem b und i bei
Caesarius, c dem e, d dem f, e dem g und k, f dem d und h,
schließlich g dem c und i. Die Anordnung Aurelians betreffs
des Officiums lautet in A (M ö n c h s r e g e 1) und B
( J u n g f r a u e n r e g e 1) also :
Ordinem etiam, quomodo psallere debeatis, in hoc libello
iudicavimus inserendum.
a) In^) primo die Paschae ad Tertiam: Kyrieleison, psalmi
') In fehlt B.
40 II- Kapitel.
duodecim ; id est, quattuor fratres\) binos psalmos et alleluia-
ticum tertium dicant; perdictos (sic! = post dictos?) psalmos
Kyrieleisou, antiphonas^) sex, lectiones tres: una de actibus
apostolorum, alia de apocalypsi(n) , tertia de evangelio;
liymims^) ^lam surgit liora tertia''' et capitellum; deinde
Kyrieleison. Sic in omni opere*) Dei tertia vice Kyrieleison
dicite: antequani incipiatis, et psalmip perdictis-^), et capitello
perdicto *'). — Ad Sextam idem numerus psalmorum et^)
antiphona una; hymnus „lani sexta sensim volvitur'\ lectio
evangelii et capitellum perdictum. — Ad Nonam ipse^) ordo
teneatur; hymnus „Ter liora trina volvitur". — Ad Lucerna -
rium directaneus parvulus, id est „Regna terrae, cantate Deo,
2)salh'te Donmio^ , alia die „Laudate pueriJDominum'^ autiphonae
tres^), hymnus „Eic est dies verus Bei'' et capitellum, quem
hymnum totum^") Pascha ad Matutinos et d.d Lucernarium^^)
dicite. — Ad JDuodecimani inprimis directaneus parvulus
Sol cognovit occasum suum". Sex fratres^^) binos psalmos
cum suis alleluiaticis dicant, antiphonas tres^^), lectiones duas:
una de apostolo et alia de evangelio. — Ad 'Nocturnos pascbales
ipso numero omnia dicite, sicut in Duodecima designavimus. —
Ad Matutinos inprimis directaneum „Exaltabo te, Dens mens
et rex mens", inde „Iitdica nie Deus", „Dens, Dens mens, ad
te de luce vigilo cum Alleluia; deinde^*) ^Cantemus Domino"
cum Alleluia ^"'^) ; postea „Lauda, anima tnea, Dominum",
') sorores B.
-) et antipiionas A.
^) hymnum B.
*) opus A.
5) dictis B.
^1 et capitulum dictum B.
'') et fehlt A.
^) ipse, wie im folgenden öfters = idem.
^) antiphona tria A.
1") tota A.
11) statt „Litcernarium'^ heißt es an der korrespondierenden Stelle
bei Caesarius (S. 36 unter a): Vesperam.
1^) sorores B.
1^) antiphona tria A (cfr. Variante 10).
") inde A.
15) et ipsum sie (statt: cum Alleluia) A.
Zeugnis der hll. Caesarius und Aurelian von Arles. 41
^LaudateDo)mnum,quoniamhoniis" etpsalmiis „Lauda, lerusaJem,
Bominum'', totos tres cum Alleluia. Deinde henedictio dicenda
est; post benedictionem „Laudate Dominum de caelis'', ^Cantate
Domino canticum novmn'^, „Laudate Dominum in sandis eius"
cum Alleluia, ^Magmficat anima mea Dominum'' aut cum
antiphona aut cum Alleluia; hymmim „Gloria in excelsis
Deo"" et capitellum. Et complete^) Matutinos ipso ordine
totum 2) Pascha. — Sic omni die dominico et omnibus maiori-
bus festivitatibus, in quibus ab opere^) vacabitis. Cotidianis
vero diebus ad Nocturnos inprimis directaneus dicatur „Miserere
mei, Deus, secundum magnam. misericordiam tuam'\ deinde
psalmi decem et octo, antiphonae tres parvulae*), lectiones
apostoli et prophetarum duae, et capitellus. Completis
Kocturnis dicetis Matutinos^).
b) In aestate, id est post^) Pascha usque Kalendas'')
Oetobris ipse ordo erit. Sexta feda vero post Nocturnos
duae missae flaut in aestate, in hieme tres. Nam dominica
omni tempore, et^) in aestate et in hieme, post Nocturnos
sex missae fiant. Si vero evenerit, ut tardius ad VigiUas
surgatur, quantum abbati visum fuerit, tantum legatur^);
quando Signum fecerit^*^), qui^^) legit, sine mora consurgat,
ut canonicus missarum numerus possit impleri.
c) A Kalendis vero Oetobris alii Nocturni addendi sunt.
Ad primos dicendum ^2) est ^Miserere mei, Deus, secundum
magnam misericordiam tuam'' ; ad secundos „Miserere mei,'Deus,
miserere mei"" directaneus dicendus est ^^) ; psalmi ^*) decem et
^) compiebitis B.
2) toto A.
^) quibus opera A.
*) antiphona tria parvula A (cfr. Variante 10 und 14 auf vorher-
gehender Seite).
^) Matutinas A.
6) a B.
■') Kalendis A.
«) et fehlt B.
") der Passus „quantum abbati — legatur fehlt B.
'") fecerit abbatissa B.
^1) quae B.
»2) dicendus B.
^') „directaneus dicendus est" fehlt B.
''*) psalmos A.
42 n. Kapitel.
octo, lectioiies duae de prophetis aut de Salomone. Hymnus
ad primos Nodurnos: „Rex aeterne Domine^\ ad secimdos:
„3Iagna et mirabilia" . Ubi per celebratos Nocturnos, quando^)
uoctes cresciint, cottidie ad librum facite missas tres. Unus
frater^) legat paginas aut tres aut quattuor, quomodo mensura
fuerit libri: si minute fuerit^) scriptus aut maiori forma, tres*)
paginas; si minor, quattuor; et fiat oratio. Iterum legat
tantum ; fiat alia oratio. Tertio legat idem tantum; et surgite,
dicite antipbonam de psalmis in ordine, postea responsum,
deinde antipbonam. Iterum legat alius frater^).
(1) Et sie impletis tribus missis dicite Ilatutinarws
canonicos^), id est primo canticum in antipbona, deinde
directaueum ^Iiiäica me, Bens'', „Deus, Dens mens, ad te de
luce vigiIo^\ .^Lauda, anima mea, Dominum^', „Lcmdate Dominum,
quonkmi homis"' ef) psalmus „Lauda , lerusalem, Donimnni;
deinde^) „Landate Dominum de caelis, „Cantate Domino
canticum novum" ^), „Laudate Dominum in sanctis eins"' cum '^^)
antipbona; dicite hymnum ^Splendor paternae gloriae, alia
die „Aeterne lucis conditor", et capitellum et Kyrieleison
duodecim vicibus. Omnibus diehus cottidianis ita impleatur.
e) Post Matutinos ad Primam sex ") psalmi dicantur et
bymnus^^) „Fulgentis anctor aetheris'' ; lectiones duae, una
deuteri, alia de novo testamento, et capitellum. — Post baec ^^)
omnes lectioui vacent usque ad boram Tertiam. — Pieliquo ^*)
*) Statt „Ubi per — quando" : „Perdictos quia"(!) A.
2) Una soror B.
3) fuerit fehlt A.
*) ternas A.
^) alia soror B.
ö) Zu diesen Vorschriften für die „Matutinarii canonici" vergl.
jene für die „Matutini" unter a (S. 40); diese gelten „diebus cottidianis",
jene „totum Pascha".
^) est A.
®) inde A.
^) canticum novum nam A, canticum nam B.
10) in AB.
11) duodecim A (auch Caesarius verordnet nur „sex").
12) dicantur hymnum A.
13) hoc B.
1*) De reliquo A.
Zeugnis der hll. Caesarius und Aurelian von Arles 43
vero diei spatio faciant opera sua secmidum illiicl, quod Dominus
dixit: „Pater mens tisque modo^) operatur , et ego operor^,
et illud apostoli: „Operantes manihns nostris'' '^), et: y,Qui
non operatur , non manducet", quia scriptum est: ,,Viae otio-
sorum stratae sunt spinis"' et „Servitm mutilem proicite in
tenehras exteriores. "
f) Cotidianis igitur^) diebus ad Terticmi sex*) psalmos
dicite-^), antiphonam, ymmiin „lam surgit liora tertia"',
lectiouem et capitellum „Fiat Borniue"'. — Ad Sextam ipse
numerus psalmorum tenendus^), antiphona dicenda, ymnus
„lam sexta senshii volvifur" , lectio et capitellum ^j. — Ad
Nonam ipse ordo servandus^), ymnus vero „Ter liora trina
vohttur''. — Ad Lncernarmm omni tempore et festis et
cottidianis diebus inprimis directaneus, postea antiphonae duae,
tertia semper cum Alleluia dicatur , ymnus una die „Dens,
gui certis legibus"^ , alia die „Dens creator omnimn"' , et
capitellum. — Ad Duoäecimam psalmos decem et octo dicite ^),
antiphonam , ymnum , lectionem ^") et capitellum. — Quando
repausaturi^^)estis, inscola, inquamanetis, Cöwj9?efa^^) dicatur;
inprimis directaneus psalmus nonagesimus dicatur, deinde
capitella consuetudinaria.
g) In Natale Boniini et in Epiphania ^^) tertia hora noctis ^*)
surgite, dicite ununi Nocturnum et facite sex missas de Isaia
^) usque nunc B.
^) vestris B.
^) iterum B.
*) duodecim (cfr. Variante 9).
^) psalmi dicantur A.
^) tenendus fehlt; ebenso das gleichfolgende „dicenda" A.
'') capitellus A.
^) ipso ordine dicendum A.
9) dicite fehlt A>
10) lectio A.
11) repausaturae B.
12) „Completa" hier gleich eine Art von Nachtgebet, nicht = dem
,,Cow23?e/om<m" Benedikts; bemerkenswert ist, daß auch hier der schon
von Basilius für das Nachtgebet angeordnete und noch in der jetzigen
Complet gebräuchliche Psalm 90 vorgeschrieben wird.
1^) Epiphaniorum B.
1^) noctis fehlt A.
44 II- Kapitel.
propheta; iterum dicite secundum Nocturnmn et legantur
aliae sex [missae] de evangelio, — In JEpijihanm ita in primo
unuui Nocturnum, deinde de Daniele propheta facite illas sex
niissas et ^'octurnos, et iterum*) de evangelio sex; Matutinos
eo ordine, siciit in Pascha scripsimus aut dominicis diebus. —
In martyrum festivitatibus tres aut quattuor missae fiant^
primam missam^) de evangelio legite, reliquas^) de passionibus
martyrum. — Omni sexta feria post Duodecimam sex missae
ad librum legantur et post Nocturnes tres. — Omni sahhato
ad Matutinos „Cantemus Domino"^ et „Te Deuni lamlamus" \
ad Tertiam tres lectiones, uua de prophetis, alia de apostolo,
tertia de evangelio dicantur. — Omni äoniinica post Nocturnes,
cum prima missa legitur, id est resurrectio, nullus*) sedere
praesumat, sed omnes Stent; alia dominica alia resurrectio;
et sie in ordine totae quattuor resurrectiones per singulas
dominicas legantur. Post Tertiam vero „Pater noster'' dicite
et psallendo omnes communicent. Sic et in festivitatibus
facite. Missae vero, quando abbati^) visum fuerit, tunc
fiant. — (Hierauf folgt in A, wie bei Caesarius, die Verordnung,
was beim Tode eines frater zu geschehen habe; alsdann der
„Ordo convivW. Letzterer folgt in B unmittelbar.)
4. So groß auch der Unterschied dieses Cursus der beiden
Arelatenser Cäsarius und Aurelian von jenem des Cassinen-
sers Benedikt sich herausstellt, in einem Punkte zeigen sie
Gleichheit, nämlich im Gegenstand, der das Gebetspensum,
das „Pensum servitutis" beim kirchlichen Officium ausmacht.
Im Umfange, in der Reihenfolge der Gebete und Lesungen,
in der Gliederung der einzelnen Gebetsstunden ist es verschieden;
die Texte der Gebete und Lesungen: die Psalmen, die Antiphonen
und Responsorien, die Lektionen aus den Propheten und aus
dem Evangelium bzw. aus dem Alten und Neuen Testamente,
die Cantica, sogar das „Kyrie", das „Gloria" und „Te Deum",
das „Pater noster", sie sind der gemeinsame gleiche
^) et ita A.
''^) in prima missa B.
^) reliquae A.
*) nulla B.
^) abbatissae B.
Zeugnis der hll. Caesarius und Aurelian von Arles. 45
Stoff, aus denen das „Officium divinum" gebildet wird.
Sollte es anders sein betreffs der Hymnen? Solange dieses
nicht erwiesen oder doch als wahrscheinlich zu vermuten ist,
können wir mit Fug und Recht das Gegenteil wenigstens
annehmen. Nun aber wies schon früher alles darauf hin,
daß Benedikt die zu seiner Zeit heJcannten und liturgisch ge-
bräuchlichen Hymnen, deren Zahl noch gering war und somit
keine große Auswahl bot, in seinen Cursus aufnehmen wollte.
Folglich dürfen wir unter den Hymnen, die Caesarius und
Aurelian mit Namen nennen , auch jene suchen , die Benedikt
im Cursus anordnete. Die Anzahl derselben mag verschieden
gewesen sein. Benedikt deutet nämlich mit keinem Worte
an, ob z. B. bei der Nocturn oder der Vesper oder der
Matutin an den verschiedenen Wochentagen mit den Hymnen
abzuwechseln sei, während Caesarius und Aurelian ausdrücklich
bei gewissen Gebetsstunden eine Abwechslung in den zugehörigen
Hymnen anordnen. Der weitere Verlauf unserer Untersuchung
wird auch hierin noch größere Klarheit schaffen.
Heben wir nun die Hymnenanfänge unter Beifügung der
kanonischen Tagzeit, bei der sie zu verwenden, aus dem
Cursus der beiden Bischöfe von Arles heraus, so ergibt
sich folgende Liste :
1. lani sui'git hora tertia (ad Tertiam; P die Pascliae).
2. lam sexta sensim volvitur (ad Sextam ; 1 " die Pascliae).
3. Ter hora trina volvitur (ad Nonam; 1'^' die Paschae)').
4. Hie est dies verus Dei (ad Lucern arium; ad Matutinos et
Vesperam per totum Pascha).
5. Christe precamur adnue (ad Duodecimam).
6. Christe qui lux et dies (ad Duodecimam die alia).
7. Rex aeterne Domine (ad primos Xocturnos).
8. Magna et mirabilia (a secundo Nocturno).
9. Mediae noctis tenipus est (ad primum Nocturnum alia nocte).
10. Aeterne rerum conditor (ad secundum Nocturnum alia nocte).
11. Te Deum laudamus (ad Matutinos in sollemnitatibus).
12. Fulgentis autor aetheris (ad Primam).
13. Deus qui certis legibus (ad Vesperam ima die).
14. Deus Creator omnium (ad Vesperam altera die).
Das ist zunächst die Hvmnenliste bei Caesarius.
^) Diese drei ersten Hymnen werden bei Aurelian (s. S. 43) auch
als ,, cottidianis diebus" zu singende angegeben.
4(3 II- Kapitel.
Ganz die gleichen Hymnen, in gleicher Reihenfolge nnd
mit gleicher Bestimmung, finden sich wieder bei Aurelian.
Nur übergeht er die Nummern 5 und 6, 9 und 10. Statt
deren finden wir bei ihm angegeben:
15. Splendor paternae gloriae (ad Matutinos).
16. Aeteme lucis conditor (ad Matutinos alia die).
Das sind zwei Morgenhymnen, die meines Erachtens nur
zufällig bei Caesarius übergangen sind; denn aus Abschnitt a
seines Cursus wissen wir, daß der Matutin ein Hymnus zu-
kommt. — Von untergeordneter Bedeutung ist es, daß das
„Te JDeum"' (Nr. 11), welches Aurelian gegen Schluß anführt,
bei ihm die Bestimmung trägt: „Omni sahbato ad Matutinos;"
aber für Kenner der alten Liturgie ist es überflüssig, im An-
schluß an das (auf S. 23) zur Vesper und Complet Bemerkte
noch nebenbei hervorzuheben , daß die Fe.sper damals aus
einem zweifachen Officium, dem „Lucernarmm" und der
„Duodecima'-' (einer Art Complet) bestand^). Beide hatten
ihren eigenen Hymnus. Man kann auch das „Lucernarium",
das Officium um die Zeit des Lichtanzündens, eine Vorvesper,
die „Duodecima" eine Vesper nennen. Die eigentliche „ Complet"'
wie auch deren Namen, scheint nämlich, wie schon oben er-
wähnt, im Abendlande vom hl. Benedikt zu datieren, obschon
ihre Anfänge weiter zurückgreifen. Daraus erklären sich die
Bezeichnungen in der Regel der beiden Arelatenser: „ad
Lucernarium, ad Duodecimam, ad Vesperam." Während
Caesarius sagt: „ad Vesperam . . . hymnus una die ,Deus
qui certis legibus', altera die ,Deus creator omnium'", heißt
es bei Aurelian: „Ad Lucernarium omni tempore et festis . . .
hymnus una die ,Deus qui certis legibus', alia die .Dens
Creator omnium'". — Der Hymnus „ad Duodecimam'' [Christe
qui lux es et dies) ist später stets der Hymnus zur Complet.
Bevor wir das gewonnene Hymnenverzeichnis einer weiteren
Diskussion unterziehen , empfiehlt es sich , den Inhalt der
ältesten uns überlieferten Hymnare zur Vergleichung heran-
zuholen. Wir erhalten dadurch zugleich ein Mittel, um einem
etwa sich erhebenden Bedenken wirksam zu begegnen. Man
könnte nämlich zweifelnd fragen, ob die angezogenen Stellen
^) Yergl. Bäiimer, Gesch. d. Brev., S. 151, 171, 178.
Zeugnis der hll. Caesarius und Aurelian von Arles. 47
aus Caesarius' uud Aurelians Werken echt, ob speziell die
Hymnenangabe nicht zum Teile eine Einschiebung späterer
Zeit sei^). Der Hymuengehalt aller ältesten Hymnare und
die charakteristischen Eigentiimlichkeiten ihrer Hymnen, welche
mit jenen bei Caesarius und Aurelian erwähnten überein-
stimmen, wenngleich sie zahlreicher sind, werden uns zeigen,
daß alle in der Regel der beiden Arelatenser zitierten Hymnen
wirklich in die Zeit des hl, Benedikt bzw. eine noch frühere
gehören. Die innere Wahrscheinlichkeit, wie sich heraus-
stellen wird , spricht demnach für die Echtheit dieser Zeug-
nisse.
') Man vergl. hierzu die Ansicht Morins , welche Chevalier (1. c.
pag. XL not. 2) mitteilt, ohne erkennen zu lassen, ob er sie einem
Werke entnommen hat oder einer persönlichen Mitteilung Morins
verdankt.
III.
Der Hymnen bestand der ältesten nicht-irischen
Kymnare bis in das 9. Jahrhundert.
I . Das älteste uns erhaltene Hymnar , wenn wir von
jenem aus Bangor stammenden absehen, das um die Jahre 680
bis 691 geschrieben wurde und auf Fol. 3 — 36 uns 22 Hymnen
der irischen Kirche bietet (Cod. ]\Iediolanen. Ambrosian. C 5
inf.), ist das einem Psalterium beigefügte Hymnar im Cod.
Vaticanus Regin. 11. Es stammt aus dem Schlüsse des
8. oder Anfang des 9. Jahrhunderts ; seine Provenienz irgend-
wie zu bestimmen , dafür fehlen leider alle Anhaltspunkte.
Schon vom hochverdienten Hymnologen Kardinal Tommasi ward
dasselbe ans Licht gezogen , und in den Analecta Hymnica
ist vielfach sein Inhalt ^) verwertet worden ; aber sein Ver-
hältnis zum Hymnenverzeichnis der beiden Bischöfe von Arles
fand bisher nirgends eine Prüfung. — Die Hymnen folgen sich
in der Handschrift in nachstehender Ordnung (Fol. 230b- -236b):
^) Das Verzeichnis der Hymnenanfänge nebst Angabe ibrer
liturgischen Bestimmung liegt bereits vor in der hym.nol. Studie
„Aurelius Ambrosius" von Dreves (Freiburg 1893), S. 18.; ebenso in
„Libri liturgici bibl. apost. Vaticanae mss." von Hugo Ehrensherger
(Freiburg 1897). — Die Liste im ersteren Werke enthält einen fatalen
Schreibfehler; die Feria IV ist dopi^eU angegeben, und so geht der
Samstag leer aus. Büumer (Gesch. des Breviers, S. 258, Anni. 4)
schrieb offenbar aus Dreves ab ; er registriert die Ferialhymnen dieser
Hs. „mit Ausschluß des Samstags" und notiert für Feria IV : „Fulgentis
auctor aetheris oder Deus aeterni luminis." Biron (I, 372) wieder-
holt den Irrtum. — Ehrensherger (1. c.) datiert die Hs. , offenbar auf
De Rossi vertrauend (cfr. Biraghi, p. 26), aus zu alter Zeit, nämlich
als saec. 6/7.
Der Hymnenbestand der ältesten nictt-irisclien Hymnare usw. 49
1. Te Deum laudamus. (Hymnus ad Matutina dicendus die
Dominico.)
2. Splendor paternae gloriae. (Item hymnus II. feria dicendus).
3. Aeterne lucis conditor. (Item ad III. feria dicendus.)
4. Fulgentis auctor aetheris. (Item hymnus IV. feria dicendus.)
5. Deus aeterni luminis. (Item hymnus V. feria dicendus.)
6. Christe caeli domine. (Item hymnus VI. feria dicendus.)
7. Diei luce reddita. (HjTnnus die sabbati dicendus.)
8. Intende qui regis Israel. (Hymnus Natali Di. dicendus.)
9. Illuminans altissimus. (Item hymnus Epiphaniae.)
10. Hie est dies verus Dei. (Hymnus die Paschae.)
11. lam surgit hora tertia. (^Hymnus ad Tertia.)
12. lam sexta sensim volvitur. (Hymnus ad Sexta.)
13. Ter hora trina volvitur. (Hymnus ad Vesperum [! 1. NonaJ
in die ieiunii.)
14. Deus qui certis legibus. (Hymnus vespertinus.)
1.5. Deus Creator omnium. (Item hymnus vespertinus.)
16. Sator princepsque temporum. (Item hymnus vespertinus.)
17. Mediae noctis tempus est. (Hj^mnus ad Nocturnum.)
18. Magna et mirabilia. (Hymnus nocturnus.)
19. Certum tenentes ordinem. (Hymnus ad Tertia cotidianus.)
20. Dicamus laudes Domino. (Hymnus ad Sexta.)
21. Perfectum trinum numerum (Hymnus ad Nona).
Die in Klammern beigefügte Bestimmung, ^Yelche Ver-
wendung den einzelnen Hymnen zukomme, entspricht wörtlich
genau der Angabe in der Handschrift. — Eine geicisse Ordnung
ist in der Reihenfolge der Hymnen unverkennbar: An der
Spitze stehen die Hymnen zu den Matutinae laudes (d. h. zu
den „Laudes" nach der jetzt gebräuchlichen Bezeichnung) und
zwar angefangen vom Sonntag bis zum letzten Wochentage.
— Es folgen die Hymnen für drei hervorragende Festtage
nach ihrer Ordnung im liturgischen Kirchenjahre : Weihnachten,
Epiphanie und Ostern, und zwar für Ostern vier Hymnen,
nämlich für Matutin (=- Laudes) oder Vesper, für Terz, Sext
und Non. Allerdings ist aus der Hs. nicht ersichtlich, daß
die sogenannten kleinen Hören des Ostertages bzw. der Oster-
zeit gemeint sind ; bei dem Hymnus „ Ter hora trina volvitur''
heißt es im Gegenteil sogar „in die ieiunii". Aber, um mit
letzterem zu beginnen, wie bei diesem Hymnus die Angabe
„ad Vesperum" ein evidentes Versehen des Schreibers ist, so
auch wohl die Bestimmung „in die ieiunii". Ein Vergleich
dieser vier fraglichen Hymnen (Nr. 10-13) mit der Bestimmung
Blume, Cursus Benedicti und liturgische Hymnen. 4
50 ni. Kapitel.
bei Caesarius und Aurelian (dort Nr. 1 — 4) zeigt, daß es sich
bei allen vier um Hymnen für die Osterzeit handelt, zumal
am Schluß unter den Nummern 19 — 21 nochmals drei Hynmen
für die kleinen Hören folgen , von denen der erstere (für
die Terz) ausdrücklich als „cotidianus" bezeichnet wird,
■welche Bezeichnung für die zwei folgenden nur nicht aus-
drücklich wiederholt ist. — Die Fortsetzung bilden drei
Hymnen zur Ves^icr und zwei für die Nodurn, mit deren Ge-
brauch sichtlich abgewechselt werden soll. — Es beschließen
die Liste je ein Hymnus für die täglichen kleinen Hören der
Terz^ Sext und Non. — Eine gewisse Ordnung, mag dieselbe
auch mit der jetzt gebräuchlichen nicht recht passen und uns
deshalb fremdartig vorkommen, leuchtet jedenfalls daraus her-
vor und läßt, was wir als nicht unwichtig gleich noch er-
kennen werden , ein systematisch angelegtes , in sich ab-
gerundetes und in seiner Art vollständiges, wenngleich relativ
dürftiges Hymnar erkennen.
Vergleichen wir nun dieses Hymnenverzeichnis mit jenem
aus Caesarius und Aurelian gewonneneu. Für Weihnachten
und Epiphanie fehlt dort ein Hymnus; Ostern hingegen ist
in gleicher Weise mit den gleichen vier Hymnen bedacht.
Caesarius und Aurelian bezeichnen für die Vespex zwei ab-
wechselnd zu gebrauchende Hymnen (Nr. 13 und 14: ^Beus
gui certis legibus'' und „Deus creator omnium''); die gleichen
Hymnen mit gleicher Bestimmung finden sich in unserem
Hymnar in derselben Folge als Nr. 14 und 15. Beide
Arelatenser verordnen (unter Nr. 8 und 9) zwei Hymnen für
die Nodurn; wir begegnen ihnen in unserem Hymnar unter
den Nummern 17 und 18. Dort wie hier dient das „Te Deum"
alsHymnus zu den XffM(?cs am Sonntage bzw. „insollemnitatibus".
Von den übrigen Hymnen zu den Landes der Ferialtage,
die unser Hymnar anführt, nennt Aurelian ^SpJendor paiernae"'
und „Aeterne lueis conditor'' als abwechselnd zu gebrauchende,
und verordnet außerdem in Übereinstimmung mit Caesarius den
Hymnus ,,Fulgentis auctor aetheris" für die Prim , wofür er
inhaltlich und aus anderen noch zu erörternden Gründen nicht
paßt. Er gehört in die Serie der höchst interessanten
Laudeshymnen, von denen jene für Donnerstag, Freitag und
Samstag bei den Arelatensern nicht angeführt sind. Um-
Der Hymnenbestand der ältesten nicht-irischen Hymnare usw. 51
gekehrt fehlen in unserem Hymnar die Hymnen zur Coniplet,
wie auch für die Frii)i kein Hymnus vorgesehen ist.
Demnach ergibt sich vorläufig folgendes Resultat: Alle
von Äurelian zitierten Hymnen finden sich im alten Hymnar
der Yaticana wieder bis auf einen einsigen zur Nocturn,
nämlich „Rex aeterne Domne". Außer diesem nennt Caesarius
noch einen anderen, vom hl. Ambrosius herrührenden Hymnus
für die Nocturn: „Aeterne verum conäitor'\ und zwei Hymnen
für die Complet („ad duodecimam") , die wir in unserem
Hymnar vergeblich suchen. Im übrigen tauchen alle Hymnen
aus dem Verzeichnis der beiden Bischöfe auch im Hymnare
wieder auf, und zwar durchweg mit gleicher Bestimmung, nur
vermehrt um zwei Hymnen für Weihnachten und Epiphanie,
drei Hymnen für die Landes und drei Hymnen für die kleinen
Hören an gewöhnlichen Ferialtagen. Betreffs letzterer heißt
es indessen bei Caesarius ohne Angabe der Hymnenanfänge:
„Cotidianis vero diebus ad Tertiam, Sextam , Nonam seni
psalmi cum antiphonis, hijmnis, lectionibus et capitellis suis
dicantur", so daß also nicht ausgeschlossen ist. daß eben diese
drei Hymnen zu den kleinen Hören, wie sie der Cod. Vaticanus
nennt, auch Caesarius vorschwebten. — Eine nahe, sehr nahe
Beziehung zwischen dem Hymnenverzeichnis der beiden Are-
latenser und dem Hymnar der Yaticanischen Bibliothek läßt
sich somit nicht verkennen^); dieselbe wird noch schärfer
hervortreten durch den Umstand , daß beide Quellen mit
ihren Hymnen gleichartig in starkem Contrast stehen zu dem
Hymnengehalt aller alten Hymnare in irischer Handschrift
und aller Hymuare vom 10. Jahrhundert an. Letzteres sei jedoch
vorab nur angedeutet, um der Untersuchung nicht vorzugreifen.
Ein Umstand verdient noch nähere Erwähnung, der
meines Erachtens den Wert des in Frage stehenden Codex
Vaticanus erhöht und die so wie so schon unbedeutenden
Ditferenzen zwischen seinem Hymnengehalt und jenem in
1) Die Bemerkung Chevaliers (1. c, pag. XIV): „L'usage de ces
pieces [der bei Caesarius und Äurelian zitierten Hymnen] ne s'est
maintenu qu'accidentellement et je les crois etrangeres ä rbyninaire
benedictin" wird sich im folgenden noch deutlicher als den Tatsachen
stracks widersprechend erweisen.
4*
oz
9 III. Kapitel.
den Regeln der hl. Caesarius und Aurelian noch mehr aus-
gleicht. Es fehlen im Hymnar des Vaticans die Hymnen für
Prhn und Coniplet. Sind dieselben vom Schreiber des Codex
oder richtiger vom Zusammensteller des Hymnars über-
sehen oder, da er vielleicht kein vollständiges Hymnar. sondern
eine Auswahl liieten wollte, übergangen worden? Wie ich
oben mit Absicht schon des weiteren auseinandersetzte, macht
das Hymnar den Eindruck einer wohl geordneten, planmäßigen
Zusammenstellung; das Fehlen der Prim- und Complethymuen
kann ich deshalb auf derartige Gründe nicht gut zurückfülneii.
Ich glaube vielmehr, dem Zusammensteller des Hymnars
waren die Hymnen zur Prim und Complet noch nicht bekannt,
oder in seiner Gegend waren dieselben noch nicht gebräuchlich
oder geläufig. Es ist ja bestbegründete Ansicht, für die
allerdings hier nicht der Nachweis erbracht werden kann, daß
die ersten und ursprünglichsten canonischen Betstunden der
Morgen- und Abendgottesdienst, die Landes (ehemals Matutini
genannt) und die Vesiier waren mit obligatem, wenngleich
erst nur privatem Charakter. Speziell für die Lauäes
haben wir die iüteste Bezeugung einer christlichen Tagzeit im
Briefe des jüngeren Plinius aus den Jahren 111—113.^) Terz,
Sext und Sou, die anscheinend anfangs nur an den sogenannten
Stationstagen Mittwoch und Freitag gemeinsam abgehalten
wurden, waren nicht vorgeschrieben. — Erst die Yer-
folgungszeit der Christen mit ihren nächtlichen Zusammen-
künften brachten die Yigiliae nocturnae . die Sodurnen, in
Übung und das 4. Jahrhundert sah sie mehr allgemein ein-
gebürgert. — Die Prim ist eine „novella sollemnitas" des
5. Jahrhunderts, und Benedikt gab ihr statt des Namens
^altera (secunda) Matntina'' (man vgl. die interessante Be-
zeichnung „Postmatutinae laudes" im Hymnus: FostmaUitinis
Imiäihus'-) jenen der „Prima". Vom selben Heiligen erst
datiert sowohl der Name als auch die eigentliche Einführung
des Xo))ipletornwi\ wenngleich deren Keime zeitlich weiter
zurückführen. (Vgl. die Bemerkung zu „Duodecima",
„Lucernarium" und „Vesper"' auf Seite 23.) — Dieser Ent-
') Ep. 10, 96. cfr. Harnack, Chronologie I, 256 und Manser im
kirclil. Handlexikon von Buchberger I (1907), 736.
Der Hymnenbestand der ältesten nicht-irisclien Hymnare usw. 53
Wicklung entsprechend werden vermutlich auch die Hymnen
der Landes (Matutinae), Vesperae , Nocturu, Tertia, Sexta,
Nona, Prima und Completa in gleicher Ordnung sowohl in
bezug auf die Zeit der Entstehung als an Anzahl und Ver-
breitung bzw. im liturgischen Gebrauche sich folgen.
Werfen wir nun wieder einen Blick auf das Hymnar im Codex
Vaticanus. Es beginnt mit sieben Hymnen zu den Landes, es
folgen (nach Einfügung der Hymnen für drei alte Feste des
Herrn) drei Hymnen für die Vesper, darauf zwei für die
Nocturn und endlich je einer für Terz, Sext, Kon, während
die zwei jüngsten Hören leer ausgehen. Das alles trägt ein
sehr altes Gepräge, passend für die Zeit des 5. oder (3. Jahr-
hunderts. Um die Wende des 8. und 9. Jahrhunderts hätten
wir einen Hymnus für Fr im und Complet erwartet. In jener
Zeit aber ist der Codex geschrieben. Daher drängt sich die
Vermutung auf, das Hymnar sei abgeschrieben von einer
Vorlage früherer Jahrhunderte. Die Bedeutung des
Hymnars würde damit entschieden gewinnen. Bei dieser
Voraussetzung bringt auch der Umstand, daß Caesarius für
die „Duodecima" (eine Art von Complet) den Hymnus „Christe
qui hu: es et dies'' vorschreibt, das Vaticanische Hymnar
hingegen ihn übergeht, keinen nennenswerten Unterschied
hervor. Caesarius sowohl als auch der Zusammensteller des
Hymnars konnten diesen Hymnus als mancherorts schon ge-
bräuchlichen kennen; ersterer nimmt ihn auf, letzterer über-
geht ihn als einen noch nicht allgemein und alt eingebürgerten,
wenngleich gut bekannten.
3. Eine weniger reiche, aber in einigen Punkten wichtige
Ausbeute bietet ein anderes Hymnar, auf dessen Existenz
der englische Hymnologe Jaines 3Iearns mich gütigst
aufmerksam machte. Dasselbe ist enthalten im Cod. Parisin.
lat. 14088, einem Sammelbande des 9. Jahrhunderts. Eine
photographische Wiedergabe des ganzen Hymuars, die ich
fertigen ließ, liegt mir vor. Die Provenienz läßt sich daraus
nicht bestimmen ; der allzeit dienstbereite Chef im Departement
der Handschriften der Pariser Nationalbibliothek, Henri Omont,
hatte die Liebenswürdigkeit, mir folgenden competenten Auf-
schluß zu geben: „Ce volume provient de l'abbaye de
St. Germain-des-Pres, et peut-etre plus anciennement de
r^ III. Kapitel.
Tabbaye de Corbie, bien qu'aucune note de provenaiice ne
rindiqiie expressöment. Mais les notes de la niain de D. Aiiselme
Le Michel, qui se troiivent k plusieurs eudroits du volume,
peuvent faire conjecturer qu'il provient de Corbie." So lange
also nicht Gegenteiliges bewiesen wird, haben wir guten Grund,
das Hymnar als ein Hymnar von Corbie zu bezeichnen.
Für die Hymnologie ist dasselbe meines Wissens bisher nicht
verwertet worden. Die Fehler, von denen der Text des Hymnars
wimmelt, sind derartige, daß man es klar als Apographwi
einer älteren Vorlage (einer wie alten?) erkennt. Für die
Textkritik hat es wegen seiner Fehler wenig Wert, aber recht
großen wegen seines Hymnenbestandes für die uns beschäftigende
Untersuchung. Folgendes sind die Hymnen in der Reihen-
folge, welche sie auf fol. 26—29 der Handschrift einnehmen, und
denen ich in Klammern ihre liturgische Bestimmung nach dem
Wortlaut der Quelle beifüge:
1. Postmatutinis laudibus. (Ad Primam.)
2. Certum tenentes ordinem. (Ad Tertiam.)
3. Dicamus laudes Domino. (Ad Sextam.)
4. Perfectnm trinum numerum. (Ad Nonam.)
5. Deus qvii certis legibus. (Ad Vesperas.)
6. Deus qui claro lumine. (Ad Vesperas, Dominicis.)
7. Tempus noctis surgentibus. (Ad Nocturnum.)
8. Deus qui certe (! 1. caeli) lumen es. (In Dominica, in
Matutinis.)
9. Aeterne lucis conditor. (Feria III. ad Matutinas.)
10. Fulgentis auctor aetheris. (Feria IV. ad Matutinas.)
11. Deus aeterni luminis. (Feria V. ad Matutinas.) •
12. Christe caeli Domine. (Feria VI. ad Matutinas.)
l-S. Diei luce reddita. (Feria VII. [ad Matutinas].)
14. Dei fide qua vivimus. (In Quadragesimo ad Tertia.)
15. Meridie orandum est. ([In Quadragesimo] ad Sexta.)
16. Sic ter quaternis trahitur ([In Quadragesimo] ad Nona.)
17. Aurora lucis rutilat. (De Pascha.)
18. Ad cenam agni providi (ohne Titel; natürlich für Ostern.)
Eingeleitet werden diese Hymnen durch die Überschrift:
„Incipiunt hymni in anno (sie!) circulo." Der „anni circulus"
ist dürftig bedacht, wenn wir auch nur auf das Hymnar der
Vaticana einen vergleichenden Blick werfen: Weihnachten
und Epiphanie erhalten keinen Hymnus; nur für das Oster-
fest sind Hymnen vorgesehen, und zwar zwei andere
Der Hymnenbestand der ältesten mclit-irisclien Hymnare usw. 55
als im Cod. Vaticaniis. Auch die Hymnen zu den drei kleinen
Hören (Terz, Text und Non) der Osterzeü sind in Wegfall
gekommen; dafür sind eben solche Hymnen für die Fasten-
zeit angeordnet. Unser Hauptinteresse gilt indessen den ge-
wöhnlichen Sonntags- und Ferialhyninen. Den Anfang der
Liste bilden die Hymnen zur Prim, Terz, Sext und Non; es
sind ganz dieselben , welche im Vaticanischen Hymnar den
Schluß bilden, hier jedoch vermehrt um einen Hymnus zur Prhn,
den wir dort noch vermißten. Die Vcsx^er weist hier wie dort
^ den gleichen Hymnus ^^Deus qui certis legibus" an erster Stelle
auf; die zwei im Cod. Vaticanus folgenden hingegen haben
einen anderen Vertreter im Hymnus: ^^Deus qui cJaro lu-
mine"^ . Die Nodiirn hat in beiden Quellen keinen einzigen
gemeinsamen Hymnus. Dafür jedoch ist die interessante
Gruppe zu den Landes hier wie dort ganz gleich geartet mit
der einen Ausnahme, daß der sog. „Ambrosianische Lobgesang"
für den Sonntag im Hymnar von Corbie seinen Platz dem
Hymnus „Deus qui caeJi Jumen fs" eingeräumt hat, einem
Hymnus, der vollständig zu der Gruppe der Laudeshymnen
paßt. Für den INIontag, dem im Cod. Vaticanus der Hymnus
des hl. Ambrosius zugewiesen ist , hat der Schreiber des
Hymnars wohl nur durch Versehen keinen Hynmus notiert.
3. Ergiebiger und den gleichbleibenden Hymnenbestand
noch klarer hervortreten lassend ist der Codex Junius 25
der Bodleianischen Bibliothek zu Oxford. Es ist ein im 8.
und 9. Jahrhundert geschriebener Sammelband, in den auf
Fol. 122—129 eine Hand des 9. Jahrhunderts das
eigentliche Hymnar eingetragen hat, während auf Fol. 116
und 117 von einer anderen aber ziemlich der gleichen Zeit
angehörenden Hand vier Hymnen nebst Te Deum geschrieben
sind, die aus irgend einem Grunde im Corpus des Hymnars
keinen Platz gefunden hatten. Um die Mitte des 15. Jahr-
hunderts war der wichtige Codex in Murhach im Elsaß,
einer Benediktinerabtei, die der hl. Pirmin von Reichenau im
Jahre 726 gegründet hat. Ob das Hymnar nebst seiner
Interlinearversion in Murbach oder vielmehr in Reichenau
geschrieben wurde oder vielleicht anderswoher stammt, ließ
sich bislang nicht sicher ermitteln. Sämtliche Hymnen dieses
Codex wurden zuerst von Jacob Grimm nach einer Abschrift
^(5 III. Kapitel.
des Franz Jtwms, später aus der Handschrift selbst von
Eduard Sievers unter dem leicht irreführenden Titel ,,I)ic
Murhachcr Hymnen'' herausgegeben. Eine sorgfältige Einleitung
aus der Feder des gewiegten Germanisten belehrt bis ins
einzelnste über die Gestalt, den Gehalt und die Geschicke
der Handschrift. Das Hymnar selbst wurde von ihm ganz
isoliert betrachtet und behandelt. Dessen Beziehung zu
anderen Hymnaren zu betrachten, es einer bestimmten Gruppe
von Hymnaren einzugliedern, aus seinem Hymnengehalt Licht
für die liturgische Verwendung derselben zu gewinnen, hat
niemand unternommen. Bäumer ging sogar ohne jeden Blick
auf dasselbe an ihm vorüber.
Außer dem einleitenden Titel „Inciphmt hymni canendi
per circuhm amii" und der sich anschließenden Überschrift
für den ersten Hymnus: ..Hymnus ad Nocturn. domimcis diehus'-
vermerkt in der Hs. keine einzige Rubrik, wie die Hymnen
liturgisch zu verwenden waren. Grimm und Sievers be-
gnügten sich dementsprechend, die Hymnen einfach zu
numerieren. An der Hand der schon besprochenenzwei Hymnare
ist es aber leicht, diesem Mangel abzuhelfen und alsdann in
der scheinbar planlos sich folgenden Hymnenreihe ein
systematisch angelegtes Hymnar zu erkennen. Nachstehend die
Anfänge der Hymnen in der Reihenfolge der Handschrift:
1. Mediae noctis tempus est. („Ad Nocturnas dominicis diebus".)
2. Deus qui caeli lumen es. (Die domiiiica ad Matvitinas.)
8. Splendor paternae gloriae. (Feria II. ad Matutinas.)
4. Aeterne lucis conditor. (Feria III. ad Matutinas.)
5. Fulgentis auctor aetheris. (Feria IV. ad Matutinas.)
6. Deus aeterne luminis. (Feria V. ad Matutinas.)
7. Christe caeli Domine. (Feria VI. ad Matutinas.)
8. Diei luce reddita. (Feria VII. ad Matutinas.)
9. Postmatutinis laudibus. (Ad Primam.)
10. Dei fide qua vivimus. (Ad Tertiam; in Quadragesimo.)
11. Certum tenentes ordinem. (Ad Tertiam.)
12. Dicamus laudes Domino. (Ad Sextam.)
13. Perfectum trinum numerum. (Ad Nonam.)
14. Deus qui claro lumine. (Ad Vesperas; Dominicis.)
15. Deus qui certis legibus. (Ad Vesperas.)
16. Christe qui lux es et dies. (Ad Completam.)
17. Meridie orandum est. (Ad Sextam; in Quadragesimo.)
18. Sic ter quaternis trahitur. (Ad Nonam; in Quadragesimo.)
Der Hymnenbestand der ältesten nicht-irischen Hj-mnare usw, 57
19. Aurora lucis rutilat. (Die Paschae.)
20. Hie est dies verus Dei. (Die Paschae.)
21. Ad cenam agni providi. (Die Paschae.)
Die vier Hymnen von anderer Hand vor diesem Hymnare
sind :
22. Aeterna Christi munera. (De ss. Martp-ibus.)
23. Tempus noctis surgentibus. (Ad Nocturnas.)
24. Eex aeterne Domine. (Ad Nocturnas.)
25. Aeterne rerum conditor. (Ad Nocturnas.)
Den Abschluß bildet das „IV; Betim"' mit der Einleitung
„Te decet laus, te decet hyninus, tibi gloria Deo patri et filio
cum sancto spiritu in saecula saeculorum. Amen."
In dieser ganzen Liste findet sich kein einziger Hymnus,
dem wir nicht schon entweder bei Caesarius und Aurelian
oder im ältesten Hymnar der Vaticana oder in jenem von
Corbie begegneten; nur der Hyninus des hl. Ambrosius auf
die Märtyrer „Aeterna Christi munera" ist hier zum ersten
Male verzeichnet. Umgekehrt, wenn wir von den speziell für
die Osterzeit vorgesehenen Hymnen zur Terz, Sext und Non
absehen und von den zwei Hymnen für Weihnachten und
Epiphauie, sind alle Hymnen jener Hymnare auch hier ver-
treten. Das ist gewiß eine sehr bedeutsame Tatsache, und
speziell für die Hymnen des Sonntags und der Feriae haben
wir nunmehr eine feste Basis gewonnen,
4. Eine weitere und wichtige Stütze bietet uns der
Codex XXXIV der Cant on sbibliothek zu Zürich, der
aus Bheinau dorthin kam und wohl auch ursprünglich in
dieser altehrwürdigen Abtei und zwar im 9. Jahrhundert
geschrieben wurde. V) Nach dem prächtigen Psalterium und
den Cantica folgt das Hymnar, welches leider sehr beschädigt
und zerfetzt ist, aber auch so als eine traurige und arg zu-
gerichtete "Ruine eine beredte Sprache führt. Schon die Über-
schrift zum Hymnar ist von höchster Bedeutung; sie lautet:
„Incipiimt lujmni sancti Ämbrosii , quos sanctus Bene-
dict us in di versa s h oras c anendos ordiuavit."
Will man den Inhalt dieser Überschrift als glaubwürdig
erachten, so dürfte unsere ganze Untersuchung überflüssig.
') Eine sorgfältige Beschreibung dieses Hjmmars bietet, wie wir
es bei ihm gewohnt sind, der Hymnologe Jacob Werner in seinem
Werke „Die ältesten Hymnensammlungen von Rheinau", S. XIV.
58 TTT. Kapitel.
weil schon erledigt, erscheinen. Eine Schwierigkeit bietet
indessen der Umstand, daß die Hymnen einfachhin alle als
„hymni sancti Anihrosii" bezeichnet werden. Diese Bezeichnung
ist irrig. Ist ein Teil des Zeugnisses nicht zuverlässig,
so kann auch dem zweiten Teile, daß der hl. Benedild diese
Hymnen für die einzelnen Hören angeordnet habe, nicht
einfachhin Glauben beigemessen werden. Wohl läßt der Aus-
druck „hymni sancti Ambrosii" sich abschwächen und als
gleichwertig mit „Ambrosiani" deuten, wodurch alsdann der
wahre Tatbestand bezeichnet würde. Aber wer bürgt dafür, daß
er wirklich in diesem allgemeinen Sinne gedacht ist? Daher
bedarf es immerhin der Untersuchung, ob der zweite Teil
dieses Zeugnisses, „quos srmctus Benedidus in äiversas horas
canendos ordinavU^\ auf andere Gründe hin tvenigstens als
ifalirsclieinlich für jene Hymnen gelten kann, die nach dieser
Überschrift angeführt werden '). Ist das der Fall , dann ge-
winnt das Zeugnis an Glaubwürdigkeit und kann als neues
höchst bedeutungsvolles Beweismaterial herangezogen werden.
Als erster Hymnus, gerade wie im Hymnar von Murbach
resp. Reichenau und mit dem gleichen Titel: „Hymnus ad
Nocturn, dominicis diebus", steht:
1. Mediae noctis tempus est.
Der nächst folgende Hymnus ist so arg mitgenommen,
daß nur P/2 Verse des Textes, nämlich: ,,[Polum caligo]
deserit | Typusque Christi lucifer". gerettet sind, die aber ge-
nügen, in ihm den zweiten des Murbacher Hymnars zu erkennen :
2. Deus qui caeli lumen es. (Die dominica ad Matutinas.)
Als dritter Hymnus mit der Überschrift „Hymnus feriae
secundae ad Matutinas" folgt:
3. Splendor paternae gloriae.
Alsdann unter der Rubrik: „Hymnus tertiae feriae":
4. Aeterne lucis conditor.
Auch im Murbacher Hymnar bilden eben diese Hymnen
mit gleicher Bestimmung die dritte und vierte Nummer. —
Ein böses Geschick hat einige der nächstfolgenden Hymnen,
anscheinend drei, nämlich jene zu den Landes der Feria IV.,
*) Vgl. überdies die Überschrift: „Incipiunt hymni vel cantici
sec. regulam s. Beneäicti abbatis" im Hymn. ms. Bobiense saec. 10.
Cod. Tauriuen. G VII 18.
Der Hymnenbestand der ältesten niclit-irisclien Hymnare usw. 59
V. und VI,, ganz verschwinden und vom vierten den winzigen
Rest „[Non] cogitemus impie" übrig gelassen. Das aber ist
der Anfang der 5. Strophe von :
5. Diei luce reddita. (Feria VII. ad Matutinas.)
Wiederum in Übereinstimmung mit dem Hymnar von
Murbach schließen sich an diese Laudeshymnen jene zu den
kleinen Hören der Prim, Terz und Sext, nämlich :
6. Postmatutinis laudibus. („Hymnus ad Primam".)
7. Certum tenentes ordinem. („Hymnus privatis diebus ad
Tertiam".)
8. Dicamus laudes Domino. („Hymnus ad Sextam privatis
diebus".)
Der Rest des Hymnars fehlt, was hier aus mehr als
einem Grunde zu bedauern ist. — Im Murbacher Hymnar
steht zwischen dem Hymnus zur Prim und zur Terz jener
zur Terz für die Fastenzeit eingeschoben , was die gleich-
mäßige Ordnung stört. Von diesem einzigen nebensäch-
lichen Punkte abgesehen decken sich die Hymnen und deren
Reihenfolge im Hymnar von Rhemau so vollständig mit
jenen im Hymnar von Murhach, daß man beide als Zwillings-
brüder ansehen könnte.
Die Aufgabe des III. Kapitels, den „Hymnenbestand
der ältesten nicht irischen Hymnare bis in das 9. Jahr-
hundert^'' zu ermitteln , ist hiermit erschöpfend gelöst. Denn
andere derartige Hymnare aus diesem Zeiträume sind uns
nicht erhalten , wenigstens ist Jcein einziges weiteres bislang
entdeckt worden. Alle anderen sind entweder irischen Ur-
sprunges , oder sie stammen , wie gleich dargetan wird , erst
aus dem 10. oder noch jüngeren Jahrhunderten. Die Kou-
frontierung des Hymnengehaltes dieser letzteren Quellengruppe
mit jenem, den wir aus der ersteren gewonnen haben, führt
uns zum Schlußergebnis unserer Forschung.
5. Vorher dürfte es angezeigt sein , um den Überblick
zu erleichtern und die Diskussion auf ein enger umschriebenes
Gebiet zu beschränken , daß der Anfang aller jener Hymnen,
die wir aus den eben besprochenen Quellen kennen lernten,
nach ihrer liturgischen Verwendung zusammengestellt und
ihr Fundort in Klammern beigefügt werde.
60 III- Kapitel.
A. Hymni Communes de Tempore.
a) Ad Nocturnas horas.
1. Mediae noctis tempus est. — (Caesar., Codd. Reg., Jun.,
Rhenov.)
2. Rex aeterne Domine. — (Caesar., Aurel., Cod. Jun.)
3. Magna et mirabilia. — (Caesar., Aurel., Cod. Reg.)
4. Aeterne verum conditor, — Hymn. s. Ambrosü. — (Caes.,
Cod. ,Jun.)
5. Tempus noctis surgentibus. — (Codd. Parisin., Jun.)
b) Jfl Matutinas Landes.
6. i Te Deum laudamus. — Dominica. — (Caesar., Aurel.,
I Codd. Reg., Jun.)
7. j Deus qui caeli lumen es. — Dominica. — (Codd.
' Parisin., Jun., Rhenov.)
8. Splendor paternae gloriae. — Feria 11. — st. Ambrosü.
— (Aurel., Codd. Reg., Jun., Rhenov.)
9. Aeterne lucis conditor. — Feria III. — (Aurel., Codd.
Reg., Parisin., Jun., Rhenov.)
10. Fulgentis auctor aetheris. — Feria IV. — (Caes., Aurel.,
Codd. Reg., Parisin., .lun.)
11. Deus aeterni luminis. — Feria V. — (Codd. Reg., Parisin..
Jun.)
12. Christe caeli Domine. — Feria VI. — (Codd. Reg.,
Parisin., .Jun.)
13. Diei luce reddita. — Feria VII. — (Codd. Reg., Parisin.,
Jun., Rhenov.)
c) Aä parvas horas.
14. Postmatutinis laudibus. — Ad Primam. — (Codd. Parisin.,
Jun., Rhenov.)
1.5. Certum tenentes ordinem. — Ad. Tertiam. — (Codd. Regln.,
Parisin., Jun., Rbenov.)
16. Dicamus laudes Domino. — Ad Sextam. — (Codd. RegLn.,
Parisin., Jun., Rhenov.)
17. Perfectum trinum numerum. — Ad Nonam. — (Codd.
Regln., Parisin., Jun.)
d) Ad Vesperas.
18. Deus Creator omnium. — st. Amhrosn. — (Caesar., Aurel.,
Cod. Regln.)
19. Deus qui certis legibus. — (Caesar. , Aurel. , Codd. Reg.,
Parisiu., Jun.)
20. Deus qui claro lumine. — (Codd. Parisüi., Jun.)
21. Sator princepsque temporum. — (Cod. Regln.)
Der Hymnenbestand der ältesten nicht-irischen Hymnare usw. Gl
e) Ad Completorium.
22. Christe qui lux es et dies. — (Caesar., Cod. .Tun.)
23. Christe precamur adnue. — (Caesar.)
B. Hymni proprii de Tempore.
a) In Nativitate Domini.
24. Intende qui regis Israel. — st. Amhrosii. — (Cod. Regln.)
b) In Epiphania Domini.
25. Illuminans altissimus. — st. Amhrosii. — (Cod. Eegln.)
c) In Quadragesima.
26. Dei fide qua vivimus. — Ad Tertiana. — (Codd. Parisin.,
Jun.)
27. Meridie orandum est. — Ad Sextam. — (Codd. Parisin.,
Jun.)
28. Sic ter quaternis trahitur. ~ Ad Nonam. — (Codd. Parisin.,
Jun.)
d) Die Paschae.
29. Hie est dies verus Dei. — st. Ambrosii. — (Caesar., Aiirel.,
Codd. Regln., ,Jun.)
30. lam surgit hora tertia. — Ad Tertiana. — st. Ambrosii. —
(Caesar., Aurel., Cod. Regln.)
31. lam sexta sensina volvitur. — Ad Sextana. — (Caesar,,
Aurel., Cod. Regln.)
32. Ter hora trina volvitur. — Ad Nonam. — (Caesar., Aurel.
Cod. Regln.)
33. Ad cenam agni providi. — (Codd. Parisin., Jun.)
34. Aurora lucis rutilat. — (Codd. Parisin., Jun.)
C. Hymnus de Communi ss. Martyrum.
35. Aeterna Christi munera. — st. Ambrosii. — (Cod. Jun.)
Nebenbei sei hier bemerkt, daß in dieser Liste sich acht
Hymnen des hl. Ämhrosius befinden (unter den Nr. 4, 8, 18,
24, 25, 29. 30, 35j, d. h. alle dem großen Mailänder siclier
zuzuschreibenden Hymnen, abgesehen von jenen sechs, die
er auf bestimmte Heilige dichtete. Hymnen auf bestimmte
Heilige kommen in den besprochenen Hymnaren ja nicht vor.
Da ist es auffallend, daß die als „dubii" unter den Hymnen
des hl. Ambrosius gewöhnlich aufgeführten Hymnen zur
Terz , Sext und Non (nämlich : „ Nunc sande nohis sjnritus'' ;
„Rector potens verax Bens'' und ^Rerum Bens tenax vigor'')
vollständig fehlen, obgleich nicht weniger als drei Gruppen
von Hymnen zu diesen Tagzeiten vorkommen (Nr. 15 — 17,
(32 III- Kapitel.
26 — 28, 30 — 32). Vermehrt das nicht wesentlich die Gründe, :
an deren Ursprung vom Id. Anihrosius zu zu-eifehi'} Umgekehrt ;
möclite man glauben, da Nr. 30 sicher von Ambrosius stammt, !
und wahrscheinlich auch für Sext und Non von ihm ein Hymnus
geschaffen wurde, daß Nr, 31 und 32 von Ambrosius herrühren.
Der Vollständigkeit halber sei beigefügt, daß die in
obigem Register unter Nr. 2 , 8 und 18 angeführten Hymnen i
sich auch im Psalterium et Collectaneum ms. S. Augustini j
Cantuariensis saec. 7J8. Cod. Londinen. Vesp. A I. auf fol. !
152 und 153 eingetragen finden; andere Hymnen enthält
dieser Codex nicht. — Ferner steht Nr. 2 in einem Collect. ;
ms. SangalJense saec. 8. Cod. Sangallen. 2. '
IV.
Die Sonntags- und Feriaihymnen und jene „deCommuni
Sanetorum" in den ältesten Quellen irischer Provenienz
und in den Hymnaren seit Beginn des 10. Jahrhunderts.
1. Bereits wurde erwähnt, daß alle anderen bislang be-
kannten Hyntnare, die nicht im vorhergehenden 3. Kapitel auf
ihren Hymnengehalt hin besprochen wurden, entweder irischer
Herkunft sind oder dem 10. und jüngeren Jahrhunderten an-
gehören. Bäimiers Angabe ist nämhch irrig oder wenigstens
irreführend , wenn er bei Aufzählung der ältesten Hymnare
sagt: „Als drittältesten der uns bekannten Codices rechnen
wir Cod. Sangallen. 20, Ende des 8. oder Anfang des
9. Jahrhunderts — ein Psalterium nebst Cantica Prophetarum
für die Landes wie jetzt; am Schlüsse Hymnen" '). Das Psal-
terium stammt allerdings aus der Zeit des Abtes Vuolfcoz
laut Versen auf pag. 327 dieses Codex:
„Psalterium hoc Domino semper sancire curavi,
Vuolfcoz sie supplex nomine qui vocitor" etc.
Es gehört also dem 9. Jahrhundert an. Aber die „Hymnen
am Schlüsse'' (nämlich auf pag. 361 sq.) sind Reste eines Hymnars,
das im Anfange des 10. Jahrhunderts nachgetragen wurde. —
Das Gleiche gilt von der anderen Bemerkung i^äwwers : „Der
Cod. 170 zu Douai, 9. Jahrhundert, enthält im zweiten Teile
ebenfalls die meisten der sonst gebräuchlichen Hymnen de
Dominica und der Feriae per annum nebst den Hymnen »Martyr
Bei cßii unicunu und »lesu salvator saeculi« ^)." Das Psal-
terium , aus Marchiennes stammend , ist freilich aus dem
9. Jahrhundert, aber das Hymnar auf fol. 69 — 72 ist im
^) Bäumer, Gesch. d. Breviers, S. 2-56, Anm. 4. — ^) ibidem.
(34 IV. Kapitel.
10. Jahrhundert geschrieben und hat verschiedene Nachträge
aus dem 11. und gar 12. Jahrhundert. — Die unrichtige Alters-
bestimmung der zwei wertvollen Trierer Hynmare (Codd. Tre-
viren. 592 und 1245, früher 1404 und 1418) durch il/owe und
Chevalier ist schon oben erwähnt; beide Hymnare gehören dem
10. Jahrhunderte an. — Auch der Cod. Vatican. Regin. 338, ein
wohl in England geschriebenes Psalterium mit Hymnar (auf
fol. 112 sqq.), stammt aus dem Ende des 10. Jahrhunderts, wenn
er nicht gar in den Anfang des 11. zu verweisen ist. Als ein
Cod. saec. ^"/n. ist er in den Anal. Hymn. XIV, p. 17 angeführt ;
im Baude L hingegen datiert ihn Dreves als saec. ^/lo. Ob nicht
EhrensJ) erger, der in seinen „Libri liturgici bibliothecae apostol.
Vaticanae" (Freiburg 1897) diese Handschrift beschreibt
(S. 564 ff.), Anlaß zu dieser irrigen Altersbestimmung war? Nach
einer neuen gründlichen Prüfung verweist Bannister das Hymnar
in den Übergang des 10. zum 11. Jahrhundert und fügt bei:
„La seconda parte del codice (ff. 63 — 123, pontificale, innario
etc.) 6 d' una mano tedesca, ma le aggiunte nei margini dei
fogli 88 e 108'' sono anglosassoni . e i neumi aggiunti sopra
le prime linee degT inni (ff. 112^, 113^) hauuo i segni carat-
teristici della notazione inglcse del sec. XP)."
Selbstredend soll nicht behauptet werden, daß der eine
oder andere versprengte Hymnus oder einzelne Hymnen und
Gedichte bestimmter alter Autoren sich in Sammelbänden oder
in handschriftlichen Werken eben dieser Dichter vorfinden,
die dem 7,, 8. oder 9. Jahrhundert angehören, ohne daß die
Provenienz derselben im mindesten nach Irland verweist. Es
handelt sich hier nur um Hymnare oder Bruchstücke von
Hymnaren oder um Serien von Hymnen, die als liturgisch ver-
wendet verbürgt sind.
2. Da ist es nun frappant und lehrreich zugleich, daß
das älteste irische Hymnar in tjhereinstinmmng mit aUen
Hymnaren, die nach Abschluß des 9. Jahrhunderts entstanden,
einen Hymnengehalt aufweist, der von dem soeben (auf Seite 60)
entworfenen Verzeichnis namentlich in den „Hymni communes
') Catalogo suimnario della Esposizione Gregoriana aperta nella
Biblioteca apostolica Vaticana. 2» Edizione rived e aumentata (Eoma
1904), p. .51. (Ist 13. Heft der „Studi e Testi" , Publicazioni della Bibl.
Vaticana).
Sonntags- und FerialhjTnnen in den Quellen irisclier Herkunft. (35
de tempore" durchaus und gleichmäßig verschieden ist. Das
wertvolle Hymnar ist enthalten im Codex 25. 2. 31 (olim
Blas. memb. 86) des Benedictinerstiftes St. Paul in Kärnthen.
Es ist um die Wende des 8. zum 9. Jahrhundert, wahr-
scheinlicher im Anfange des 9. Jahrhunderts, in irischer (Bäumer :
„in angelsächsischer") Schrift gefertigt und enthält auf Fol. 7 ff.
29 Hymnen, deren Anfänge nach der Reihenfolge in der Hs.
die nachstehenden sind :
a) 1. lam lucis orto sidere. („Hymnus ad Primam horam.")
2. Nunc sancte nobis spiritus. („Hymnus ad Tertiam.")
3. Rector potens verax Deus. („Hymnus ad Sextam")
4. Rerum Deus tenax vigor. („Hymnus ad Nonam.")
b) 5. Lucis Creator optime. („Hymnus dominico die ad Vesperos.^')
6. Immense caeli conditor. („Feria II.'')
7. Telluris ingens conditor. („Feria III.")
8. Caeli Deus sanctissime. („Feria IV.")
9. Magnae Deus potentiae. („Feria V.")
10. Plasmator hominis Deus. („Feria VI.")
11. Deus creator omnium. („Sabbato ad Vesperos.")
12. O lux beata trinitas. („Hymnus ad Vesperos die dominico (!) ')."
c) 13. Primo dierum omnium. („Hymnus dominicus ad Nocturnum.^')
14. Somno refectis artubus. („Feria II.")
15. Consors paterni luminis. („Fei'ia III.")
16. ßerum creator optime. („Feria IV.")
17. Nox atra rerum contegit. („Feria V.")
18. Tu trinitatis unitas. („Feria VI.")
19. Summae Deus clementiae. („Sabbatum."')
d) 20. Aeterne rerum conditor. („Hymnus dominico die ad JlfrtiMfmttm".)
21. Splendor paternae gloriae. („Feria IL")
22. Ales diei nuntius. („Feria III.")
23. Nox et tenebrae et nubila. („Feria IV.")
24. Lux ecce surgit aurea. („Feria V.")
25. Aeterna caeli gloria. („Feria VI.")
26. Aurora iam spargit polum. („Sabatto.")
e) 27. Christe qui lux es et dies. („Hymnus ad Completorium")
28. Te lucis ante terminum. („Item.")
f) 29. Ad cenam agni providi. („Hymnus ad Vesperum in Pascha.")
Das sind in tadelloser VoUständigl'eit und systematischer
Ordnung die Hymnen zu edlen kanonischen Tagzeiten des Sonn-
tags und der Wochentage, wobei die Vesper des Samstags
^) Hier ist dem Schreiber des Codex ein Versehen unterlaufen.
Dieser Hj^mnus ist durchweg ein Vesperhymnus des Samstags; stellen-
weise WTirde er wohl auch als Trinitätshymnus verwendet.
Blume, Cursus Benedict! und liturgische Hymnen. 5
(;(; IV. Kapitel.
und die Complet mit zwei Hyiiuieii zur Auswahl bezw, zum
Abwechseln im Sommer und Winter bedacht sind.
Für die Feste des Herrn hingegen ist kein Hymnus
angegeben, außer am Schluß der einzige für die Vesper des
Osterfestes; ferner fehlen vollständig alle Hymnen de Commuui
Sanctorum. Dieser Umstand allein schon ließ mich vermuten,
daß das Hymnar unvoUständig sei. Eine erfreuliche Bestätigung
bot der Cod. Augien. CXCV zu Karlsruhe^), ein aus
Reichenau dorthin verbrachter Sammelband, in dem auf fol. 45
und 40, die ein von den anderen Folia ahveichendes Format
haben, im Anfange des 9. Jahrhunderts neun Hymnen in
irischer Kursivschrift eingetragen sind. Gleich beim ersten
Hymnus lautet die Überschrift: „Item ad Matutinos" ; dem
muß notwendig ein anderer Hymnus vorausgegangen sein, zu-
gleich mit der Angabe, für welches Fest er zu verwenden sei.
In der ganzen folgenden Hymnenreihe ist nämlich stets genau
die liturgische Bestimmung jedes Hymnus angemerkt. Folglicli
ist dieses Karlsruher Hymnar im Anfange unvollständig, wie
jenes zu St. Paul am Schluß. Der erwähnte erste Hymnus
ist aber anderweitig als ein Osterhynmus bekannt. Der letzte
1) Eine Beschreibung dieses Cod. Carolsruhan. Äug. CXCV wie
auch des Cod. Faidan . 25. 2. 31 (olim Blas. memb. 86) brachten Wh.
Stokes und J. Strachan im „Thesaurus Palaeohibernicus" IT. (Cambridge
1903), p. IX u. p. XXXII sq., woselbst an letzterer Stelle betreffs des
Cod. Paulanus auf E. WindiscJt, Irische Texte (I, 812 sqq.) und Zimmer,
GMossae Hibernicae (p. 267 sqq.), verwiesen wird. Zimmer setzt die
St. Panier Hs. ins 9. Jahrhundert, während in den Anal. Hymn. L
sie als saec. ^/g bezeichnet ist. — Über die latein. Hymnen im KarU-
ruher Codex berichten Stokes und Strachan nichts Näheres. Dieses
hatte schon früher Windisch in der Sammlung „Irische Texte" IL I.
(Leipzig 1884), S. 144 ff. besorgt; das Hymnenverzeichnis, welches er
bringt, ist genau dasselbe (mit einigen Lesefehlern und ohne Angabe,
wofür die Hymnen liturgisch bestimmt sind), wie es Mcne im „An-
zeiger für Kunde der teutschen Vorzeit", IV (Karlsruhe 1835), Sp. 381
vorgelegt hatte. Die sorgfältigsten und genauesten Angaben, auch über
die latein. Hymnen dieses Codex, bietet Alfr. Hohler in seinem muster-
gültigen Werke „Die Reichenauer Handschriften. I. Die Pergament-
handschriften" (Leipzig 1906), S. 441 ff. Daß die Hymnen dieses Codex
die Fortsetzung der Hjannen im Cod. Paulanus sind, hat meines Wissens
bisher niemand beobachtet. Beide Hss. sind, soweit die Hymnen in
Betracht kommen, natürlich gleichen Alters, das heißt saec. 9. in.
Sonntags- und Ferialhymnen in den Quellen irischer Herkunft. (J7
Hymnus im Hymnar zu St. Paul hat die Überschrift: „Hymnus
ad Vesperuvi in Pascha" ; hier im Hymnar zu Karlsruhe haben
wir die offenbare Fortsetzung: „Item ad Matutinos" nämlich
„in Pascha". Es schließen sich an, wiederum in systematischer
Ordnung, die im St. Pauler Hymnar fehlenden Hymnen „de
Communi martyrum" ; kein Hymnus findet sich hier, der dort
schon vorhanden wäre. Beim folgenden Hymnenverzeichnis
aus der Karlsruher Hs. führe ich deshalb die Numerierung
der Hymnen aus der St. Pauler Hs. weiter, um so die
Zusammengehörigkeit beider Bruchstücke des Hymnars
deutlicher hervortreten zu lassen :
30. Aurora lucis rutilat. („Item ad Matutinos" , sc. in Pascha.)
g) 31. MartyrDeiquiunicum.(„Innataleuniusmartyris ad Nocturnes.")
32. Eex gloriose martyi'um. („In natale sanctorum sive niart3Tum.")
33. Aeterna Christi mtinera („Item") cfr. „Item" bei Nr. 28.
34. Sanctorum meritis inclita gavidia. („Hymnus de martyribus".)
35. lesu Corona virginum. („Hymnus in natale virginum.")
36. Virginis proles opifexque matris. („Item ad Matutinum sive
Vesp.")
37. Summe confessorsacer et sacerdos. („H3^mnusdeconfessoribus."^
38. lam surgit hora tertia. („Hymnus in Tertiam.")
Als disparates Stück, weil kein Hymnus, sondern Pieim-
gebet, ist unter dem Titel „De lamentatione cuiusdam" noch
die abecedarische Dichtung des Bischofs Paulinus von Aqui-
leja „Äd caeli clara non sum dignus sidera"' (Anal. Hymn. L?
S. 148) angehängt; ein Zeichen, daß der Schreiber des Hymnars
am Schlüsse den noch übrigen Raum für persönliche Lieb-
habereien ausnützte. Schon der letzte Hymnus in Tertiam
unter Kr, 38 erscheint als ein Parergon. Wann soll er in
der Liturgie benutzt werden V Da die Terz und überhaupt die
kleinen Hören schon durch Nr. 1 — 4 mit Hymnen bedacht
sind, wohl während der Osterzeit, wie es in der auf Seite 61
vorgelegten Liste der Fall war? Dann hätte mau auch jene
dort für Sext und Non angeordneten hier erwarten sollen, oder
richtiger, da dieselben den Hymnaren irischer Provenienz und
allen Hymnaren seit Schluß des 9. Jahrhunderts fremd sind,
andere entsprechende Hymnen. Man könnte abermals Un-
vollständigkeit dieses Hymnars am Schlüsse vermuten, wie die-
selbe sich am Anfange herausgestellt hat, wäre nicht die
Dichtung des Paulinus angefügt. Jetzt aber scheint es,
(3g IV. Kapitel.
(l;iß (1er Schreiber nach Abschluß des eigentlichen liturgischen
Hymnars noch zwei Dichtungen eines bestimmten Autors
beifügte: einen Hymnus zur Terz vom hl. Ambrosius, der
in seiner, des Schreibers, Kirche nicht liturgisch verwendet
wurde, und eine überhaupt nicht liturgische Dichtung des
hl. Faulinus.
Schließlich kommt in Betracht ein Sammelband mit Ein-
tragungen irischer Provenienz, gleichfalls aus dem 9. .Jahr-
hundert, der auf der Kapitelsbibliothek zu Köln als Cod. 10(3
aufbewahrt wird (früher Cod. 210(3 in Darmstadt) ^). Außer
einigen Dichtungen Bedas und zwei der irischen Kirche spezi-
fisch eigentümlichen Hymnen sind daselbst auf fol. 44 und 46
folgende Hymnen eingetragen:
lam lucis orto sidere.
Nunc sancte nobis spiritus.
Rector potens verax Deus.
Eeram Deus tenax vigor.
Lucis Creator optime.
O lux beata trinitas.
» Cliriste qui lux es et dies.
Te li;cis ante terminum.
Das sind die Nr. 1, 2, 3, 4, 5, 12, 37 und 38 des irischen
Hyranars zu St. Paul; fast könnte man sagen, aus letzterem
Hymnar seien obige Hymnen ein dürftiges Excerpt unter
Beibehaltung der Reihenfolge in den Nummern.
3. Hiermit ist das hymnologische Material irischer Prove-
nienz erschöpft. Eine kombinierte Hymnenliste, wie wir sie
aus den nicht irischen Quellen (auf Seite 60 f.) anfertigten, ist
hier bei den irischen nicht erfordert. Das Hymnar von St. Paul
mit seiner Fortsetzung im Karlsruher Cod. Aug. CXCV
bietet uns dieselbe in dankenswerter Vollständigkeit und
systematischer Ordnung (vgl. Seite 65 und 67). Und nun die
interessante und hochwichtige Erscheinung: In allen anderen
späteren Hymnaren vom Anfange des 10. Jahrhunderts an, wenn
anders sie vollständig sind, begegnen wir immer und immer
wieder ganz ausnahmslos demHymnenbestande des St. Pauler
Hymnars nebst seinem Supplement in Karlsruhe, allerdings
1) Vgl. Jaffe-Wattenbach, Eccl. Metropol. Coloniensis Codices mss.
(Berolini 1874), p. 43 sq.
Sonntags- und Ferialhymnen in den Quellen ii-ischer Herkunft. 69
mit mehr oder minder großer Bereicherung an Hymnen auf
die Feste des Herrn und der Heiligen, welche alsdann in den
verschiedenen Kirchen und Klöstern auf das verschiedenste
abwechseln und so den großen Thesaurus hymnorum bilden.
Eines bleibt von da an immer fest und gleich: Das
Inventar der Hymni communes de Tempore und der
Hymni de Communi Sanctorum, namentlich ersteres,
das unser Hauptinteresse beansprucht. Der ganze Unterschied
ist, daß die Anordnung derselben allmählich eine andere wird.
Im Hijmnar von St. Maximin zu Trier (Cod. Treviren. 592),
das aus dem 10. Jahrhundert stammt, ist für die Sonntags-
nnd Ferialhymnen noch die gleiche Reihenfolge wie im St. Pauler
Hymnar, nämlich:
a) lam lucis orto sidere.
Nunc sancte nobis spiritus.
Eector potens verax Deus.
ßerum Deus tenax vigor.
b) Lucis Creator optime.
Immense caeli conditor.
Telluris ingens conditor.
Caeli Devis sanctissime.
Magnae Deus potentiae.
Plasmator hominis Deus.
. . . (Hier eine Lücke).
c) . . . (Nochmals eine Lücke, so
daß 5 NocturnhATnnen fehlen).
Tu trinitatis unitas.
Summae Deus clementiae.
d) Aeterne rerum conditor.
Splendor paternae gloriae.
Ales diei nuntius.
Nox et tenebrae et nubila.
Lux ecce surgit aurea.
Aeterna caeli gloria.
Aurora iam spargit polum.
Es folgen darauf Hymnen für Advent, Weihnachten, Fasten-
zeit usw., deren Verzeichnis, da sie einen Aufschluß über den
Hymnenbestand des 10. Jahrhunderts bieten, in manch ier Hin-
sicht sehr interessant wäre ; aber es liegt außerhalb des Rahmens
dieser Arbeit und bleibt vorbehalten für das Vorwort des
nächsten (LI.) Bandes der Analecta Hymnica. — Hier also, ivie im
St. Pauler Hymnar, schließen sich an die den Reigen eröifnenden
Hymnen zu den kleinen Hören jene zur Vesper, zur Nocturn
und zu den Landes; diejenigen zur Complet sind, wohl nur
zufällig, am Ende ausgefallen.
Etwas anders ist schon die Anordnung im Hymnar von
St. Martin zu Trier (Cod. Treviren. 1245), ebenfalls dem
10. Jahrhundert angehörend. Auf Seite 147—160 sind dort
die Hymnen für die Feste des Herrn und der Heiligen an-
geführt; daran schließen sich bis auf Seite 166 die Hymnen
70 IV. Kapitel.
„de Communi Sanctorum" , die gleichen, wie im Kaiisriiher
Codex, aber um drei vermehrt-, den Abschluß bilden (auf S. 1()7 ff.)
nach zwei Kirchweihhymnen die Hymni communes de tem-
l)ore, welche nicht im vollen Texte mitgeteilt werden, sondern
im Wortlaut des ersten Verses jeder Strophe. Die Anordnung
der letzteren ist folgende: Zuerst alle Hymnen für den Sonntag,
angefangen von der Nocturn bis zur Vesper, nämlich:
Primo dierum omnium. (Hymnus dominicis diebus ad Noctvirnas.)
Aeterne rerum conditor. (Ad Matutinos.)
lam lucis orto sidere. (Ad Priraam.)
Nvinc sancte nobis spiritus. (Ad Tertiam.)
Rector potens verax Deus. (Ad Sextam.)
Lucis Creator optime. (Dominico ad Vesperum.)
Darauf die Hymnen für die Nocturn, vom Montag an bis
zum Samstag; nach diesen in gleicher Ordnung jene zu den
Landes und schließlich zur Vesper. Es sind alle ganz die
gleichen wie im St. Pauler Hymnar, nur ist zu bemerken,
daß nicht zwei Vesperhymnen für den Samstag notiert sind,
sondern bloß der eine des hl. Ambrosius: ,,Deus creator omniiini^\
jener Vesperhymnus, der allmählich von seinem Doppelgänger
„ 0 lux heata trinitas'"'' verdrängt wurde.
Auch das dem 10. Jahrhundert entstammende Hymnar
von Rheinan {Cod. Turicensis Ehenov. 111) hat noch alle zur
Nocturn, zu den Landes und zur Vesper gehörigen Hymnen
zu je einer Gruppe vereinigt, so daß alle Nocturnhymnen in
der Reihenfolge der Wochentage sich aneinander reihen, und
ebenso die Landes- und die Vesperhymnen. Jac. Werner ^)
also, nebenbei bemerkt, ist im Irrtum, wenn er diese Hymnen-
anordnung im Cod. Turicen. Rhenov. 111 als etwas Eigen-
artiges, „wie sie sonst nirgends sich ündet" , bezeichnet; sie
ist im Gegenteile das Ursprünglichste, durch die ältesten
Hymnare Bezeugte und für die Hynmologie das Entsprechendste.
Denn die Nocturnhymnen wie auch jene zu der Vesper und
die älteren Laudeshymnen bilden eine einheitliche Serie, deren
jede von einem Dichter stammt, worauf wir weiter unten noch
näher eingehen werden. Erst später, wenngleich schon im
10. Jahrhundert fast allgemein , wurden diese Serien aus
') Werner, Die ältesten Hvmnensanamlungen von Rheinau
(Leipzig 1891), p. V.
Sonntags- und Ferialhymnen in den Quellen irischer Herkunft. 71
liturgischen Rücksichten auseinander gerissen, und die Hymnen
einzig nach den Wochentagen gegliedert, gerade so, wie wir
im Hymnar von St. Martin zu Trier sie schon für den Sonn-
tag geordnet sahen. Es folgen somit in den Hymnaren seit
dem 10. Jahrhundert der Sonntag, Montag, Dienstag usw., und
bei jedem dieser Tage der entsprechende Hymnus zur Nocturn,
zu den Landes, zur Vesper, wobei die Hymnen zur Prim,
Terz , Sext und Nou entweder hinter den Landes des Sonn-
tags eingeschoben oder , was die Regel , getrennt von den
Wochentagen aufgeführt werden. — Interessant ist, daß im
Cod. Londinen. Add. 30 848, einem spanischen Breviere aus
dem Ende des 11. oder Anfang des 12. Jahrhunderts, noch
alle Hymnen der Vesper siisammengesteWt erscheinen.
Diese den Litnrgiler in etwa interessierende Tatsache,
welche für die Hymnen selbst etwas rein Äußerliches und
Nebensächliches ist, wollte ich nur nebenbei konstatieren.
Im übrigen ist der Hymnenbestand, wie ihn das alte
Hymnar von St. Paul schon seit Beginn des 9. Jahrhunderts
aufweist, durch alle Hymnare und Breviere hindurch stets
der gleiche geblieben, und er lebt noch fort in unserem
jetzigen Brevier, wenngleich leider der Text dieser Hymnen
durch die „Correctoren" des 17. Jahrhunderts manche Änderung
erfuhr, zum Glück jedoch weit weniger, als der Text der alten
Hymnen für die Feste des Herrn und seiner Heiligen.
Die ältere und die jüngere liturgische Hymnenliste des
9. Jahrhunderts und ihre Beziehung zum Cursus des
hl. Benedikt und zur mozarabisehen Hymnodie.
1. Zwei grmi(lverschiedene Hymneulisten seilen wir somit
im 9. Jalirliimclert nebeneinander bestehen, deren gemeinsamer
Berührungspunkt nur die Hymnen des Id. Ämhrosius sind.
Diese waren altererbtes Stammgut vom Vater des Kircheu-
gesanges, an dem beide Richtungen pietätvoll festhielten, hn
übrigen finden wir hüben und drüben nur zwei Hymnen für
das Osterfest, nämlich : „Ad cenam agni providi" und „Aurora
lucis rtitiJaf' , auf gleiche Weise in liturgischem Gebrauche,
von denen ich weniger wahrscheinlich halte, daß die eine Partei
sie bei der anderen zu Leihe genommen, als vielmehr, daß
beide sie aus gemeinsamer sehr alter Quelle geschöpft haben.
Alles andere verrät bis zur Schwelle des 10. Jahrhunderts
vollständige Gütertrennung. Recht drastisch tritt dieses zu-
tage; wenn wir zunächst die Hijmni communes de tempore zwecks
leichteren Überblickes nebeneinanderstellen. Die Hymnen-'
gruppe der nicht irischen Quellen mag durch A, jene der
irischen durch B bezeichnet werden,
A. I. B. I.
Hymni ad parvas horas. Hymni ad parvas lioras.
Postmatutinislaudibus. (AdPrim.) lam lucis orto sidere. (Ad Prim.)
Certumtenentesordinem. (Ad Ter.) Nunc sancte nobis spiritus. (Ad Ter.)
Dicamus laudes Domino. (Ad Sext.) Rector potens veraxDeus. (Ad Sext.)
Perf actum trinum numerum. (Ad Non.) Eerum Deus tenax vigor. (Ad Non.)
A. II. B. II.
Hymni ad Kodurnas horas. Hymni ad Nocturnas horas.
Mediae noctis tempus est. Primo dierum omnium. (Dom.)
Die ältere u. die jüngere liturg. Hj-mnenliste des 9. Jahrhimderts. 73
Eex aeterne Domine.
Magna et niirabilia.
Aeterne rerum conditor.
Tempus noctis surgentibus.
A. III.
H}jmni ad Matntinas Landes.
Dens qui caeli lumen es. (Dom.)
Splendor ijateruae gloriae. (Fer.II.)
Aeterne lucis conditor. (Fer. III.)
Fulgentis auctor aetheris. (Fer. IV.)
Deus aeterni luminis. (Fer. V.)
Christe caeli Domine. (Fer. VI.)
Diei luce reddita. (Fer. VII.)
A. IV.
Ad V€S2)eras.
Deus Creator omnium.
Deus qui certis legibus.
Deus qui claro lumine.
Sator princepsque temporum
A. V.
Ad Completornnn.
Christe qui lux es et dies.
Christe precamur adnue.
Somno ref ectibus artubus. (Fer. IL)
Consors paterni luminis. (Fer. III.)
Eerum creator optime. (Fer. IV.)
Nox atra rerum contegit. (Fer. V.)
Tu trinitatis unitas. (Fer. VI.)
SummaeDeus clementiae.(Fer. VII.)
B. III.
Hyrmii ad MaUdinas Landes.
Aeterne rerum conditor. (Dom.)
Splendor paternae gloriae. (Fer.II.)
Ales diei nuntius. (Fer. III.)
Nox et tenebrae et nubila. (Fer. IV.)
Lux ecce surgit aurea. (Fer. V.)
Aeterna caeli gloria. (Fer. VI.)
Aurora iam spargitpolum. (Fer.VII.)
B. IV.
Ad Vesj)eras.
Lucis Creator optime. (Dom.)
Immense caeli conditor. (Fer. IL)
Telluris ingens conditor. (Fer. III.)
Caeli Deus sanctissime. (Fer. IV.)
Magnae Deus potentiae. (Fer. V.)
Plasmator hominis Deus. (Fer. VI.)
Deus creator omnivim. (Fer. VII.)
0 lux beata trinitas. (Fer. VII.
B. V.
Ad Completorium.
Christe qui lux es et dies.
Te lucis ante terminum.
Die Hymnen „de Communi Sanctorura" erbeischen keine
Gegenüberstellung; denn so roUstcmdig sie in der Gruppe B
sich vorfinden (vgl, S. 67), so gänzlich fehlen sie in der Gruppe A
bis auf den einen Hymnus des hl. Ambrosius: ,, Aeterna Christi
immer a''. Umgekehrt fehlen in der Gruppe B die von Caesarius
und Aurelian für die Osterzeit angeordneten Hymnen der
sog. kleinen Hören , aber wiederum bis auf einen sicher vom
hl. Ambrosius stammenden Hymnus: „Iam surgit hora tertia",
der überdies wohl zufällig hineingeraten ist (vgl. S. 67 f.).
2. Ist es nun Zufall, daß die Hymnengruppe A und
B außer den Ambrosius-Hymnen und außer dem einzigen,
noch zu besprechenden Hymnus zur Complet (Caesarius be-
zeichnet ihn als Hymnus „ad duodecimam"), nämlich „Christe
n_^ V. Kapitel.
qui lux CS et dies'', w?c/?^s miteinander gemeinsam haben V Mit
anderen Worten : Kann man annehmen, daß aus einem fjeinem-
samen größeren Hymnenschatze für verschiedene Hymnare eine
Reihe Hymnen zwecks liturgischer Verwendung derart aus-
gehoben wurden, daß zwei laut Provenienz zu unterscheidende
Gruppen entstehen, deren eine rein zufällig mit der anderen
Tccine gemeinsamen Merkmale bis auf das eine angedeutete
aufweist? Gewiß nicht. Beide Gruppen haben einen örtlich
und zeitlich verschiedenen Ursprung, haben eine gesonderte Ge-
schiclite, bis sie im Laufe der Zeit sich treffen und dann nicht
friedlich miteinander sich vereinen, sondern gleichsam einen
„Kampf ums Dasein" aufnehmen, in dem die Gruppe A unter-
liegt und bis auf einige wenige Trümmer, die nicht gar lange
und nur an wenigen Orten sich erhalten, plötzlich ganz aus
der Geschichte verschwindet.
Dieser letztere Umstand, der etwas näheres Eingehen er-
heischt, ist ein neuer Beweis für den gesonderten Ursprung
und das gesonderte Lehen beider Hymnengruppen. Brei Hymnen
aus der Gruppe A können gleich aus der Diskussion aus-
scheiden, nämlich die Hymnen zur Terz, Sext und Non in
([^Y Fastenzeit: ,,Dei ßde qua vivimus", .Meridie orandum est''
und ,,Sic ter quaternis trahitur'' ; sie sind bereits in der
Liste auf Seite 73 übergangen. Die Gruppe B kennt
dieselben nicht, aber ebensowenig Caesarius oder Aurelian
oder das älteste Hymnar des Vatikans ; auch glaube ich kaum,
daß vor dem 8. Jahrhundert schon für die Fastenzeit eigene
Hymnen zu den kleinen Hören gedichtet wurden i). Jeden-
1) Eine in mancher Hinsicht höchst interessante Stelle aus den
.,Consuetuclines Cluniacenses'' , welche um das Jahr 1086 der Prior
TJdalrich von Zell (jetzt St. Ulrich) im Schwarzwalde, seit 1063 Mönch
in Chmy, auf Wunsch des Ablcs Wilhelm von Hirschau aufzeichnete,
möge betreffs der Hymnen in der Fastenzeit hier hervorgehoben werden:
„In secunda feria Quadragesimae inchoantur hymni de ieiunio ad
Matutinas Landes et Tertiam et sequentes horas. Soli Nocttirm nescio
quid hie commiserint, qui, cum in Adventu Domini et toties in sollem-
nitatibus specialem hymnum habeant, in Quadragesima amiserunt, in
qua etiam tarn parva hora, sicut est Tertia, non caret hymno alio
quam consueto, id est „Ternis ter lioris mwienis" (das ist jedoch ein
Hymnus zur Non). Etsi hoc apud nos est, tamen non est ita
apud monachos et Italiae et ipsius sedis apostolicae et ecclesiae Bomanae,
Die ältere u. die jüngere liturg. Hymnenliste des 9. .Tahrhimderts. 75
falls kommen sie für die Zeit des hl. Benedikt nicht in Be-
tracht. — Von allen anderen Hymnen der Gruppe A — selbst-
verständlich wieder abgesehen von den Hymnen des hl. Am-
brosius — hatte nur der eine herrliche Complethymnus „ CJin'ste
qiii lux es et dies'' den Erfolg, sich vielerorts, man kann fast
sagen allgemein, viele Jahrhunderte hindurch in dem Breviere,
selbst in dem gedruckten, neben seinem noch lebenden Doppel-
gänger aus der Gruppe B („Te lucis ante termmum" ) zu er-
halten; sogar im 18. Jahrhundert kennen ihn noch manche
französische Breviere. Er ist auch der einzige Hymnus , der
in hetden Gruppen sich vorfindet, ohne vom hl. Arabrosius
herzurühren. — Ebenfalls bis ins 16. Jahrhundert erhielt sich
der Hymnus „Perfectmn trimmt numerum"' , nachdem er im
10. Jahrhundert mit der Änderung „Perfecta trino nuniero"
und mit der Bestimmung für die Non der Fastenzeit in ver-
schiedene italienische, französische, deutsche und englische
Hymnare bezw. Breviere Aufnahme gefunden hatte ; aber seine
Verbreitung war eine ungleich geringere, als jene des eben
genannten Complethymnus. — Schon ganz anders war das
Schicksal des von Caesarius angeordneten Nocturnhymnus
„Rex aeterne Donn'fie" ; nur als arg verkleinerter Torso fand
er im 10. Jahrhundert Unterkunft in mehreren Hymnaren
und wurde als solcher für das Osterfest verwendet, obgleich
sein Inhalt mit diesem Feste nichts zu tun hat. In der Um-
dichtung „Rex sempiterne caeUtum"' lebt er im jetzigen Breviere
fort als Sonntagshymnus für die österliche Zeit. — Der andere
Nocturnhymnus der Gruppe A, nämlich „Mediae noctis teiiipus
est'' , der als der einzige aus dieser Gruppe auffallenderweise
schon im Hymnar von Bangor auftaucht, ist nachweislich noch
im 10. und 11. Jahrhundert in zwei italienischen Hymnaren von
San Severino zu Neapel und von Farfa zu finden; anderswo
und vom 11. Jahrhundert an überall ist seine Spur verschwunden. —
Ganz das gleiche Schicksal teilt der Primhymnus „Postmatutinis
laudihus". — Schließlich können wir dem Hymnus zur Non:
„Ter hora trina volvitur" noch in zwei Ambrosianischen Hym-
apud quos nimirum, quod ea vice liabent aliae horae, babent etiam
Nocturni." (d' Acbery, Spicilegium I, ed. 2% p. 644; Migne, PP. lat.
149, 697.) — Nebenbei bemerkt bezeugt obige Stelle doch wohl deutlich;
daß die rönmche Kirche im 11. Jahrhundert Hymnen hatte.
y(3 V. Kapitel.
iiareu des 10. Jahrhunderts und in einem Hymnar des 11. Jahr-
hunderts von St. Giacomo di Pontida begegnen ; sonst nirgend-
wo und nirgendwann noch eine Spur. — Alle anderen Hymnen
der Gruppe A schiv/nden mit dem Schlüsse des 9. Jahrlmnderts
üherall wie mit einem Schlage.
Gerade umgekehrt ist es mit den Hymnen der Gruppe B.
Kein einsiger derselben ist im Laufe der Jahrhunderte ver-
sclmimden; alle wanderten in die Hymnare bzw. Breviere des
10. und der folgenden Jahrhunderte. Kaum eine hymnologische
Handschrift seit jener Zeit können wir öiTnen, ohne ausnahms-
los dieser vollständigen Liste wieder zu begegnen. Selbst in
unserem jetzigen römischen Breviere leben alle fort, allerdings
in leider mehrfach entstellter Gestalt. Das alles zeigt, daß
die Gruppe B ein selbständiger, gesonderter Stamm mit be-
sonderer ^Vurzel und eigenartiger Lebenskraft ist, dem gewisse
günstige äußere Verhältnisse im Gegensatze zum Stamme A
eine uugeschwächte Fortdauer verliehen.
3. Welche Gruppe ist nun die ältere? Zweifelsohne
die Gruppe A. Schon die Quellen ihrer Hymnen legen diese
Ansicht nahe. Sie sind zahlreicher, verschiedenartiger und
durchweg älter als die Quellen für die Gruppe B, welche
letztere im wesentlichen nur aus einer Quelle und jedenfalls
nur aus Quellen irischer Provenienz geschöpft werden
kann. — Ferner, keinen einzigen Hymnus aus der Gruppe B
kennt oder nennt Caesarius noch auch Aurelian von Arles,
ausgenommen ein paar Hymnen des hl. Amhrosius^). Um-
gekehrt, nicht weniger als 15 von den 22 in Frage kommenden
'j Es ist selbstredend, daß drei der Laudes - Hj-mnen in der
Gruppe B, nämlich „Ales cliei nuntiiis^^ „Nox et tenebrae et nubila'\
und „Lux ecce surgit aurea" von Pmdentius und somit aus dem
4. Jahrhundert stammen. Aber sie sind nur Bruchstücke oder Centos,
die vachträglich für liturgische Zwecke aus den Cathemerinon des
Prudentius herausgehoben wurden. Als liturgische Hymnen in dieser
Form lassen sie sich in Iceiner älteren Quelle, als in dem Hymnar zu
St. Paul nachweisen (cfr. Anal. Hymn. L , p. 28 sq.) imd auch durch
keinen älteren Schriftsteller bezeugen; selbst die Moznrabische
Liturgie, welche nicht weniger als 37 Hymnen aus den Dichtungen
des Prudentius herausnahm (cfr. Anal. Hymn. XXVII, p. 37 sqq.)
kennt diese Hymnen nicht, die also in dieser Fassung auf jenem Boden
und zu jener Zeit entstanden, denen die H\Tnnengruppe B entstammt.
Die ältere u. die jüngere liturg. HjTnnenliste des 9. Jahrhunderts. 77
Hymnen der Grnppe A werden von den beiden Arelatensern
angeführt. — Dazu kommt , daß in der Gruppe B für jeden
Tag der Woche je ein Hymnus nicht nur für die Laucles, sondern
auch für die Nochirn und Vesper vorgesehen ist; das weist
hin auf eine Zeit, in der die Gebetsstunden sclion voJJJcommener
entwicJcelt waren. In der Gruppe A hingegen sind nur die
Landes so mit Hymnen ausgestattet, daß auf jeden Wochentag
je ein anderer Hymnus fällt; dadurch werden wir mehr in
die Zeit der ersten Entwicklung zurückgewiesen. Es ist ja
bekannt, daß gerade die „Mahdmae Landes" , das offizielle
INIorgen gebet, neben der Vesper die älteste und ursprünglichste
Gebetsstunde waren. — In gleichem Sinne findet unsere These
Bestätigung durch den Umstand, daß in der Gruppe B ein
vollständiges Verzeichnis der Hymnen für das „Commune Sanc-
tonmi" vorliegt, während es in A fehlt. P. Ansehn Mauser'^)
macht darauf aufmerksam , daß sich gegen Ende des 8. Jahr-
hunderts, namentlich in der Basilica St. Peter zu Rom, ein
reiches Sanctorale entwickelte und, da viele gleichartige Heilige
gefeiert wurden, sich auch ein „Commune Sanctorum" bildete.
Vor dieser Zeit liegt demnach sichtlich der Ursprung der
Gruppe A, welcher die Hymnen de Communi SS. fremd sind,
nach derselben jener der Gruppe B mit eben diesen Hymnen,
unter denen überdies einer sich befindet, welcher erst im
9. Jahrhundert von Rhabanus gedichtet wurde. — Ganz be-
sonders fällt schließlich ins Gewicht der verschiedene Charakter
der Vesiierhymnen in beiden Gruppen. Bis zu den Zeiten
Benedikts war die Vesper „als ^&mf7andacht, als Gebet für
die Nacht, ja als erster Teil des iVacÄiofficiums betrachtet
worden und trug vielfach den Namen „prima Vigilia^)".
Fortan sollte daraus ein Ta^resofficium werden, das geraume
Zeit vor dem Einbrechen der Dunkelheit und wenigstens
eine Stunde vor Sonnenuntergang mit aller Feierlichkeit unter
Assistenz des Volkes zu halten sei". Und nun lese man die
Fesperhymnen in der Gruppe A (Nr. 18 — 20 des Anhanges und
Nr. 7 in Anal. Hymn. L). Alle diese Hymnen sind iVac//^gebete ;
in allen ist die Bede von der „nox horrida", der „noctis cah'go'',
1) Buchherger, Kirchl. Handlexikon, I (1905), Sp. 735 ff. unter
„Brevier".
2) Bäuiner, Gesch. d. Breviers, S. 175.
78 ^ • Kapitel.
vom „somnus'\ von den „fessa curis corpora"; sie alle sind gerichtet
an Gott den Schöpfer, „der die Nacht vom Tage trennt" ; in
allen kehrt wieder in verschiedenen Variationen die Bitte des
hl. Ambrosius, welche die 5. Strophe seines Vesperhymnus
ausspricht:
„üt, cum profunda clauserit
Diem caligo noctium,
Fides tenebras nesciat
Et 1WX fide reluceat."
Das sind Hymnen, die aus einer Zeit stammen, in der
die Vesper ein Na cht officium war. — Daneben halte man
den Zyklus der Vesperhymnen in der Gruppe B (der nächste
LI. Band der Anal. Hymu. wird sie in neuer Auflage aus
den ältesten Quellen bringen). Sie besingen, aus der Feder
eines Dichters fließend, das Sechstagewerk des Schöpfers und
fügen jedesmal eine allgemein gehaltene Bitte bei, die wohl
mehr oder minder Bezug nimmt auf das betreffende Schöpfungs-
werk, aber niemals auf die Nacht und die Nachtruhe. Es sind
Hymnen aus jener Zeit, in der die Vesper ein Tagesofficium
geworden war, also aus der Zeit nach dem hl, Benedikt,
welcher der Vesper dieses neue Gepräge gegeben hat ^).
4, Nach all dem steht wohl fest, daß die Hymnengruppe
A die ältere, und zwar, wenn auch vielleicht nicht voll-
ständig, so doch größtenteils schon vor oder zu Benedikts
Zeiten bestehende ist. Der zweite Teil dieser These be-
darf noch in etwa des Nachw^eises ^). — Betreffs der Vesper-
hymnen ist soeben der Bew^eis erbracht; überdies ist einer
') Da dieser Zj'klus, wie überhaupt die ganze Hyninengruppe B,
nach der Provenienz ihrer ältesten Quellen zu schließen, auf das
Inselreich Britannien als Urstätte hinzviweisen scheint, Gregor der Große
aber für die dortige Kirche und ihre liturgischen Einrichtungen eine
besondere Vorliebe bekundete, so könnte man fast versucht sein, in
ihm jenen Mann zu suchen, der die VespcrJtymnen zunächst für die
Kirchen jenes Landes dichtete, stände dem nicht entgegen, daß Gregor
bis jetzt durch nichts als Hymnendichter erwiesen ist. (Vgl. Dreves:
„Haben wir Gregor den Gr. als Hymnendichter anzusehen?" in
„Tübinger Qtlsch. III. Heft 1907, S. 548 ff., besonders S. 555.)
-) Zu den einzelnen Hymnenanfängen sei auf die Tabelle (S. 60 f.)
verwiesen.
Die ältere u. die jüngere liturg. Hymnenliste des 9. Jahrhunderts. 79
derselben, „Dms creator ommwn", sicher vom hl. Ambrosius,
und ein zweiter, „Dens qui certi^ leg Ums" , wird schon von
Caesarius und Aurelian zitiert. — Die Nocturnhymuen . fünf
an der Zahl, enthalten wiederum einen Hymnus des hl. Am-
brosius, nämlich: ,,Aete7-ne rerum condüor'' -^ drei weitere,
„Mediae noctis tempus est", „Eex aeterne Domine" und ,, Magna
et mirahüia'' erhalten das Zeugnis für ihr Alter durch Caesarius
und Aurelian; nur der fünfte Hymnus „Tempus noctis surgen-
tihus'' kaun direkt sein Alter bloß durch zwei Hymnare des
angehenden 9. Jahrhunderts legitimieren. — Der Hymneu-
zyklus zu den Landes weist an zweiter Stelle, für den Montag,
einen Hymnus des hl. Ambrosius auf: „Spjlrndor paternae
gloriae''. Im übrigen sind nur der Dienstags- und Mittwochs-
hymnus, nämlich „Aeterne Jucis conditor'' und ,,Fidgentis auctor
aetheHs" durch Aurelian bzw. durch Caesarius und Aurelian
als Dichtungen sehr hohen Alters verbürgt. Aber die Bürg-
schaft für diese zwei Hymnen genügt, um den ganzen Zyklus
der Laudeshymnen mit größter Wahrscheinlichkeit in die
benediktinische , wenn nicht gar vorbenediktinische Zeit ver-
weisen zu dürfen. Denn — das folgende Kapitel wird sich
damit befassen — alle die Laudeshymnen haben einen und
denselben Dichter zum Verfasser, abgesehen vom xMontags-
hymnus, der als Kind der ambrosiauischen Muse seinen alt-
ererbten Platz in der Liturgie behauptete, so daß ein anderer
Hymnus dieses Zyklus allen Anzeichen nach vor ihm weichen
mußte bzw. nicht in die Liturgie eindringen konnte. Waren
aber zwei Hymnen dieses einheitlichen Zyklus schon zu Caesarius'
Zeiten in Gebrauch, dann war der ganze Zyklus, den übrigens
das älteste Hymnar in der Vaticana uns darbietet, zu eben
jener Zeit wenigstens schon vorhanden, wenn auch vielleicht
nicht schon im Brauche. — Für die ConqjJethymnen , sowohl
den berühmten „ Christe qui lux es et dies'' als auch den minder
bedeutenden und relativ wenig gebrauchten „Christe precanmr
adnue", legt abermals Caesarius direktes Zeugnis ab; allerdings
heißt diese Tageszeit bei ihm noch „duodecima" , aber der
Name ändert nichts an der Sache (vgl. Seite 23). — Den
Hymnen schließlich zu den sog. Meinen Hören läßt sich etwas
schwieriger ihr Ursprung aus vorbenediktinischer oder doch
aus der Zeit des hl. Benedikt zusichern. Caesarius und Aurelian
80 V. Kapitel.
versagen für ein direktes Zeugnis. Es hat vielmehr den An-
schein, als ob Aurelian jene Hymnen zur Terz, Sext und Non,
die er eingangs seiner Officiumsvorschriften für den Ostertag
anordnete, nämlich ,^Iani surgit hora tcrtia'\ „lani sexta sensim
volvitiir'' und „Ter hora trina volvitur" , auch für die außer-
österliche Zeit und überhaupt für die Wochentage verwendet
sehen wollte. Schließt er doch mit der Vorschrift : „Cotidimiis
igitur diebus [= an den Wochentagen ; ob aber zu verstehen
ist: an den Wochentagen der Osterseit , im Gegensatz zum
Osterfionntag , ist unsicher] ad Tertiam . . . hymnum ,,Iani
surgit hora tertia" ... ad Sextam . . . hymnus ,,Iam sexta
sensim volvitur" ... Ad Non am . . . hymnus „Ter hora trina
volvitur" ; während der entsprechende Abschnitt bei Caesarius
ganz allgemein, ohne Angabe der betreffenden Hymnen lautet:
„ Cotidianis vero diebus ad Tertiam, Sextam, Nonam seni psalmi
cum antiphonis, hymnis, lectionibus etc." Ob unter diesen
letzteren „hymnis" die auf Seite 60 als Nr. 15 — 17 an-
geführten (zur getvöhnlichen Terz, Sext und Non) verstanden
werden dürfen, oder ob damals nur die zunächst für
Ostern angeordneten bekannt und in Brauch waren, bleibt
hiernach unentschieden. Der erstere dieser Hymnen , jener
zur Terz ^ ist aber von Anihrosius; warum also spricht
Benedikt bei der Terz nicht von einem „Ambrosianus" ?
Im ältesten vatikanischen Hymnar, das auf eine Vorlage aus
noch früheren Jahrhunderten zurückzuweisen scheint (vgl. S. 53),
sind jedenfalls die 2 Arten der Terz-, Sext- und Nonhymnen
schon streng geschieden (s. S. 49). — Als Pr«;^-Hymnus läßt
sich aus den nicht-irischen Quellen bis zum 9. Jahrhundert
nur ein einziger namhaft macheu : „Postmatutinis laudidus".
Benedikt aber ordnet für die Prim einen Hymnus an ; es mußte
ihm also einer vorliegen. Wird es da in Anbetracht aller
Umstände zu kühn sein, wenn wir vermuten, eben dieser
Hymnus habe schon zu Benedikts Zeiten bestanden?
Da somit die Hymnen der Gruppe A zum größten Teile
sicher, zum übrigen kleinen Bruchteile wahrscheinlich zu jener
Zeit, als der große Patriarch von Nursia seinen Cursus nieder-
schrieb, bekannt und in Brauch waren, jene der Gruppe B
aber einer späteren, wenngleich sehr alten Periode entstammen;
da ferner Benedikt sich an die bestehende Ordnung konser-
Die ältere u. die jüngere liturg. Hymnenliste des 9. Jahrhunderts. 8 1
vativ anschloß und er die Hymnen der einzelnen Tagzeiten
als allgemein bekannte vorauszusetzen scheint, so liegt als
Schlußresultat die wichtige und in die Geschichte der Hym-
nodie tief einschneidende Folgerung auf der Hand: In der
Hyran engruppe A, die aus allen uns bekannten Zeugnissen
und Hymnaren der ältesten Jahrhunderte resultiert, sind die
Hymnen zu suchen und zu finden, welche der
hl. Benedikt bei Abfassung seinesCursus im Auge
hatte. Ob nun gerade alle Hymnen dieser Gruppe in dem
gemäß den Vorschriften seines Cursus eingerichteten Officium
zur Verwendung kamen , oder ob die vorgelegte Hymnengruppe
außer den von Benedikt angeordneten Hymnen auch noch andere
etwas später beigefügte Hymnen umschließt, darüber läßt sich
weder im bejahenden noch im verneinenden Sinne eine sichere
Entscheidung fällen ^). Im wesentlichen bleibt dadurch unser
Resultat unangetastet.
^ Wenn wir den Ausdruck „Ambrosianus" bei Benedikt als „H3Tnnus
des hl. Ambrosius" auffassen und nicht als Synonymon von „hymnus"
(vgl. S. 31); wenn wir ferner annehmen, daß anfangs noch alle Tage
bei den einzelnen kanonischen Tagzeiten der gleiche Hymnus gebraucht
wurde, wenngleich natürlich ein verschiedener für die verschiedenen Tag-
zeiten, (Benedikt spricht im Gegensatz zu Caesarius und Aurelian nicht
vom Abwechseln mit den Hymnen), so wäre für das virsprüiagliche
Officium nach der Regel Benedikts folgende Hymnenliste als Grund-
stock aufzustellen, der sich sehr bald in der angegebenen Weise er-
weiterte :
„ . , . _ j Aeterne rerum conditor = „Ambrosianus" .
\ Te Dexmi laudamiis („Dominico die").
In Matutinis: Splendor paternae _f/Zon'ae= „Ambrosianus". ,
Prima hora: Postmatutinis laudibus = „Hymnus eiusdem horae".
Tertia hora: Certum tenentes ordineni
Sexta hora: Dicamus laudes Domino
Nona hora: Ferfectum trinum numerum
In Vespertina synaxi: Dens creator owmä«m = „Ambrosianus".
In Completorio: Christa qui lux es et dies = „Hymnus eiusdem
horae".
Es ist jedoch nicht ausgeschlossen, daß Benedikt zunächst das
Schema eines Tages und zwar eines Wochentages vor Augen hatte, da
er für den Sonntag in einem besonderen Kapitel besondere Vorschriften
gibt. Wäre dieser etwa der ei'ste Wochentag (Montag) gewesen, so
würden alle seine Ausdrücke zvörtlich genau für obige Liste passen
und an anderen Wochentagen konnten die übrigen Hymnen der
Liste A einrücken, die er anzugeben unterließ.
Blume, Carsus Benedict! und Hturgische Hymnen. 6
= „Hymni earundem
horarum".
82 V. Kaijitel.
Der Titel im Hymnar von Eheinau (Cod. Turicen. Renov.
XXXIV; s. Seite 57) .Jncipiunt liyniiii saiicti Anibrosii (= Am-
brosiani) , quos sandus Benedictus in diversas Iiorafs cancndos
ordinavif' erhält iiuiiiiiehr eine ganz andere Bedeutung. Alles
spricht dafür, daß er den wahren Tatbestand bezeichne,
wenn auch zu den von Benedikt angeordneten Hymnen als
zu ihrem Grundstock andere Hymnen sich inzwischen zu-
gesellt hatten; und so stützt dieses im wesentlichen glauh-
ivürdige Zeugnis aus dein 9. Jahrhundert die Zuverlässigkeit
unserer Deduktionen.
5. Ein ungleich günstigeres Los war den Hymnen der
Gruppe A — wir können sie nunmehr die alt=benediktinische
nennen — in der moz arabischen Liturgie beschieden.
Nicht weniger als zehn derselben wurden von Alfons Ortiz
in sein auf Cisneros' Geheiß besorgtes und im Jahre 1502 zu
Toledo gedrucktes „Bretiiarwm scc. regulam sancti Isidori^^
aufgenommen, nämlich die Nummern 1, 9, 10, 11, 15, IG, 17,
19, 22 und 23 der auf Seite 00 mitgeteilten Liste. Vier
dieser Hymnen finden sich auch in handschriftlichen
Brevieren altspauischer Provenienz (in westgotischer Schrift)
aus dem 10. und 11, Jahrhundert. — Als ich vor
zehn Jahren die „Hymnodia Gotica" herausgab (s. Anal.
Hymnica XXVII), glaubte ich annehmen zu müssen, da ich
diesen Hymnen in den Hymnaren und Brevieren des römisehen
Ordo vom 10. Jahrhundert an so gut wie nie begegnete,
sie seien mozarabischen Ursprunges. Den Wert und die
Bedeutung der alten Hymnare von Murbach, Ehoinau und
der Vaticana verstand ich nicht richtig einzuschätzen und
übersah das Zeugnis der beiden Bischöfe von Arles. Unsere
vorliegende Untersuchung hat indessen ergeben , daß schon^
abgesehen von anderen Gründen, das hohe Alter dieser Hymnen
nicJd zuläßt, ihren Ursprung hei den 31osarahern zu suchen.
Vielmehr machten die Mozaraber eine Anleihe beim ältesten
liturgischen Hymnenschatze des römisch-monastischen Ordo
und sicherten so einem Gutteile jener altehrwürdigen Hymnen-
gruppe ein langes Dasein, die im 9. Jahrhundert durch noch
unermittelte Einflüsse einer jüngeren Hymnen gruppe weichen
mußte.
VI.
Die Hymnen der Matutinae Laudes und
der Morgenhymnus „Lueis largitor splendide".
1, Ein ganz besonderes Interesse beanspruchen die Hymnen
zu den Laudes, wie dies schon mehrmals angedeutet wurde.
Für die Nochirn und die Vesper ist nämlich in der Gruppe A
kein eigener HymnenzyUus vorgesehen, so daß also an jedem
Wochentage nicht je ein anderer Hymnus bei diesen beiden
Tagzeiten zur Verwendung kam. Nur fünf, bzw. vier ver-
schiedene Hymnen sind für diese Gebetsstunden zur Ver-
fügung gestellt. Anders bei den 3Iafutinae Laudes oder
Matutini (unseren Laudes), der vorzüglichsten und in gewissem
Sinne ursjminglichsten christlichen Tagzeit *). Ob im Officium
nach der Vorschrift Benedikts schon gleich anfangs an jedem
Tage der Laudeshymnus wechselte, blieb unsicher. Alle alten
nicht-irischen Hymnare aber weisen bestimmt jedem Wochen-
tage auch einen anderen Hymnus zu den Laudes an. — In den
Hymnaren irischer Provenienz (Gruppe B) geschieht dies- außer-
dem für die Nocturn und die Vesper; und zwar bilden die Nocturn-
und die Vesperhymnen einen Zyklus, deren jeder sichtlich
^) Vergl. oben S. 52. — Interessant ist eine Stelle im Briefe des
hl. Hieronymus an Laeta, wo es heißt: „Assuescat (filia) exemplo
(Laetae) ad orationes et psalmos nocte exsurgere, mane hymnos
canere, tertia, sexta, nona hora stare in acie quasi bellatrix Christi
accensaque lucernula reddere sacrificium vespertinum" (Kap. 9). Fast
möchte man hiernach glauben, daß die Matutin vor allem, wenn nicht
allein, damals durch einen Hymnus ausgezeichnet war. — Dazu würde
stimmen, daß Ämbrosius gerade seinen Morgenhymnus „Splendor
jjaternae gloriae"' als denjenigen hervorhebt, der vom Volke täglich ge-
sungen wurde, „cottidie totius populi ore celebratur" (Sermo contra
Auxentium n. 34; vergl. Dreves, Aurelius Ämbrosius, 28 f.).
6*
34 VI. Kapitel.
aus der Feder je eines und desselben Bicliiers getlosseii ist.
Der Beweis dafür fällt außerhalb des Rahmens unserer vor-
liegenden Arbeit. Daß der Zyklus der Vesperhyninen aus
der Zeit nach dem hl. Benedikt stammt, wurde schon S. 77 f.
bewiesen. — Die Laudeshyumen der Gruppe B (siehe S. 73
das Verzeichnis derselben) sind hingegen aus den Dichtungen
verschiedener Atd-foren zusammengesetzt. Für Sonntag und
Montag trifft ein Hymnus des hl. Ambrosius; für Dienstag,
Mittwoch und Donnerstag ein Hymnus, der als Cento aus den
Cathemerinou des Aurelius Prudentius herausgehoben ist; für
den Freitag ein Abecedarius von einem unbekannten Verfasser;
für den Samstag ein kurzer Hymnus, der abermals einem
anderen Dichter, dessen Namen wir nicht nennen können,
seinen Ursprung verdankt.
Demgegenüber zeigen die Laudeshyumen der Gruppe A
ein einheitliches Gepräge und weisen auf einen und den-
selben Dichter als ihren Verfasser hin. Nur der Montags-
hymnus „SpJendor pateniae gloriae'\ der gleiche, der auch
in der Gruppe B für diesen Tag angesetzt ist, stammt
vom hl. Ambrosius. Daß die übrigen vom hl. Ambrosius
seien, wird keinem Kenner der Hymnologie beifallen; sie
gehen durchweg unter dem allgemeinen Titel „Ambrosiani".
War also der Montag vom Dichter der Laudeshymnen nicht
mit einem Hymnus bedacht? Ich glaube das Gegenteil be-
stimmt bejahen zu müssen. Bekanntlich ist der Hymnus
„Lucis largitor splendide'' eine wahre „crux hymnologorum".
Mit Bestimmtheit hatte man früher den hl. Hilarius von Poitiers
als Dichter desselben angesehen. Den eigentlithen Grund zu
dieser Ansicht konnte nur der sogenannte Brief des hl. Hilarius
an seine Tochter Abra abgeben, in dem es heißt: „Interim
tibi hymnum matutinum et serotinura misi," und dem als
Morgenhymnus „Lucis largitor splendide", als Abendhymnus
öfters in den Hss. „Ad caeli clara non sunt dignus sidera''
beigefügt ist. Der Brief nun ist längst als unecht erwiesen
und anerkannt; die beiden Hymnen dadurch natürlich noch
nicht, da der Fälscher des Briefes recht wohl echte Hymnen
des hl. Hilarius seinem Machwerke beifügen konnte. Der
Abendhymnus indessen ist wahrscheinlich eine Dichtung des
Patriarchen Paulinus von Aquileja (Anal. Hymn. L, p. 148 sqq.);
Hymnen der Matutinae Landes nnd „Lucis largitor splendide'". 85
der Morgenhymnus hat, abgesehen von allem anderen,
einen derartigen Stiel, daß nie und nimmer dieser Hymnus
und die Hymnen in dem von Gamurrini wieder ent-
deckten „liber hymnorum" des Hilarius von ein und demselben
Verfasser sein können ^). Die echten Hynmen des Bischofs
von Poitiers — es sind allerdings nur große Bruchstücke —
sind so dunkel und schwer verständlich , so ganz nach der
Art des berühmten Schreibers „De Trinitate", treffen so wenig
in Bau und Sprache den Volkston, daß man nur zu leicht
versteht, warum Hilarius nicht, wie der Vater des Kirchen-
^) Vergl. Anal. Hymn. L, 8 sq., woselbst die wichtigste Literatur
betreffs des „Liber hymnorum" sich findet. — Biron (I, pag. 189,
note 3) sagt ergänzend zu Bäinner, der vom Hymnus „Lucis largitor
splendide^ vorsichtig versichert, daß er Hilarius zugesclirieben werde:
„Ebeii et Reinkeins (! 1. Reinl^ens) en rejettent l'authenticite, mais, dit
D. Cabrol (La priere antique, p. 144, n. 1) sur des raisons insuffisantes."
Letzteres mag gelten ; aber deshalb haben wir noch keine „raisons
süffisantes" für die Authentizität, letztere sind vielmehr nie und
nirgends vorgebracht. • — A. S. Walpole urteilt richtig in seinem Auf.
satze „Hymnus attributed to Hilar}^ of Poitiers" in ,..The Journal of
Theological Studies" Vol. VI. (1905) p. 599 sqq. Er geht aus von der
gut begründeten Tatsache, daß wir in dem durch Gamurrini ent-
deckten „Liber hymnorum" echte Hymnen des hl. Hilarius besitzen,
wiederholt alsdann den von mir schon im Jahre 1897 erbrachten
Kachweis (Anal. Hymn. XXVII, p. 49 sq.), durch welches verhängnis-
volle Versehen Daniel sich verleiten ließ , eine Eeihe von Hymnen
ganz irrig als verbürgte Dichtungen des hl. Hilarius auszugeben,
ein Irrtum, der unbesehen allgemein, auch von EbeH, weiter-
verbreitet und als Grundlage zur Beurteilung echter oder unechter
Hilariusdichtungen benützt wurde; ferner erblickt Walpole inV. Coustant,
der 1693 die Opera Hilarii hei-ausgab, den erstm, der den Hymnus
„Lucis largitor splendide" ihm zuschrieb (vergl. jedoch Anal. Hymn.
XXVII, p. 52, Anm.); schließlich kommt er zum Resultat, daß
außer den gut verbürgten Hymnen im angezogenen „Liber hymnorum"
nur der Hymnus „Hi/vmuvi dicat turba fratruin''' als von Hilarius ver-
faßt angesehen werden könne. (Das Referat in der Rassegna
Gregoriana, IV, 1905, col. 473, stellt fälschlich als These Walpole's auf:
„Rymnum dicat probably the onl}^ hymn written by Hilary.") — Den
besten Beweis gegen die Authentizität des „Lucis largitor s^jlendide''
läßt sich Kbert entschlüpfen, weil er durch eine reine petitio principii
die Hymnen im „liber hj^mnorum" als unecht abzuweisen versucht.
— Vergl. außerdem: Parisot, Hymnograjjhie poitevine, in „Le paA^s
poitevin" (Mars, 1899).
86 VI. Kapitel.
gesanges, mit denselben ins Volk und in die Liturgie ein-
dringen konnte ; der Hymnus „Lucis largitor splendide'' hingegen
ist so klar und bei aller Gedankentiefe so leicht verständlich,
so fließend in der Sprache und wohlklingend, so ganz im
Versbau und selbst in der Strophenzahl den Hymnen des
hl. Ambrosius ähnlich, daß sich die Frage aufdrängt, warum
denn dieses herrliche Lied nicht gleich den Hymnen des
Mailänder Bischofs Aufnahme in die Liturgie fand. Es ist
nämlich eine sehr beachtenswerte Tatsache, daß in keinem
Bymnare und in keinem Breviere vor dem 15. Jahrhundert
sich dieser Hymnus nachweisen ließ. Nur in SammcJhänden
vom 11. und 12. Jahrhundert an, oder, falls diese Collectaneen
älteren Ursprungs sind, als Nachtrag des 11. Jahrhunderts
fand ich denselben meist in Verbindung mit dem famosen
Afra- oder Abrabriefe vor. Bevor mir noch die Vermutung
kam , daß die in Frage stehenden Laudeshymnen von einem
Dichter herrühren, fiel mir auf, daß der Stiel des Hymnus
„Lucis largitor s^^lendide'' frappante Ähnlichkeit mit ver-
schiedenen Hymnen dieser Gruppe aufweise. Nachdem
mindestens die Wahrscheinlichkeit nachweisbar ist, was weiter
unten gezeigt werden soll, daß alle Laudeshymnen der Gruppe A
bis auf jenen des hl. Ambrosius von einem Verfasser sind,
und auch der Hymnus „Lucis largitor splendide" von dem
gleichen Dichter stammt, dürfte folgende auf bestimmte Tat-
sachen sich stützende Ansicht manches Rätsel lösen:
Nach Caesarius war seit alters das „Te Deum" als
Hymnus „ad Matntinos in sollemnitatibus" resp. am Sonntage,
nach dem sich die „sollemnitates" laut Cursus s. Benedict!
richteten, in Brauch; außerdem, so berichtet uns Aurelian,
diente der Ambrosius-Hymnus ^Splendor paternae gloriae" als
„ad Matutinos", somit für die Wochentage. Ein Dichter,
etwa des 5. Jahrhunderts, verfaßte nun ganz im Geiste des
hl. Ambrosius und nach dem Vorbilde des Morgenhynmus
„Splendor paternae gloriae'' sieben Morgenhymnen (betreffs
des vollen Textes derselben sei ein für allemal auf die Hymnen
5—11 des Anhanges verwiesen). Die Hymnen für Dienstag
bis Samstag (Nr. 7—11) fanden sichtlich Anklang und Auf-
nahme in die Liturgie ; aber am Sonntag und Montag wollten,
wenigstens an einigen Orten, die schon eingebürgerten „Te
Hjnnnen der Matutinae Landes und „Lucis largitor splendide". 87
Deum laudamus" und „S^üenäor paternae gJorkie" zunächst
nicht weichen. Zeugnis gibt das Hymnar der Vaticana saec.
8/9. (Cod. Vatic. Regin. 11; siehe oben S. 49 das klar redende
Register). Alle anderen zeitlich folgenden Hymnare, wie
Cod. Parisin. 14088 (siehe S. 54) und Cod. Oxonien. Jun. 25.
(siehe S. 56) und Cod. Turicen. Rhenov. 34 (siehe S. 58) be-
kunden uns, daß das „Te Deum" als Morgenhymnus am Sonn-
tag ausgeschaltet und statt seiner der Sonntagshymnus aus
unserer in Rede stehenden Gruppe der Laudeshymnen, nämlich
„Dens qiii caeli lumen es", eingerückt ist. Den herrlichen
Morgenhymnus des hl. Ambrosius aber, „SpJendor paternae
gJoriae", der nach Inhalt und Sprache vorzüglich in den Zyklus
paßt, zumal er Vorbild für den ganzen Hymnenzyklus ist,
wollte man als altes Erbstück vom Vater des Kirchengesanges,
dessen sämtliche echte Hymnen , soweit sie nicht Spezialfeste
betreffen , zum alten liturgischen Hymnenbestaude gehörten,
begreiflicher Weise nicht missen. So verstehen wir, daß der
Hymnus „Lucis largitor splendide" zunächst nicht in Hymnare
drang, noch auch bei irgendeinem alten Auktor als liturgischer
Hymnus Erwähnung fand, so schön und schwungvoll er auch
ist. Erst recht, als am Schlüsse des 10. Jahrhunderts die
Hymnengruppe B ziemlich alle Ferialhymnen der älteren
benediktinischen Ordnung verdrängte, nimmt es nicht wunder,
daß kein Hymnar und kein Brevier diesen Hymnus beachtet.
2. Es ist nun der Beweis zu erbringen, daß ein Dichter
den besprochenen Zyklus der Morgenhymnen verfaßte, und
zwar ein Dichter, der in maßvoller und geschickter Weise
die Hymnen des hl. Ambrosius, speziell dessen Morgenhymnus
„Splendor paternae gloriae" sich zum Vorbilde nahm. Zeigen
sich in allen Hymnen mehr oder minder Nachahmungen der
Ambrosiushymnen bzw. Anklänge au dieselben, so ist das ja
eine wichtige Bestätigung für einheitlichen Ursprung. Natür-
lich spielt bei solchen Dingen gar sehr das subjektive
Empfinden für und gegen mit , und ist daher ein nüchterner
zwingender Beweis nicht leicht , wenn überhaupt möglich.
Mehr als einer, dem ich die sieben Morgenhymnen der Reihe
nach vorlegte, empfand gleich aus allen die Muse eines und
desselben Dichters als evident heraus. Solchen Personen
gegenüber wäre statt eines minutiösen Beweises einfach ge-
QQ VI. Kapitel.
nügeiifl: „Kimm und ließ." Und lesen und wiederlesen muß
man in jedem Falle zuerst diese Hymnen; liest man darauf
nach ihnen andere Hymnen, wie „Mediae noctis tcmjms est'',
oder „Hex aetcrne JDomine'' (Nr. 1 und 2 des Anhanges),
oder gar „Temjnis noctis siirgentihiis" (Nr. 3), so wird sicher
jeder sagen: das ist eine ganz andere Sprache, das stammt
notwendig aus einer anderen Feder. Hören wir umgekehrt
in den Morgenhymnen, wie das Schwinden der Nacht und der
Anbruch des Tages geschildert wird, z. B. im Hymnus 5
durch die vierte Strophe:
lam noctis umbra linquitur,
Polum caligo deserit,
Tj'pusque Christi lucifer
Diem sopitum suscitaiis;
und im Hymnus 7 durch die zweite Strophe:
lam cedit pallens proximo
Diei nox adventui,
Obtendens lumen siderum.
Adest et clarus Ivicifer;
ferner im Hymnus 6 durch die erste Strophe:
Lucis largitor splendide,
Cuins sereno lumine
Post lapsa noctis tempora
Dies refusus panditur;
Tu verus mundi lucifer etc.;
0(
1er im Hymnus 8 durch die Verse der zweiten Strophe:
Nox atra iam depellitur,
Mundi nitor renascitur,
Novusque iam mentis vigor
Dulces in actus erigit etc.,
so läßt sich schwerlich in Abrede stellen, daß man hier
den Stiel des gleichen Dichters wenigstens vermuten darf.
Dieses letztere um so mehr, da von vornherein zu erwarten
steht, daß die wegen ihres Gegenstandes gleichartigen Hymnen,
die somit in jedem Falle einen Zyklus für sich bilden , auch
von einem Dichter zum Vorwurf seines poetischen Schaffens
ausersehen wurden. Bei den Vesper- und Nocturuhymneu
der Gruppe B ist es ja gerade so. — Vielleicht fällt weniger
Hymnen der Matutinea Landes und „Lucis largitor splendide". 89
ins Gewicht, eben weil es sicli um Morgenhymnen beim An-
bruch des jungen lichten Tages handelt, wenn in allen Hymnen
Gott in einer Beziehung zum Lichte angeredet wird, wie: „Deus
qui caeli lumen es 1 Satorque lucis" (Hymn. 5, Str. 1, 1 sq.);
„Lucis largitor splendide" (Hymn. 6, Str. 1, 1); „Tu verus
mundi lucifer" (Hymn. (3, Str. 2, 1); „Lux ipso totus et dies"
(Hymn. 6, Str. 3, 2); „Aeterne lucis conditor | Lux ipse totus
et dies" (Hymn. 7, Str. 1, 1 sq.); „Fulgentis auctor aetheris"
(Hymn. 8, Str. 1, 1); „Deus, aeterni luminis { Candor inenarra-
bilis" (Hymn. 9, Str. 1, 1 sq.); „Lucisque lumen ipse es"
(Hymn. 5, Str. 5, 2); „Tu rector immense lucis'" (Hymn. 9,
Str. 3, 4); „Tu vera lux fidelium" (Hymn. 11, Str. 3, 1);
„Aeterno fulgens lumine" (Hymn. 11, Str. 3, 4). Zugleich
sei hier auf Ämhrosius verwiesen , von dem unser Dichter
entschieden gelernt hat. Des ersteren Morgenhymnus beginnt :
„Splendor paternae gloriae | De luce liicem proferens | Lux
lucis et fons luminis" ; der Pendant zur Bezeichnung Christi als
y,Splendor paternae gloriae''' dürfte vor allem und zwar mit
einer Nuancierung (durch Umwechslung des Subjektes und
des Genetives) „Paternae lucis gloria'- in Hymnus 6 (Str. 4, 2)
sein. — Gewichtiger sind entschieden folgende Parallel-
stellen:
Im Hymnus 5 lautet der Schluß der 8. Strophe:
Simus fideles spiritu
Casto manentes corpore.
Im Hymnus 7 heißt die Bitte der 6. Strophe:
Sed firma mente sobrii
Casto manentes corpore
Totum fideli spiritu
Christi ducamus hunc diem.
Am Schluß des 11, Hymnus wiederholt der Dichter diese
gleiche Bitte:
Praesta, pater ingenite,
Totum ducamus iugiter
Christo placentes hunc diem
Sancto repleti spiritu.
Klingt uns aus diesen Stellen nicht aufs neue die Sprache
des gleichen Dichters entgegen? Und wollen wir sehen, wie
PO VI. Kapitel.
er sein Vorbild, den Morgenhymnus des hl. Ambrosius, al)er-
mals im Sinne hatte, so erinnern wir uns an ein paar Verse
der 5. und 7. Strophe in „Splendor paternae gloriae" :
Mentem gubernet et regat
Casto, fideli corpore etc.;
Laetus dies hie transeat.
Christus ist unserem Dichter nicht bloß das „Licht", was ja
eine sehr geläufige Metapher, sondern ein „Tag", ja „der Tag
der Tage" : „Lux ipse totus et dies" (Hymn. 6, Str. 3, 2 und
wörtlich gerade so Hymn. 7, Str. 1, 2); „Dies dierum, hagius,
es" (Hymn. 5, Str. 5.1). Bei Ambrosius heißt im Hymnus
„Splendor paternae" der 4. Vers der 1. Strophe: „Diem dies
illuminans", oder laut vielen alten Quellen: „Dws dieriim
illuminaus." — Den gleichen Hymnus beschließt Ambrosius
mit der Anrede an Gott den Vater: „Et totus in verho pater''
(8, 4); unser Dichter hat den Ausdruck übernommen in den
Hymnus 9 (2, 2): „Et totus m verho tu es." — Der hl. Drei-
faltigkeit gibt Ambrosius im Hymnus „Deus creator omnium"
(Anal. Hymn. L, 13) das gewiß nicht sehr geläufige Attribut :
„ TJnum potens per omnia" ; dem icörtlich gleich lautenden
Attribut begegnen wir bei unserem Dichter in zwei Hymnen,
in der 5. Strophe des 5. und in der 3. Strophe des 9. Hymnus.
— Beliebt war es bei Ambrosius, die Trinitätslehve in seine
Hymnen zu verweben ; die gleiche Vorliebe hat unser Dichter
sich zu eigen gemacht im 5., 9. und 11. Hymnus. — In
sinniger Weise bittet Ambrosius in der 6. Strophe des Hymnus
„Splendor paternae gloriae", Christus der Herr, unsere Speise,
möge den Glauben uns als seinen Trunk darreichen, damit wir,
frei von verderblicher TrunJcenheit, trunJcen werden im hl. Geiste:
Christusc[ue nobis sit cibus,
Potusqne noster sit fides,
Laeti bihanms sobriam
Ebrietatem spiritus.
Denselben Gedanken gibt in origineller Wendung unser
Dichter wieder, wenn er im 11. Hymnus (Str. 7) singt:
Vinum mentem non occupet
Ehrietate perdita,
Sed nostro sensui competens
Tuum bibamus poculum.
Hymnen der Matutinae Laudes und „Lucis largitor splendide". QX
Schließlich sei einer Lieblingsidee, eines Lieblingswortes
des Ambrosius gedacht, auf das Dreves in seiner Studie über
Ambrosius ^) aufmerksam macht; es ist die Erwähnung des
Glaubens, der „Fides", die fast ausnahmslos in allen seinen
Hymnen wiederkehrt. Nicht viel anders ist es beim Verfasser
unserer Morgenhymnen. Nur in zweien, im 6. und 10., wird
der Glaube nicht ausdrücklich genannt; in alle anderen ist
die Bitte um die „fides"' oder den „fidelis Spiritus" eingewoben.
Man lese im 5. Hymnus die 8. Strophe, im 7. die 6. Strophe,
im 8. die 5. Strophe, im 9. die 6., schließlich im 11. Hymnus
die 8. Strophe. Im 8. Hymnus sieht der Vers 2 in der
5. Strophe
„Fides profunda ferveat"
schier aus wie eine Kopie des Ambrosiauischen
. „Fides calore ferveat^'
aus dem Hymnus „Splendor patemae gloriae" (5, 3). — Eben-
falls eine Nachahmung, wiederum allerdings keine sklavische,
dürfte es sein, wenn unser Anonymus das Morgengrauen mit-
den Worten schildert:
Polnm caligo deserit,
Typusque Christi, hicifei\
Diem sopitum suscitans.
Man halte nämlich neben diese Verse der 4. Strophe des
5. Hymnus die Verse der 3. Strophe im Ambrosiushymnus
„Aeterne reriim condüor", welche lauten:
Hoc excitatus lucifer
Solvit polum cah'gine.
Fast reicher noch dürfte der Parallelismus zwischen
unseren Morgenhymnen und den Hymnen des hl. Ambrosius
sich herausstellen, wenn ein sorgfältiges Auge einzelne, nicht
gerade landläufige Worte heraussucht, die gleichmäßig hüben
wie drüben sich finden. Ich will nur beispielshalber erinnern
an „probrosus" , „luhricus'", und namentlich an „refundere^'' ;
Hymnus 6 (7, 1), 8 (4, 1) und 6 (1, 4) bieten u. a. hierfür Belege,
womit des Ambrosius Carmen I, 9, sein Morgenhymnus (3, 4)
und sein Naehthyranus (6, 2) zu vergleichen sind.
') Dreves, Aurelius Ambrosius, S. 86 f.
92 VI. Kapitel.
Alle diese Belege und Beispiele einzeln genommen können
als minder gewichtig, als Zufälligkeiten bezeichnet und ge-
deutet werden. Aber w^enn sie , wie es hier der Fall , in so
großer Anzahl in sieben relativ kurzen Hymnen sich vortiuden,
und wenn all die vielen Nachbildungen und Anklänge, und
zwar durchweg nicht bei Gedanken und Redewendungen der
gewöhnlichsten Art, vorwiegend sogar auf einen oder zwei
Hymnen des hl. Ambrosius zurückgehen , so läßt sich kaum
anders sagen als: nicht Zufall hat diese Übereinstimmung,
diese Anklänge und Nachbildungen geschaffen , sondern mit
Bedacht wurde auf diese Dichtungen des hl. Ambrosius als
auf die Vorlage bei Abfassung dieser Morgenhymnen geschaut.
Können wir aber annehmen, daß mehrere Dichter bei Kom-
position ihres Morgenhymnus sich von diesem gleichen Grund-
satze leiten ließen und mit gleichem Geschick ausführten?
Schwerlich wird jemand einen so eigentümlichen Zufall an-
zunehmen wagen. Nur bei der Annahme eines und desselben
Dichters für alle sieben Morgenhymuen läßt sich eine
solche Übereinstimmung vernünftig erklären. Dabei darf
nicht vergessen werden, worauf schon oben hingewiesen
wurde, daß von vornherein als das Naturgemäße zu er-
warten war , die Morgenhymuen für je einen Wochentag
würden aus einer einheitlichen Quelle hervoriließen, und daß
die schwungvolle, klare, bilder- und gedankenreiche Sprache,
der Versbau , sowie Metrik und Strophenbau , der sehr das
Enjambement liebt, in allen sieben Hymnen ^/e?cīrf?^ erscheinen.
Um zum Schluß noch etwas Konkretes hervorzuheben —
die Bewertung des Stieles bleibt trotz allem mehr oder minder
etwas Subjektives — , sei auf den Inhalt des 5. und 10. Hymnus
hingewiesen. Der erstere, „Dews qui caeli lumen es", enthält
eine Paraphrase des „Pater noster", der letztere, „Christe
caeli Domine", eine solche des „Te Dewn", und zwar sind
die Textworte dieser beiden Gebete (resp. des Hymnus) viel-
fach wörtlich in den Hymnentext verwoben. Ambrosius hat
in gleicher Weise beliebt, Textworte, nicht eines Gebetes,
sondern der hl. Schrift in zwei seiner Hymnen zu verweben,
nämlich in den Weihnachtshymnus „Intende qui regis Israel"
und in den Johanneshymnus „Amore Christi nohilis (s. beide
Anal. Hymn. L). In beiden Hymnen hat möglichstes Bei-
Hymnen der Matutinae Laudes und „Lucis largitor splendide". 93
behalten der Textworte der hl. Schrift zur natürlichen Folge
gehabt, daß der Rhythmus bzw. die Metrik eine ungewöhnliche
Form, d. h. Unebenheiten aufweist. Gerade so ist es in den
beiden bezeichneten Morgenhymnen der Fall. Also abermals
eine Bestätigung, daß der Dichter unserer Hymnen ein sehr
gelehriger Schüler seines Vorbildes Ambrosius war. Drum
abermals die Frage: Wollen, nein, können wir glauben, daß
zwei Dichter in gleichartiger Weise aus den Hymnen des
Ambrosius lernten und kopierten , um einen Morgenhymnus
zu schaffen, der eine mit eingefiochtenem „Pater noster", der
andere mit eingeflochtenem „Te Deum"^
Nach allem gestehe ich trotzdem gerne ein, daß mangels
äußerer Beweise wir keine Ge?vißheit erlangt haben; denn
rein innere Gründe sind bei Autorenfragen immer etwas un-
zuverlässig. Es ist ein genügender Gewinn, wenn wir einst-
weilen mit großer Wahrscheinlichkeit die in Rede stehenden
Hymnen als die Schöpfung eines und zwar eines nicht un-
bedeutenden Dichters ansehen dürfen, der sich mit tiefem
Verständnis in die Hymnen des Vaters des Kirchen gesanges
hineingelebt hat, und der, da Caesarius und Aurelius von
Arles wenigstens zwei seiner Hymnen erwähnten, mindestens
gegen Schluß des 5. Jahrhunderts lebte. -— Nebenbei sei be-
merkt, daß wir dem gleichen Dichter vielleicht auch den
herrlichen, von Caesarius zitierten Complethymnus „Christe
qui lux es et dies" verdanken , obgleich für diese Annahme
nicht so gewichtige Gründe wie für die Morgenhymnen geltend,
gemacht werden können.
VII.
Die bisher geltende Ansieht und die nunmehr
gewonnenen Resultate.
1. Liturgiker und Hymnologen, wenn sie über die Ent-
stehung und Entwicklung der älteren liturgischen Hymnen zu
berichten haben, gehen gewöhnlich den Schwierigkeiten dieses
Kapitels dadurch aus dem Wege, daß sie über die Hymnen-
dichtung bestimmter Autoren aus der ersten Zeit, wie eines
Hilarius, Ambrosius, Prudentius usw. berichten, und außer
den Hymnen dieser Dichter einige „Adespota", gewöhnlich
wegen ihrer äußeren Form „Ambrosiani" genannt, welche
dem 5. bis 8. Jahrhundert anzugehören scheinen, anführen.
Alsdann wird hingewiesen auf den Cursus des hl. Benedikt
als beweiskräftige Urkunde, daß den Hymnen {aber ivelclien?)
ein Platz in der Liturgie angewiesen wurde. „Bien d'autres
hymnes", so schreibt z. B.BatiffoI^), „seraient ä rapprocher
de ces deux amhrosiani. (Er hat vorher nach Anführung
von vier Hymnen des hl. Ambrosius die zwei folgenden als
„ambrosiani" genannt: „Sj^hndor paternae gloriae'' und „Aeter-
na Christi munera\ die jedoch nicht „Ambrosiani", sondern
echte Hymnen des hl. Ambrosius sind.) Ensemble, au commen-
cement du VI« siecle, elles formaient vraisemblablement une
collection, une sorte de canon, sous le nom de saint Ambroise.
Et cette collection (aus welchen Hymnen bestehend V) d'hymnes
metriques, tres repandue en Italie, en Gaule, en Espagne,
sollicitait une place dans Vordo psallendi. Saint Benoit la
lui fit dans sa regle de Toftice monastique . . . II ne specifie
pas davantage. Mais saint Aurelien . . . fait, lui aussi, figurer
des hymnes, dont il a soin de donner les premiers mots en
guise de titre." (p. 169 sq.). — Wenn Batiffol das umfang-
1) Batiffol, P., Histoire du Breviaire Eomain. Paris 1893.
Die bisher geltende Ansicht u. d. nunmehr gewonnenen Resultate. 95
reichere Hymuenverzeiclmis des hl. Caesarius übergeht , so
verschlägt das bei der Würdigung, die er den zunächst in
Arles gebräuchlichen Hymnen angedeihen oder nicht an-
gedeihen läßt . für seine Darstellungsweise nichts. Dieses
Hymnenverzeichnis figuriert eben nur als ein vereinzeltes
Beispiel, welche Hymnen man gerade in Arles betete oder
sang. Die sich anschließende allgemeine Redewendung ändert
daran wenig : „Ke croyez j3as, que pareille collection d'hymnes
n'ait et6 recue que dans les monasteres gallo-romains" (p. 170j.
Eine ^^pareiUe collection'" wird nämlich zweifelsohne überall,
wo man Hymnen im Officium sang, Aufnahme gefunden haben;
aber ireJche und eine imrieviclen Fimldcn älmlichc? TJl. Chevalier
scheint sogar diese AhnlichJceü nicht zugeben zu wollen, da
ihm sichtlich eine ganz andere , nämlich die von uns oben
(S. 72 f.) unter B verzeichnete Hymuenreihe als die ursprüngliche
vorschwebte, und er deren Anfänge somit schon in dieser
Periode vermutet. Er sagt nämlich zum Hymnenregister der
beiden Arelateuser: „L'usage de ces pieces ne s'est maintenu
([Vi accidentellemeni et je les crois eirangercs ä Thymnaire
benedictin'" (1. c. p. XIV). Da hat Batiffol mit seiner allgemeinen
Bemerkung , an die er aber später nicht mehr zu denken
sclieint, noch das Eichtigere getroffen. Letzterer, um bei
ihm als typischem Beispiele zu bleiben , erinnert alsdann an
die auf die Hymnen bezugnehmenden Verordnungen der Konzile
von Braga (563), Tours (567) u. Toledo (633), um die kirchliche
Stellungnahme für und gegen den liturgischen Gebrauch der
Hymnen zu dokumentieren. Als am längsten ein ablehnendes
Verhalten beobachtend werden hierauf die Basiliken Roms ge-
nannt, die erst am Schhisse des 12. J ahrlmnderts den Hymnen
einen Platz in der Liturgie eingeräumt haben sollen '). Hier-
durch ist Batiffol glücklich in das volle Mittelalter gelangt,
wo reichlich viele Hvmnare einen klaren Einblick in den Be-
^) Man beruft sich hierfür auf das Antiphonar von St. Peter im
Kapitelsarchiv zu Rom, welches über Hymnen so gut wie schweigt.
Schon Ul. Chevalier (1. c. pag. XXI sqq.) hat darauf hingewiesen, wie
dieses Schiceigett gegenüber anderen Tatsachen nicht beweiski'äftig ist. —
Wenn Bannister recht hat, daß 5.ieses Antiphonar aus dem Anfange
des 13. Jahrhunderts stammt, so beweist dessen Schweigen betreffs
der Hj^mnen erst resht nichts, weil zu viel.
0(3 VII. Kapitel.
stand der damals liturgiscli gebräuchlichen Hyninare leicht
vermitteln. Wir hatten bis dahin nur gehört, wie ungefähr
der Inhalt eines liturgischen Hymuars im 6* Jahrhundert nach
dem Beispiele des Ordo Aurelian's aussah (,,pareiUe collection") ;
wir wurden alsdann auf ein wohl verwandtes, aber dem
eigentlichen Kernpunkt der Frage, ivelche Hymnen nämlich
gebraucht wurden, ganz fremdes Gebiet geführt, um zu sehen,
wie der Streit für und gegen den liturgischen Gehrauch der
Hymnen angeblich im 12. Jahrhundert endgültig ausgetragen
wurde. Auf den Kernpunkt greift nun Batiffol scheinbar
zurück, um in einem einzigen kühnen Satze, der die ganze
dunkle Periode überspringt, vom 6. ins 11. Jahrhundert zu
gelangen : „ Cependant (!) Thyurnaire ben6dictin s'etait d6veloppe
et constitue. Au XI« siöcle, il comportait une hymne invariable
ä chacune des petites heures: le »lam lucis orto süJere« ä
prime; le »Nunc sancte nohis Spiritus« ä tierce; le >Bector
potens verax Deus« ä sexte; le »Rerum Dens tenax rigor« ä
none-, et soit le »Te lucis ante terminum«, soit le ^Christus
(! 1. Christe) qui lux es et dies« ä complies. Autant d'ambrosiens
anonymes non post6rieurs au Tl« siöcle. Pareils
ambrosiens formaient Thymnaire des feries" (1. c. p. 172). Es
folgt das Hymnenverzeichnis , welches jenem unserer Liste B
gleicht. Batiffol entnimmt dieses und die eben genannten
Hymnen zu den kleineren Hören dem „breviaire Casinesien
ms. de la Mazarine" (= Cod. Parisin. Maz. 364), d. h. eiaem
Breviere, das zwischen den Jahren 1099—1105 geschrieben
wurde (Batiff"ol nennt es saec. 11). — Von diesen Hymnen,
für die er nur eine so relativ junge Quelle des ausgehenden
11. Jahrhunderts 0 kennt oder nennt, und die er, abgesehen
von einem Hymnus „Christe qui lux es et dies'' und von den
Hymnen des hl. Ambrosius, weder bei Caesarius, noch bei
Aurelian, noch überhaupt in einer Quelle vor dem 9. Jahr-
hundert antraf oder antreffen konnte, behauptet er kurzweg,
sie seien „non posterieurs au VI' siede". Es liegt dieser
Behauptung die Ansicht zu Grunde, daß jene Hymnen, die
1) Ul. Chevalier sucht viel entsprechender ein Hymnar des 9. Jahr-
hunderts heranzuziehen; leider aber, wie schon erwähnt, war das-
selbe tatsächlich eines aus dem 10. Jahrhundert.
Die bisher geltende Ansicht u. d. nvmmehr gewonnenen Resultate. 97
wir unter der Gruppe B als die jüngere Serie der liturgisch
verwendeten Hymnen erkannten, in irgendeiner Weise zum
ursiminglichen Kern des alt-henedict mischen Hymnars gehörten
oder doch aus ihm schon früh sich entfalteten. Man höre
nur noch die folgenden zwei Sätze Batiffols, aus denen diese
Anschauung, für die allerdings keine Spur von Beweis er-
bracht wird, deutlich hindurchkliugt: „Toutefois, en se
montrant ßdeJes aux modeles de Vhymnologie . soit metrique,
soit rhythmique, la jyJus ancienne, celJe-lä meme cjiie Saint
BenoU avait entendu recevoir dans l'ordo psallendi de ses
moines, les Benedictins tres lettres du YIII«' et du IX'' siecle
crurent pouvoir faire une place dans leur hymnaire ä des
compositions quelques-unes plus recentes, toutes d'un caractere
litteraire plus sensible" (p. 175). Ferner: „En resume,
Thymnaire des Benedictins s'ötait forme des hymnes, soit
metriques , soit rhythmiques, que l'on appelait ambrosiennes :
c'avait ete le noijcm primitif de Vhijmnaire, et ce noyau avait
et6 coustitue au VP siecle. La renaissance litteraire caroling-
ienne Tavait orne de pieces choisies et" (p. 179).
In ähnlichem Gleise, wie diese Ausführungen Batiffols.
wenngleich mit manchen Differenzen in den Details, bewegen
sich jene der anderen Liturgiker und Hymnologen. Es braucht
nur daran erinnert zu werden, daß manche Schriftsteller
von einer Beihe von Hymnen ohne jeden Grund behaupten,
sie seien von Gregor d. Großen, oder von Hilarius, oder von
Papst Damasus u. a. für die Liturgie gedichtet, um zu verstehen,
wie sich dadurch das Bild der älteren liturgischen Hymnen
verschiebt. Der Grundton aber ist durchweg der gleiche:
Unsere jetzigen Sonntags- und Ferialhymnen sowie jene
de Communi Sanctorum , seien im großen und ganzen der
altererhte Grundstoclc des liturgischen Hijmnars , der all-
mählich etwa bis zum 8. , 9. oder 10. Jahrhundert sich aus-
wuchs (die Grenzbestimmungen schwanken bei verschiedenen
Auktoren), um dann unverändert sich zu erhalten ; jene Hymnen
hingegen, die Caesarius und Aurelian zitieren, oder die
Kardinal Tomasi aus dem Cod. Vatican. Regln. 11 ediert hat,
und welche in den Hymnaren des 10. und späterer -Jahr-
hunderte nicht vorkommen , seien sporadische Dichtungen,
die nur dem partikulären Geschmacke einzelner Klöster
Blume, Cursus Benedicti und liturgische Hymnen. 7
98 VII. Kapitel.
und Kirchen ein mehr oder minder langes Dasein ver-
danken.
Als einer für alle möge P. Suithert Bäumer vernommen
werden, der in vollem Verständnis für die Schwierigkeit der
Frage seine Ansicht über die älteren liturgisch verwendeten
Hymnen mit der einleitenden Bemerkung vorbringt: „Leider
ist es gar nicht so leicht zu bestimmen, ivehhe kirchliche Ge-
sänge dieser Art so frühe schon Verwendung gefunden haben . . .
Gleichwohl läßt sich aus den zurzeit vorliegenden Quellen,
von welchen wir die wichtigsten in der Kote anführen,
folgendes mit Sicherheit schließen :
„Sonntags wurden zur Winterszeit, wie noch jetzt, bei der
Mette und den Landes die Hymnen »Primo dierum omnium« und
»Aeterne rerum conditor* gebetet; im Sommer die aus je zwei
sappbiscben Strophen mit Doxologie bestehenden, dem hl. Gregor
d, Gr. zugeschriebenen HjTiinen "Node surgentes« und »Ecce iam
noctis« , oder auch »Mediae noctis tempus est« und «Magna et
mirabilia«.
Aber auch die Hymnen der Vesper und Complet wechselten
je mit der Jahreszeit. Im Winter . . . ward am Samstag ... der
Hjnnnus '0 lux beata trinitas« gebetet, im Sommer dagegen »Beus
Creator omniiim etc.« vom hl. Ambrosius. (Hierzu in der Anmerkung:
Nach dem Cod. Vaticän. Eegin. 11 zviweilen auch »Sator j^rincepsque
temponnn« : Sonntags, wie aus den Handschriften von St. Paul und
St. Gallen ersichtlich [Bäum er meint die oben auf Seite 65 und 61
besprochenen Codices], der Hymmis, »Lucis creator optime«). Ziir
Complet im Winter der siebenstrophige schöne Hymnus »Christe qtii
lux es et dies« , im Sommer . . . und an den Festtagen »Te lucis
ante terminum.«
Die Hymnen der Prim, Terz, Sext und Non waren Sonntags
und in der Woche schon dieselben wie heute: »Iam lucis orio«,
»Nnnc sancte nohis«, "Eector potens« mid »Herum Beits tencix vigor<^.
In der Fastenzeit dagegen sang man zu diesen Hören andere
Hymnen. Nämlich in der Terz »Bei fiele qua vivimus«; zur Sext
»Meridie orandum est« oder auch »Qua Christus liora sitiit« und zur
Non »Perfecto trino numero« oder »Ter liora trinn volritur«." (In der
Anmcrlumj bringt hier Bäumer nun einige Hymnen aus dem
wichtigen Cod. Vatican. Eeg. 11, worüber oben S. 48 das Nähere
berichtet ^^^^rde : ein Fingerzeig , daß er dieselben als particuläre,
nur in einer oder höchstens einigen Kirchen vorl;ommende Hymnen an-
sieht, was durch eine spätere gleich anzuführende Anmerkung
Bäumers noch deutlicher hervortritt. Er schreibt unter Hüiweis
auf den genannten Cod. Eegin. 11 : „Daselbst ist als cotidianus ad
Tertiam bezeichnet »Certum tenmtes ordincm« , und ad Sextam
Die bisher geltende Ansicht u. d. nunmehr gewonnenen Resultate. 99
»Dicaviiis laudes Domino«. In der Osterzeit und auch sonst wohl
betete man zur Terz »lam surgit hora tertia« , zur Sext »lam sexta
sensim volvitur« . . .").
Während nun aber am Sonntage und den fünf ersten Wochen-
tagen der Fastenzeit zur Vesper der bekannte Hymnus „Audi
benigne conditor" erscholl, sagte man in der Vorvesper des Sonntags,
d. h. am Samstagnachmittage, einen anderen: „Sic (oder lam) ter
quaternis lahitur (! 1. trahitur). In der Mette und Laudes der Ferial-
tage waren zwar die Fastenhymnen vorgeschrieben: „Ex morc
docti mystico" und „lam Christe sol iufttitiae^' bzw. „Summe largitor
2iraemii" und „Ciarum decus ieiunii" von St. Gregor; doch wurden
an den Sonntagen, wo man nicht fastete, mancherorts, z. B. in
England , die Hymnen der Dominicae per annum gesungen. — In
der Pat^'sionszeit fand neben den Kreuzh^'mnen auch ein Hymnus
Verwendung, den man, obschon ohne genügenden Grund, wie es
scheint, Gregor d. Gr. zuschreibt: „Bex Chriftte factor omnium" oder
auch „3Iagnae (oder Magno) salutis gaudio^'. — Im Advent sang man
dieselben wie jetzt „Conditor alme", „Verbum supernum^^ und
,^Vox clara". Nur am Vorabend von Weihnachten erscholl „Veni
redemptor gentium'^ von St. Ambrosius. (Hierzu die Anmerkung
Bäumei's: „Im Cod. Vatic. Reg, 11 ist er mit der Einleitungsstrophe
»ltdende qui regis Israel« als Hymnus natali Domini dicendus be-
zeichnet" [so muß es sein laut Originaltext des hl. Ambrosius]).
— Während die Heiligenfeste viele jetzt nicht mehr gebrätichliche
hymni proprii aufweisen, waren die de tempore paschae et pente-
costes, sowie die Hymnen zur Mette, Vesper und Lavides
der feriae per annum, abgesehen von den prosodischen Modi-
fikationen des 17. Jahrhunderts, die gleichen wie noch heute."
(Zu diesem von mir durch den Druck hervorgehobenen Satze
macht Bäumer in der Anmerkung zunächst eine textkritische Note
über den Hymnus „Veni ci'eator Spiritus^' mit dem. Zusätze, „welcher
allerdings erst seit der Mitte des 9. Jahrhunderts vorkommt", —
ein Zusatz, der zeigt, daß nach Bäumers Ansicht alle anderen von
ihm namhaft gemachten Hymnen vor der Mitte des 9. Jahrhunderts
vorkommen, — und fügt dann das Verzeichnis der Ferialhymnen
aus dem Cod. Vatican. Eegin. 11 bei [vgl. die Anm. oben S. 48,
wo die Fehler des Verzeichnisses angemerkt sind|. Wie schon so-
eben gesagt wurde, erachtet Bäumer die Hymnen dieses Ver-
zeichnisses als vereinzelt auftretende, was die Verweisung der-
selben in die Anmerkung und erst recht der Beisatz bekundet:
„In den Codices von St. Paul und St. Gallen er.scheinen aber, wie
bemerkt, schon dieselben Hymnen wie jetzt.")').
') Bäumer, Gesch. des Breviers, S. 256 ff. — Biron hat daran nichts
geändert oder ergänzt.
IQQ VII. Kapitel.
Zunächst ist zu beinerken . daß Bäumer nicht weniger
als 12 Hymnen anführt, welchen wir in all den alten Hijmnaren
bis zum Schluß des 9. Jahrhunderts nirgends begegnen, und
die bislang nur in Hymuaren oder Brevieren des 10. oder
späterer Jahrhunderte sich vorfanden. Es kann wohl sein,
daß der eine oder andere dieser Hymnen im 9., 8. oder einem
noch frühereu Jahrhundert entstand; aber Bäumer wollte
zeigen, ^tvelche h'rchlichcn Gesänge so frühe schon (im 8. oder
Anfang des 9. Jahrh.) Y erw^en düng gefunden hahcn''\ d. h.
liturgisch in Brauch waren. „Aus den zurzeit vorliegenden
Quellen" läßt sich indessen über diese Hymnen direkt nichts
derartiges „mit Sicherheit schließen" ; dieselben sind, nach der
Reihenfolge, in der sie bei Bäumer auftreten :
1. Nocte surgentes. 7. Clarum decus ieiunii.
2. Ecce iam noctis.') 8. Rex Christe factor omnium.
3. Audi benigne conditor. 9. Magnum salutis gaudium-).
4. Ex moie docti mystico. 10. Conditor alme siderum.
5. Iam Christe sol iustitiae. , 11. Yerbum supernum prodiens.
6. Summe largitor praemii. 12. Vox clara ecce intonat.
Vorstehende Hymnen sind also von Bäumer zu Unrecht
eingeschoben. Dagegen sind andere, die als liturgisch ge-
hraucht für die in Betracht kommende Periode durch die
ältesten Quellen des 6. bis 9. Jahrhunderts erwiesen sind.
von Bäumer übergangen, nämlich außer den Epiphanie- und
Osterhymnen des hl. Ambrosius; ^llhiwinans aUissinms" und
„Eic est dies verus Bei'\ die folgenden:
1. Postmatutinis laudibus. 6. Christe precamur adnue.
2. Rex aeterne Domine. 7. Tempus noctis surgentibus.
3. Dens qui caeli lumen es. 8. Ter bora trina volvitur.
4. Deus qui certis legibus. 9. Ad cenam agni pro\ndi.
5. Deus qui claro lumine. 10. Aurora lucis rutilat.
') Diesen und den vorhergehenden Hymnus wie auch Nr. 8 be-
zeichnet Bäumer als Gregor dem Gr. zugeschriebene ; die Zuschreibimg
ist haltlos.
2) Dieser Prozessionshymnus, der in einer alten Quelle Theoäulf
von Orleans (f 821) zugeschrieben wird, ist der einzige aus einer
Quelle des 9. Jahrhunderts. Näheres im Bande LI der Anal.
Hymn.
Die bisher geltende Ansicht u. d. nunmehr gewonnenen Resultate. 101
Ebenso tibergeht Bäumer alle Hymnen de Commum
Sanctorwn, obgleich für dieselben das Gleiche wie für die
vorstehenden zehn Hymnen gilt. — In den übrigen Hymnen
macht sich die Vermengung von Dichtungen aus zwei Gruppen
bemerkbar, die wir als zeitlich und örtlich scharf getrennte
erkannt haben. Nur eine Unterscheidung ist gemacht: Eine
Reihe von Hymnen wird als vereinzelt gebräuchliche in die
Anmerkung verwiesen, obgleich gerade sie den Grundstock
des ursprünglichen Hymnares ausmachen.
2. Demgegenüber können wir das Ergebnis unserer Studie
in folgende Punkte zusammenfassen, bei denen sich Sicheres,
Wahrscheinliches und Unsicheres genau trennen läßt.
I. Auf Grund des Zeugnisses der hll. Caesarius und Aurelian
von Arles und aller uns bekannten Hymnenquellen nicht-irischer
Provenienz , welche aus der Zeit vor dem 10. Jahrhundert
stammen, sind zunächst die nachstehenden Hymnen als solche
zu bezeichnen, die gans sicher in jeuer Periode, welche vom
Anfange des 6. bis gegen Schluß des 9. Jahrhunderts reicht,
in liturgischem Gehrauche ivaren oder mindestens innerhalb
dieser Zeit in liturgischen Gebrauch harnen:
Aä Nocturnos:
1. Mediae noctis tempus est.
2. Hex aeterne Domine.
3. Magna et mirabilia.
4. Aeterne rerum conditor.
5. Tempus noctis surgentibus.
Ad Matutinos:
6. Deus qui caeli lumen es.
7. Splendor paternae gioriae.
S. Aeterne lucis conditor.
9. Fulgentis auctor aetheria.
10. Deus aeterne luminis.
11. Christe caeli Domine.
12. Diei luce reddita.
Ad Parvas Iloras :
18. Postmatutinis laudibus.
14. Certum tenentes ordinem.
15. Dicanius laudes Domino.
16. Perfectum trinum numerum.
Ad Ves2:>eras :
17. Deus Creator omnium ] Polique.
18. Deus qui certis legibus.
19. Deus qui claro lumine.
20. Sator princepsque tem-porum.
Ad Completorium :
21. Christe qui lux es et dies.
22. Christe precamur adnue.
In Xativitate Domini:
23. Intende qui regis Israel.
In Epiphania Domini:
24. Illuminans altissimus.
In Qua dragesima :
25. Dei fide qua vivimus.
26. Meridie orandum est.
27. Sic ter quaternis trahitur.
-|^Q2 VII. Kapitel.
In Paschate : 32. Ad cenam agni providi.
28. Hie est dies verus Dei. ^•^- ^"^«^^ ^^^^^ ^"^ilat.
29. lam surgit hora tertia.
30. lam sexta sensim volvitur. ^^ ^''- ^'^arUjribus:
31. Ter trina hora volvitur. 34. Aeterna Christi munera.
Betreffs dieser Liste ergaben sich folgende Resultate:
a) Der Ursprung dieser Hymnen liegt sicher größtenteils
in vorbenediktinischer Zeit oder wenigstens in jener Benedikts.
Evident ist ersteres bei den Nr. 4, 7, 17, 23, 24, 28, 29 und
34 als Hymnen des hl. Anihrosius und bei den Nr. 1, 2, 3,
8, 9, 18, 21, 22, 30, und 31, weil Caesarius und Aurelian
sie zitieren; liöchstivalirscliehiUcli bei den Nr. 6, 10, 11 und 12,
da Nr. 6, 8 — 12 als einheitlicher Zyklus angesehen werden
können, wenn nicht gar müssen, und bei den Nr. 13—16 aus
den auf S. 79 f. entwickelten Gründen. — Die liturgische Ver-
wendung dieser Hymnen datiert auf gleiche Weise aus der
bezeichneten Zeit, wie im Laufe der Untersuchung gezeigt
wurde.
Für Ursprung und liturgische Verwendung des unter
Nr. 20 genannten Hymnus läßt sich kein älterer Zeuge
als der Cod. Vatican. Regln. 11 vorbringen, der aus dem
Schlüsse des 8. Jahrhunderts stammt, aber sichtlich auf
eine Vorlage viel älteren Ursprunges zurückweist, so daß für
die liturgische Verivendung mindestens das 7. Jahrhundert
angesetzt werden darf. — Nur die Nrr. 25-27 scheinen nicht
vor das 8. Jahrhundert angesetzt werden zu können, wie sie
ja auch nach den vorgebrachten Gründen nicht unserer Hymneu-
liste spezifisch eigentümlicb sind. Ähnliches gilt von den
unter Nr. 32 und 33 angeführten Hymnen. Aus diesem
Grunde lassen wir diese fünf Nummern für die weiteren
Thesen besser außer acht.
h) Die vorgelegte Liste gibt uns den Inhalt der gemäß
dem Cursus des hl. Benedikt angelegten Hyninare bis gegen
Schluß des 9. Jahrhunderts; alle diese Hymnen entstammen
mit den von Benedikt in seinem Cursus angeordneten, wenn-
gleich nicht näher benannten Hymnen der gleichen alten
Wurzel, bilden mit ihnen einen einheitlichen, für sich gesondert
hestehenden und wachsenden Baum, der bis gegen das 10. Jahr-
hundert hin voll und ganz lebenskräftig bleibt.
Die bisher geltende Ansicht u. d. mmmehr gewonnenen Resultate. 103
c) In dieser Liste befinden sich jedenfalls sicher jene
Hymnen, welche dem hl. Benedikt hei seinen Anordnungen im
Cursus vorschwebten. Die genauere Bezeichnung derselben
nach Name und Zahl hängt davon ab. ob „Amhrosianns'' bei
Benedikt gleichbedeutend ist mit „hymnus", oder ob diese
Bezeichnung nur für einen „Hynmus des hl. Ambrosius"
gelten soll ; ferner davon, ob Benedikt bei seiner Verordnung,
an welchen Stellen der einzelnen kirchlichen Tagzeiten ein
„hymnus eiusdem horae" bzw. ein „Ambrosianus" zu beten
sei, nur das Schema eines einzelnen Tages im Auge hatte
und dann unterließ, die Abwechslung in den Hymnen an den
verschiedenen Wochentagen eigens anzumerken, oder ob er
für alle Tage die Hymnen als gleichbleibend dachte. Betreffs
des ersteren Punktes erschien es als wahrscheinlich, daß
„Ambrosianus" bei Benedikt einen „Hymnus des hl. Ambrosius"
bedeute ; und dementsprechend gestaltet sich aus den Nummern
4, 7, 13, 14, 15, 16, 17 und 21 das Verzeichnis der Hymnen
im Cursus für das Pensum zunächst eines Tages ( vergl. S. 81). —
Betreifs des zweiten Punktes ist es schwieriger, eine auf
Wahrscheinlichkeit beruhende Antwort geben zu können;
aber vermuten möchte mau, daß in der Nocturn und der
Vesper, besonders aber in der Matutin (Landes) in ähnlicher
Weise in den Hymnen abgeivechseU wurde, wie es nach den
Verordnungen der beiden Arelatenser Bischöfe der Fall war. —
Trifft letztere Vermutung für den Cursus Benedikts noch
nicht zu, so bekundet jedenfalls das Hymnar im Cod. Vatican.
Regin. 11, daß der anfangs eventuell noch dürftige Hymnen-
bestaud in der Liturgie bald durch Hymnen, die der Ab-
wechslung dienten , sich reicher entfaltete und zwar durch
solche , wie sie unser Verzeichnis aufweist. — Falls nach
Benedikt auch an Weihnachten ^ Epiphanie \m([ ■ Ostern ein
besonderer Hymnus zu beten war, so kommen zweifelsohne
die unter Nr. 23, 24 und 28 genannten in Betracht; es gilt
dann für sie wieder buchstäblich genau seine Bezeichnung
„Ambrosianus" = „Hymnus s. Ambrosii."
d) Alle Hymnen dieses Verzeichnisses verschwinden aus
der Liturgie mit dem 9. Jahrhundert, ausgenommen nur jene
des hl. Ambrosius und diejenigen drei, deren noch etwas
weiter reichendes Fortleben in einzelnen Kirchen auf S. 7")
104
VII. Kapitel.
uäher bescliriebeu ist. Em einziger hat sich, allerdings als
Torso und in Aerändertem Gewände, bis in unser jetziges
Römisches Brevier erhalten, nämlich ,.Rex aeterne Domine'',
dessen moderner Anfang lautet „Bex sempiterne caelitmn''.
e) Der Hymneuzyklus zu den Mahdini (Laudes). Nr. 6
bis 12, ist höchst wahrscheinlich das Werk eines und desselben
Dichters; nur ist selbstredend auszunehmen der Hymnus
,,Splendor paternac gloriae (Nr. 7), der vom hl. Ambrosius
stammt und allem Anschein nach die Vorlage für diese
Morgenhymnen bildete, und der vielleicht, wenn man nicht
sagen will wahrscheinlich, den zu diesem gleichen Zyklus
gehörenden Älorgenhymnus „Lucis largitor splendide"" nicht
in die Liturgie eindringen ließ: sicher ist letzterer nicht vom
hl. Hilarius. — Der genannte Zyklus bestand schon zu der
Zeit des hl. Caesarius von Arles, stammt also wohl aus dem
5. Jahrhundert.
II. Ein ganz anderes Verzeichnis der liturgisch ver-
werdeten Hymnen liefern die alten Handschriften irischer
Provenienz :
Äd Nodurnos:
1. Primo dierum omnium.
2. Sonmo refectis artubus.
3. Consors paterni luminis.
4. Eerivm creator optime.
5. Nox atra rerum contegit.
6. Tu trinitatis vinitas.
7. Summae Deus clementiae.
Ad Matutüios :
8. Aeterne rerum conditor.
9. Splendor paternae gloriae.
10. Ales diei nuntius.
11. Nox et tenebrae et nubila.
12. Lux ecce surgit aurea.
18. Aeterna caeH gloria.
14. Aurora iam spargit polum.
Ad Farvas horas:
15. Iam lucis orto sidere.
16. Nunc sancte nobis spiritus.
17. Rector potens verax Deus.
18 Rerum Deus tenax vigor.
Ad Vesperas :
19. Lucis creator optime.
20. Immense caeli conditor.
21. Telliiris ingens conditor.
22. Caeli Deus sanctissime.
23. Magnae Deus potentiae.
24. Plasmator hominis Deus.
25. J Bens creator omnium.
26. I 0 lux beata trinitas.
Ad Completoriwn :
27. Cbriste qui lux es et dies.
28. Te lucis ante terminum.
In Paschrde:
29. Ad cenam agni providi.
30. Aurora lucis rutilat.
31. Iam surgit bora tertia.
De Communi Sandorum :
32. Martyr Dei qui unicum.
83. Rex gloriose martyrum.
34. Aeterna Christi niunera.
Die bisher geltende Ansiclit u. d. nunmelir gewonnenen Resultate. 105
35. Sanctorum meritis. 37. Virginis proles.
36. lesu Corona vii-ginum. 38. Summe confessor.
Betreffs dieser Liste ergaben sich nachstellende Resultate :
a) Der Ursjjnmg jener Hymnen , die von Amhrosius
(Nr. 8, 9, 25, 31 und 34; äiibii sind Nr. 16, 17, 18 und 36)
oder Prudentius (Nr. 10, 11, 12) gedichtet sind, liegt natür-
lich im 4. oder 5. Jahrhundert. Auch der Hymnus 27, der
ein Gemeingut ist mit der Hymuenliste I, ist als dem 5. Jahr-
hundert entstammend bereits erwiesen. — Alle anderen
Hymnen lassen sich direJct nicht vor das 9. Jahrhundert
datieren, wenngleich sie teilweise schon im 8. oder gar 7. Jahr-
hundert entstanden sein mögen. Sicher kann der Zyklus der
Vesperhymnen erst aus jener Zeit herrühren, als die Vesper
ein Tagofficium geworden war ; und die Hymnen de Communi
Sanctorum dürften kaum vor dem 8. Jahrhundert gedichtet
sein, abgesehen natürlich vom Hymnus des hl. Ambrosius.
Der Hymnus „Sanctorum meritis'' (Nr. 35) ist überdies als
eine Dichtung des Rabanus Maurus (f 856) ziemlich sieher
erwiesen. Das Gros dieser Hymuenliste II ist also jünger
als die Hymnen der Liste I.
Für die liturgische Verwendung gilt das in noch höherem
Maße. Die Dichtungen des Prudenthis sind wohl sehr alt,
aber die Heraushebung von Centos aus denselben für litur-
gische Zu-eche ist nur durch Quellen des angehenden 9. Jahr-
hunderts erweisbar.
b) Mit den Hymnen des Cursus s. Benedicti und der
aJthenedil-tini sehen Hymnare haben diese Hymnen bis auf die
Dichtungen des hl. Ambrosius und den Complethymnus „Christe
qui lux es et dies" sowie den zwei Osterhymnen (Nr, 29 und
30) nichts gemeinsam. Sie bilden einen stceiten, gesondert sich
entivicMnden Stamm, der laut Provenienz der Quellen seine
Wurzeln w^ahrscheinlich im irisch- anglo- sächsischen Gebiete hat.
c) Alle diese Hymnen, mit Ausuahme des einen „Summe
confessor"- (Nr. 38), der vielleicht mozarabischen Ursprunges
ist, und des Ambrosius-Hymnus „lam surgit hora tertia", der
wahrscheinlich nur zufällig in die Liste gedrungen ist, haben
sich bis zur Stunde gleichmäßig im Hämischen Breviere er-
halten.
3. Außer diesen Hauptresultaten beanspruchen einige
106 ^^^T. Kapitel.
Ergebnisse, welche uneere Untersuchung nebenbei ergab, ein ge-
wisses Interesse. Zwei derselben seien besonders hervorgehoben :
a) Die Beziehung des Hymnars im Cod. Carolsruhan.
Äufj. CXCV zu jenem im Cod. Pcmhmus 25. 2. 31 (olmi Blas,
memh. 86). Ersteres ist Fortsetzung des letzteren.
b) Das Fehlen der dem hl. Ambrosius als „dubii" zu-
geschriebenen Hymnen zur Terz, Sext und Non in der älteren
liturgischen Hymnengruppe I (vgl. S. Ol f.).
4. Den Abschluß möge der Hinweis auf das Problem
bilden, vor d;is die gewonnenen Ergebnisse uns stellen: Warn,
u-o und ivodurch gewannen die Hymnen der IL Gruppe jene
allgemeine Vorherrschaft, vor der die älteren der I. Gruppe
vollständig weichen mußten? Die Antwort auf diese höchst
interessante Frage fällt außerhalb des Rahmens dieser Studie,
und mit Bestimmtheit kann ich sie auch zur Stunde noch
nicht geben. Nur kurz hinweisen möchte ich auf die Um-
änderungen im Ofticium, die bekanntlich Älcuin, Amalar und
Helisaclmr anbahnten und zur Einführung brachten, Um-
änderungen , die während der Herrschafft der Karolinger,
vielleicht zur Zeit Karls des Kahlen (875—77), auch in Born
Annahme fanden. Im Breviere Roms, speziell im Breviere
des Weltklerus, fehlten lange die Hymnen; dort also
brauchte keine ältere, schon eingebürgerte Hymnengruppe
verdrängt zu werden. Die Einführung der relativ jüngeren,
sichtlich aus dem Norden vordringenden, ging also leicht.
Fiel sie nicht vielleicht, von manchen Umständen be-
günstigt, gerade in diese Zeit? Dann ließe sich zu-
gleich die große Streitfrage, ivann Born die Hymnen ins
Brevier (auch des Weltklerus) aufnahm, durch den vorläufig
noch sehr problematischen Satz lösen : Als Rom während der
Karolingerherrschaft (imLawie des9. Jahrhunderts) neben anderen
Änderungen im Officium auch die liturgische Verwendung
von Hymnen im Breviere akzeptierte, wurden jene vom Norden
her vordringenden Hymnen aufgenommen, welche die älteren
Hymnen des Benediktinerhymnars verdrängten, so daß von da
an überall und gleichbleibend diese Hymnen den Grundstock
jedes Hymnars bilden, wie sie auch jetzt noch im Römischen
Breviere ausnahmslos sich vorfinden.
Anhang.
Text der „Hymni communes de tempore"
in der 1. Periode der liturgischen Hymnodie mit
Ausschlufs der Hymnen des hl. Ambrosius.
1. Die Dominica ad Ifocturuas.
1. Mediae noctis tempus est;
Prophetica vox admonet,
Dicamus laudes ut Deo
Patri semper ac filio
2. Sancto quoque spiritui.
Perfecta enim trinitas
Uniusque substantiae
Laudanda nobis semper est.
3. Terrorem tempus hoc habet,
Quo, cum vastator angelus
Aegypto mortem intulit,
Delevit primogeuita.
4. Haec iustis hora salus est
Et, quos idera tunc angelus
Ausus punire non erat
Signum formidans sanguinis.
5. Aegyptus flebat fortiter
Tantorum dira funera,
Solus gaudebat Israel
Agni protectus sanguine.
6. Nos vero Israel sumus,
Laetamur in te, Domine,
Hostem spernentes et malum
Christi defensi sanguine.
7. Ipsum profecto tempus est.
Quo voce evangelica
Venturus sponsus creditur,
Regni caelestis conditor.
8. Occurrunt sanctae virgines
Obviam tunc adventui
Gestantes ciaras lampadas
Magno laetantes gaudio ;
9. Stultae vero remanent, quae
Extinctas habent lampadas,
Frustra pulsantes ianuam
Clausa iam regni regia.
10. Quare vigilemus sobrie
Gestantes mentes splendidas
Advenienti ut lesu
Digni curramus obviam,
11. Noctisque mediae tempore
Paulus quoque et Sileas
Christum vincti in carcere
CoUaudantes soluti sunt.
12. Nobis hie mundus carcer est ;
Te laudamus, Christe Dens,
Solve vincla peccatorura
In te, sancte, credentiura.
13. Dignos nos fac, rex hagle,
Futuri regni gloria,
Aeternis ut mereamur
Te laudibus concinere.
14. Gloria patri ingenito,
Gloria unigenito
Simul cum sancto spiritu
In sempiterna saecula.
110 Anhang.
Antiphon, ms. Benchoriense anni 680 — 691. Cod. Ambrosian, C 5 inf.
A. — Psalt. et Hymn. ms. incert. origin. saec. ^/g. Cod. Vatican. Regin. 11.
B. — Collect, et Ilymn. ms. Murbacense (? Augiense) saec. (8. et) 9. Cod.
Oxonien. ßodl. lun. -25. C. — Psalt. et Hymn. ms. Khenoviense saec. 9. Cod.
Turicen. Rhen. 34. D. — Hymn. ms. Severinianum saec. '**/ii. Cod. Vatican.
7172. E. — Hymn. ms. Severinianum saec. i"/ii. Cod. Parisin. 1902. F. —
Hymn. ms. Farfense saec. ^^/ii. Cod. Turicen. Rhen. 91. G. — Brev. ras.
Farfense saec. 11. Cod. Turicen. Rhen. 82. H.
1 , 1 noctis tempore (ohne est) CD. — 1,3 laudes Domino BCD. —
1, 4 ac hinzukorrigiert B. — 2, 3 Unius quoque B. — 3, 1 Terrorum BGH.
— 3, 2 Quocumque D, Quod cum EF ; vastatur AD. — 3, 3 mortes CD^EF.
— 3, 4 Delet C^. — 4, 1 Haec hora iustis BCD. — 4, 2 Quos ibidem BCD,
In quo H, In qua EFG; hisdem (st. idem) H. — 4, 3 ponire D^ puniri GH.
— 5,1 Haegyptum H. — 5, 2 Natorura CDEFGH; aber „Na" in D über
Rasur, also ursprünglich in D wohl ebenfalls „Tantorum" ; diro funere A.
— 6,1 verus B. — 6, 2 Laetemur BCDEFGH- (cfr. 12, 2 laudamus). —
6 , 3 Hostes spernentes iramanes EFG , Hostem sp. immanem H. — 6 , 4
Christi redempti ß. — 1 , 3 creditor G. — 8, 1 Occurrent EF; virginis G.
— 8, 2 Obvia H. — 8, 3 clara G; lampades AGH^. — 9, 1 At stultae EF
GH; zwischen „vero" u. „remanent" über der Zeile „quae" B. — 9, 1 sq. remanent
quiastinctas B. — 9, 2 lampades AGH^. — 9, 3 ianuas AB^G. — 9, 4
("lausae A. — 10, 1 Pervigilemus CD; sobrii A. — 10, 2 mentes fehlt,
dafür nach „splendidas" nachgetragen: „manu" B. — 10, 3 Adventui A,
Adveniente BG, Advenientes D^ — 10, 4 Digne A, Digni über der Linie
D; occurramus BCD. — 11, 1 Mediae noctis korr. aus Media nocte B;
medio A. — 11, 2 Sylas G, Silas H. — 12, 1 mimdus hie A; carcerem (est
fehlt) H^ — 12, 3 vincula CDEFG, vinclia H. — 12, 4 Christe (st. sancte)
BCDEF. — 13, 1 „nos" über der Linie D. — 13, 2 Venturi BCDEFGH;
gloriae AD'GH (vielleicht das Ursprüngliche). — 13, 3 Aeternas EFGH. —
13, 4 Tibi laudes EFGH. — Str. 14 fehlt BCDEF; das torhandensein
der Doxologie in der sehr alten Quelle A ist interessant. — 14, 3 Una
cum GH.
Titel in A: ,.Hymnus mediae noctis"; in B: „Hymnus ad Nocturn"; in
CD: „Hymn. ad Noct. dominicis diebus"; in EFH: „In Quadragesima ad
Nocturn." — Caesarius von Arles (f 542) zitiert den'Hymnus mit den Worten:
„alia nocte ad primum nocturnum dicendum est Mediae noctis teinpu^ est^^.
Man beachte, dafs dieses Zitat sowie die ältesten Codices A u. B die Les-
art „Mediae noctis tempus est^' (st. tempore) als die ursprüngliche be-
zeugen.
Aus mosarabischen Quellen teilte ich vorstehenden Hymnus unter dem
Incipit „Mediae noctis temjiore^' mit (Anal. Hymn. XXVII, 115); man vgl.
indessen oben S. 82.
Daniel (IV, 28) weist hin auf die interessante Stelle beim hl. Amhrosius
in Psalm. 118, wo es heifst: „Docet te proplieta, quomodo teneas
Dominum lesum. Media nocte, inquit, surgebam etc. . .; temjius
est poenae, quod ex lectione divina possumus edoceri. Non enim otiose
Dominus Dens noster, cum posset quocumque momento primitiva
Aegyptiorum. extinguere, hoc tamen tempus dolori et luctui peccatoris op-
portunius iudicavit . . . Non otiose Paulus apostolus et Silas trusi in
carcerem, cum in nervo pedes haberent, media tamen nocte surgebant mentis
vestigio . . . .; subito 'media nocte terrae motus factus est grandis, ita ut
omnium vincula soluta sint. Surgendum igitur nobis est. Solet sponsus
media nocte venire; cave, ne te dormientem inveniat; cave, ne facem tuam
non queas somnolentus accendere." Die gleichen Beispiele und Gedanken
linden sich in unserem Hymnus wieder. Wäre nicht aus anderen Gründen
der hl. Amhrosius als Auetor ausgeschlossen, so könnte man allerdings in
ihm den Verfasser vermuten. Wohl aber dürfte der Dichter dieses Hymnus
die erwähnte Stelle beim hl. Amhrosius im Auge gehabt haben.
Hymni de tempore communes i. d. 1. Periode d. liturg. Hymnodie. Hl
2. Die Doiniuica ad Nocturnas.
1. Rex aeterne, üomine,
Reruin creator omnium,
Qui eras ante saecula
Seinper cum patre filius,
2. Qui mundi in primordio
Adam plasmasti hominem,
Cui tuao imaginis
Vultum dedisti similem ;
3. Quem diabolus deceperat,
Hostis huniani generis;
Cuius tu formam corporis
Assumere diguatus es,
4. Ut hominem redimeres,
Quem ante iam plasmaveras,
Et nos Deo coniungeres
Per carnis contuberuiura.
9, Tu hostis antiqui vires
Per crucem mortis conterens,
Qua nos signati frontibus
Vexillum fidei ferimus.
10. Tu illum a nobis semper
Repellere dignaveris,
Ne unquam possit laedere
Redemptos tuo sanguine.
11. Qui propter nos ad inferos
Descendere dignatus es,
Ut mortis dcbitoribus
Yitae donares munera.
12. Tibi nocturno tempore
Hymnum deflentes canimus :
Ignosce nobis, Domine,
Ignosce conütentibus,
Quem editum ex virgine
Pavescit omnis anima,
Per quem nos resurgere
Devota mente credimus ;
Qui nobis per baptismum
Donasti indulgentiam,
Qui tenebamur vinculis
Ligati conscientiae;
13. Quia tu testis et iudex es,
Quem nemo potest fallere,
Secreta conscientiae
Nostrae videns vestigia.
14. Tu nostrorum pectorum
Solus investigator es,
Tu vulnerum latentium
Bonus assistis medicus.
7. Qui crucem propter liominem
Suscipere dignatus es,
Dedisti tuum sanguinem
Nostrae salutis pretium.
8. Nam velum templi scissum est
Et omnis terra tremuit.
Tu multos dormientium
Resuscitasti, Domiue.
15. Tu es, qui certo tempore
Datums finem saeculi,
Tu cunctorum meritis
lustus remunerator es.
16. Te ergo, sancte, quaesumus,
Ut nostra eures vulnera,
Qui es cum patre, tilius,
Semper cum sancto spiritu.
17. Gloria tibi, pater,
Gloria unigenito
Una cum sancto spiritu
In sempiterna saecula.
112 Anhang.
Psalt. et Collect, ms. S. Augustini Cantuai'iensis saec. ''/s. Cod. Londinen.
Vesp. A I. A, — Collectan. ms. Sanjrallense saec. 8. Cod. Sangallen. 2. B.
— Hymn. ms. Murbacense (V Augieusc) saec. (8. et) 9. Cod. Oxonien. liodl.
lun. 25. C. — Hymn. ms. Wintonien.se saec. 11. Cod. Capit. Dunelmen.
B III 82. D.
Trop. ms. Martialense anni 933 — 36. Cod. Parisin. 1240. add. saec. 10.
E. — Hymn. ms. Moissiacense saec. 10. Cod. Rossian. YIII 144. F. —
Brev. ms. Strumense saec. 11. ex. Cod. Laurentian. Conv. suppr. 524. G. —
Grad, et Antiphon, ms. Nivernense saec. 12. Cod. Parisin. Nouv. acq. 1235.
H. — Brev. ms. Benedictinum (Italiae septentrion. aat Galliae meridion.)
saec. 10. ex. Cod. privat. (Hiersemann). I. — Hymn. ms. Veronense saec.
'"/ii. Cod. Capit Veronen. CIX (102). K. — Hymn. ms. Severinianum saec.
'o/n. Cod. Vatican. 7172. L. — Brev. ms. Montis Amiatini saec. '°/ii.
Cod. Casanaten. 1907 (B II 1). M. — Brev. ms. Benedictinum saec. 11.
Cod. Vallicellan. B 79. N. — Hymn. ms. Bobiense saec. 11. Cod. Vatican.
5776. O. — Brev. ms. Farfense saec. 11. Cod. Turicen. Ehen. 82. P. —
Collect, ms. S. Martini Trevirensis saec. (9. et) 10. Cod. Treviren. 1245
(1418). Q.
Ferner in Brev. ms. lotrense saec. 13. Cod. Parisin. 750. — Brev. ms.
Sollemniacense saec. 13. Cod. Londinen. Harl. 2928.
1, 1 „O rex" ist eine Korrektur Daniels, um gleichmäfsigen Rhythmus
für alle Verse zu erzielen; man vergleiche jedoch 5, 3; 6, 1 ; 14, 1; 15, 3
u. 17, 1, in denen ebenfalls Taktwechsel resp. eine fehlende Silbe, umgekehrt
3, 1; 9, 4 u. 13, 1, in denen eine überschüssige Silbe den gleichmäfsigen
Rhythmus unterbricht. In den ältesten Hymnen ist dieses keine seltene
Erscheinung. — Sievers (Murbacher Hymnen, S. 52) bemerkt: „O rex die
übrigen Hss." ; das Gegenteil ist der Fall. — 1,2 creatur B. — 1, 3 Qui
es ante CE-OQ; ante fehlt B. — 2, 2 plamasti I. — • 2, 3 Cuius tu
imagine B; tu imagine korrig. von 2. Hand zu tuae imaginis C; Cui
ei imagini K; imagini DEFIN. — 3, 1 diabülus, das o von 2. Hand, A;
diahulus C; von 2. Hand am Rande in P: satanas; deciperat BC. —
3, 2 Hosti B ; humano generi CN. — 3, 3 Cui Q. — Zwischen 3, 2 u. 3, 3
fügen B u. D. ein:
Per pomuni ligni vetiti
Mortis propinans poculum ;
Quique clausus in tenebris
Gemebat in suppliciis.
Dabei differieren B u. D in folgendem : 1 pomi B; 3 Quem clausuni B, Qui
clausis D; 4 Gementem B. — 4, 1 redemeris AB, redemeres C — 4, 3
coniungeris B. — 4, 4 carnes contupernium B. — 5, 2 Paviscet omnes B;
anima fehlt Q. — 5, 3 quem et nos DNP; cfr. Note zu 1, 1. — 6, 1 baptis-
mata DP-; cfr. Note zu 1, 1. — 6, 4 Legati B; conscientia ABQ.
Mit Strophe 7 schliefsen die Hss. E — Q, indem sie noch die Osterstrophe :
Quaesumus, auctor omnium, | In hoc paschali gaudio
Ab omni mortis impetu | Tuum defende populum.
und die Osterdoxologie: „Gloria tibi. Domine, ! Qui surrexisti a mortuis etc."
anhängen ; u. zwar bieten von ersterer Strophe I u. P nur den ersten Vers,
von der Doxologie fast alle Quellen nur zwei bis fünf Anfangsworte.
7, 2 es fehlt B. — 7, 4 salutes B. — 8, 1 Nam et vellum templi scisum
B. — 8, 2 omnes B. — 8, 3 Tu multorum B; Tunc multis C. — 8, 4
Resuscetasti Corpora B. — 9, 1 viris B. — 9, 2 crucis morte B; conteris
BCD. — 10, 1 illum nobis, alsdann zwischen beiden „a" über der Zeile
eingetragen C. — 10, 2 dignaberis D. — 11, 2 Discendere BC. — 11, 3
mortem B. — 11, 4 donaris AC. — 12 . 1 Tibi matutino tempore A. —
13, 1 tu ipse tcstis BC; es fehlt C. — 13, 3 consciencia B. — 13, 4 vides
D. — 14, 1 peccatorum B. — 14, 2 investigatus B. — 14, 4 assiste, alsdann
Hymni de tempore communes i. d. 1. Periode d. liturg. Hymnodie. 113
„ns" über der Zeile eingetragen C, adsistes B. — 15, 4 remuneratus B. —
Doxologie fehlt C; nur der Anfang in B; dieselbe lautet in D:
Gloria sit tibi, trinitas, | Aequalis una deitas
Ante omnia saecula | Et nunc et in perpetuum.
Vor der Doxologie finden sich in B die Verse :
Non sis oblitus pauperum, | Exaudi preces supplicura
In mundo tribulantium.
Caesarius u. Atirelianus von Arles verordnen, diesen Hymnus „ad primos
noc'turnos" zu beten; ersterer gibt aufserdem an, dafs „alia 7iocte^^ mit dem
Hymnus „Mediae noctis teiiqms est" (vorige Nizmraer) abzuwechseln sei. —
Offenbar hatte er diese längere ursprüngliche Form vor Augen. Erst später,
etwa gegen Beginn des 10. Jahrb., kürzte man den Hymnus und verwendete
ihn für Ostern, wofür er eigentlich nicht pafst; er enthält nichts, was speziell
das Geheimnis der Auferstehung berührt, umfafst vielmehr das ganze Er-
lösungswerk Jesu Christi.
In der Quelle O ist der gekürzte Hymnus (Str. 1 — 7j in zwei Teile zer-
legt: Str. 1—4+ „Quaesumus auctor omnium" etc. für die Oster-Nocturn ;
Str. 5 — 7 (mit dem gleichen Abschlufs) für die No}t am Ostertage; ebendort
ist der Osterhymnus „Aurora lucis riitüat" in mehrere Stücke für die Landes
und die Sext zerstückelt. Auf diese Weise ist der Hymnenanfang „Quem
editum ex virqine"' (Str. 5 sqq.) in die Hymnologie eingedrungen.
Im jetzigen Breviarium Romanum ist unser Hymnus in der kürzeren
Fassung beibehalten worden mit den Änderungen der „Korrektoren" : Rex
sempiterne caelitum ] ßerum creator omnium | Aequalis ante saecula | Semper
parenti filius etc. In gleicher Weise ist in den übrigen Strophen der Original-
text geändert worden.
Die Kollation von A verdanke ich dem Herrn A. T. Herbert, Kustos
im Departement der Hss. im Britischen Museum , jene von B dem Stifts-
archivar Jos. Müller in St. Gallen.
3. Ad Nocturiias.
1. Tempus noctis surgentibus, 3. Oremus Deo iugiter,
Laudes Deo dicentibus Vincamus in bono raalum,
Christo lesuque Domino Cum fructu paenitentiae '
In tiinitatis gloria, Votum perenni reddere,
2. Choro sanctorum psallimus, 4. Ciiristum rogemus et patrem
Cervices nostras flectimus Sanctum patrisque spirituni,
Vel gcnua prosternimus Ut det nobis auxilium,
Peccata contitentibus. Vincamus liostem invidum.
Collect, ms. Murbacense (Augiense?) saec. (8. et) 9. Cod. Oxonien. Bodl.
lunius 25. A. — Collect, ms. Corbeiense saec. 9. Cod. Parisin. 14088. B.
— 1,2 Laudis B. — 1 , 8 Christi B. — 2, 1 Chorus A. — 8, 2 in boni.s
B. — 8, 4 Vota B. — A hat keine Überschrift; B: „Ad Noctur." — In 1, 1
ist „Tempus noctis" wohl als sogen. Accusativ. temporis zu interpretieren
„surgentibus" (ebendort) wie auch „dicentibus" u. „confitentibus" (1 , 2 u.
2, 4) als Ablativi al)soluti sind in der alten Hymnodie nichts Ungewöhnliches,
während imser Sprachgefühl den Nominativ fordert.
Blume, Carsus Beuedicti und liturgisclie Hymnen. 8
114
Anhang.
4. Hymnus Xocturnus.
1. Magna et mirabilia opera tua sunt, Domine, Deas omnipotens.
2. lustae et verae sunt viae tuae, Doniine, rex gentium.
3. Quis non timebit et raagnificabit nonien tuumV
4. Quoniani tu solus sanctus et pius ;
5. Et omnes gentes venient et adorabunt nomen tuum sub oculis tuis,
6. Quoniam iustitiae tuae manifestatae sunt.
Psalt. et Hymn. ms. iucert. orig. saec. ^/9. Cod. Vatican. Eegin. 11. —
6 manifestati. — Der Hymnus ist ohne Rhythmus und Reim. Aber, da ihn
die alte Quelle als „Hymnus noeturnus" ausdrücklich bezeichnet und ihn
sowohl Caesarius als Aurelianus von Arles unter den Hymnen zitieren, u.
zw. als solchen, der .,a secundo nocturno" zu beten sei, schien es billig, auch
diesem alten Hymnus trotz der ungebundenen Form hier einen Platz anzu-
weisen.
5. Die Dominica ad Matutinas Landes.
1. Deus, qui caeli lumen es
Scitorque lucis, qui polum
Paterno fultuni brachio
Praeclara pandis dextera;
2. Aurora Stellas iam tegit
Rubrum sustollens gurgitem,
Humectis namque flatibus
Terram baptizans roribus.
Te nunc, salvator, quaesumus
Tibique genu flectirnus,
Patrem cum sancto spiritu
Totis roganius vocibus :
Pater, qui caelos contines,
Cantemus nunc nomen 'uom,
Adveniat regnum tuum
Fiatque voluntas tua;
3. Currus iam poscit Phosforus
Radiis rotisque flammeis,
C^iuod caeli scandens verticem
Profectus moram nesciens.
Haec, inquam, voluntas tua
Nobis ap;enda traditur :
Simus tideles spiritu
Casto raaneutes corpore.
•i. Iam noctis umbra linquitur,
Polum caligo deserit,
Typusque Christi, lucifer,
Diem sopituni suscitans.
Panem nostrum cottidie
De te edendum tribue;
Remitte nobis debita,
Ut nos nostris remittimus.
5. Dies dierum. aius, es,
Lucisque lumen ipse es,
Unnm polens per omnia,
Polens in unum trinitas.
10. Tentatione subdola
Induci nos ne siveris,
Sed puro corde supplices
Tu nos a raalo libera.
Collect, et Hymn. ms. Murbacense (? Augiense) saec. (8. et) 9. Cod.
Oxonien. Bodl. Tun. 25. A. — Collect, et Hymn. ms. Corbeiense saec. 9.
Cod. Parisin. 14088. B. — Psalt. et Hymn. ms. Rhenoviense saec. 9. Cod.
Turicen. Rhen. 34. C. — 1, 1 Deus qui certe lumen est 1>. — 1, 3 phultus
Hymni de tempore communes i. d. 1. Periode d. liturg. HA^mnodi. 115
brachio B. — • 2, 1 Auroram B ; teget B. — 2, 2 substoUens B. — 2, 4 Terra
B. — 3, 1 bosforos B. — 3, 2 flammais B. — 3, 3 caelis candens, vom
Glossator korrigiert in ..scandens" A; scadens vertice B. — 3, 4 moris
nesciens B. — 4, 1 linquetur B. — 4, 2 Populum B. ^ — 6, 1 salvatur B. —
6, 2 ienu flectimus B. — 7,1 caelum B; contenis AB. — 7, 4 J^iat B. —
8, 3 Sumus fidelis ß. — 8, 4 manenstes B. — 9, 4 remittemus B. — 10, 1
Temptatio B. — 10, 2 sineris AB.
Überschrift fehlt in A; in B : „In dorn. In matutin." — In C sind leider
nur Bruchstücke erhalten, nämlich von 4, 2: deserit und 4, 3 Typusque
Christi lucifer. — Zu „aius" == «ytor cfr. Anal. Hymn. XLVII, Nr. 140,
Str. 3c, 3 und die Bemerkung K. Weymans in Lit. Kundsch. 1906, Nr. 10,
Sp. 441 , Z. 23 flf. — Daniel vermutet bei Str. 7 den Anfang eines neuen
Hymnus, zumal Str. 6 eine Art Doxologie ist. Die Vermutung ist un-
begründet. Der Dichter will hier das „Pater •iioster" als Morgengebet
einfügen, gerade wie er in den Hymnus „Christe caeli Doiidne^ Teile des
^Te Deum"' verwebt (siehe Nr. 10). Um zu Gott Vater überzuleiten, an den
das „Pater noster" gerichtet ist, beginnt Str. 6 mit Christo: „Te, salvator,
quaesumus" etc. und schliefst mit Gott dem Vater: „Patrem . . . rogamus."
Zu .5, 1 u. 2 vergleiche man „Splendor ■paternae (jloriae" (Anal. Hymn.
L, 11) 1, 3 u. 4; ferner „Christe qui lux es et rf/es" (Nr. 22) 1 , 3 nebst
Varianten. — Zu 5, 3 vergleiche Detis aeterni luminis (Nr. 9) 3, 2 und
den Hvmnus des hl. Ambrosius „Deus creator omniiim"^ (An. Hymn. L, 13)
8, 3. '
6, Feria secunda ad Matutinas Landes.
1. Lucis largitor splendide,
Cuius sereno lumine
Post lapsa noctis tempora
Dies refusus pandilur,
Tuoque pleua spiritu
Secum Deum gestantia
Nil rapieutis perödi
Diris pateant fraudibus,
Tu verus mundi lucifer,
Non is, qui parvi sideris
Venturae lucis nuntius
Angusto fulget lumine,
6. Ut inter actus saeculi,
Yitae quos usus exigit,
Omni carentes criniiue
Tuis vivamus legibus.
3. Sed toto sole clarior,
Lux ipse totus et dies,
Interna nostri pectoris
lUuminans praecordia.
7. Probrosas raentis castitas
Carnis vincat libidines,
Sancturaque puri corporis
Delubrum servet spiritus.
4. Adesto, rerum conditor,
Paternae lucis gloria,
Cuius amota gratia
Nostra pavescunt corpora,
8. Haec spes precantis aniraae,
Haec sunt votiva munera,
üt matutina nobis sit
Lux in noctis custodiam.
Collect, ms. Cluniacense saec. 9 Cod. Parisin. Nouv. acq. 1455. add.
saec. 11. A. — Collect, ms. S. Lupi Trecensis saec. (10. et) 11. Cod. Trecen.
1170. B. — Collect, ms. Gottwicense („S. Mariae in Kotwich") saec. 12.
Cod. Vindobonen. 684. C. — Collect, ms. Zwettlense saec. 12. Cod. Zwettlen.
8*
HG
Anhang.
■'3. D. — Collect, ms. Alrisjiacense saec. 12. Clm. Monacen. 2555. E- — •
Opera m.s. S. Hilarii („S. Michaelis in Weihensteucm") .saec. 12. Clm.
Monacen. 21 528. F. — Passion, m.s. iS. Laurentii Leodiensis saec. 12.
Cod. Bruxellen. 9290. G. — Pass. ms. S. Petri de Cultura .saec. 12.
Cod. Cenomanen. 214. H. — Collect, ms. incert. origin. saec. 14. ex. Cod.
Vatican. Ottob. 757. I. — Brev. ms. S. Trinitatis Pictaviensis saec. 15.
Cod. Semiu. Pictavien. s. n. K. — Brev. ms. Curiense saec. 15. Cod.
Archivii Saugallen. Fabar. IX. L. — GKL nicht kollationiert.
1, 1 largitor optima CDEF. — 1, 2 Cuius sermonis lumiue A (aber korr.
in „sereno") CDEF. — 1, 8 lapsa mortis I. — 1, 4 refulsus F. — 2, 2 qui
par insideris(I) F. — 2, 4 fulgens B. — 3,2 ipsa I; ipse et totus E. —
3, 3 Interni B. — 4, 3 admota BFI, amata E — 4, 4 patescunt B. — Nach
Str. 4 schiebt B ein:
Tuaque sancta dextera | Tuere nos per saecula,
Post huius vitae terminum | Vitae perennem tribue.
5, 1 Quoque plena CD. — 5, 3 Nihil ad repentis B. — 5, 4 Occultis pateant
B. — 6, 2 Omnes D. — 6, 4 vivamus laudibus D. — 7, 1 Probosas, korr.
Probrosas A. — 8, 2 sunt tua munera B. — 8, 3 sit fehlt B. — 8, 4 Duret
in nocte B ; custodia BCDI. — Als Doxologie folgt in AC — FI :
Gloria tibi, Domine | Gloria unigeuito
Cum spiritu paraclito | Nunc et per omne saeculum.
Überschrift in B: „Himnus sancti Hilarii episcopi." — In CDEFHI
folgt der Hymnus dem unechten Briefe, den Hilarius an seine Tochter
Abra (so CE u. I), oder Afra (so D), oder Affra (so F), oder Apra (so H)
geschrieben haben soll. — In K u. L ist der Hymnus für die Laudes am
Feste des hl. Hilarius verwendet, wohl ein Zeichen, dafs er damals als sein
Werk galt. — Wie der Brief, so ist auch der Hymnus nicht von Hilarius
verfafst (vgl. S. 84 ff.) — Bemerkt sei noch , dafs Angelo Mai den Cod.
Vatican. Ottob. 757 (unsere Quelle I) ins 9. Jahrh. setzte; fol. 141 sqq.,
welche die „Epistola sti. Hilarii", „Hymnus sti. Hilarii" u. „Vita sti. Hilarii''
enthalten, sind indessen von einer Hand des ausgehenden 14. Jahrh. ge-
schrieben. — Betreffs des ebenfalls dem hl. Hilarius zugeschriebenen „Abend-
hymnus" ; ^Ad caeli clara non sum dignus sidera" vergleiche Anal.
Hymn. L , p. 4 u. 148 sq. — Die Kollation von A verdanke ich der Güte
H. Omont's.
1. Feria tertia ad Matutinas Laudes.
1. Aeteme lucis conditor,
Lux ipse totus et dies
Noctera nee uUam sentiens
Natura lucis perpetim,
2. lara cedit pallens proximo
Diei nox adventui,
Obteiidens lumen sideruiii
Adest et clarus lucifer.
laeti surgimus
3. lam Strato
Grates caaentes et tuas,
Quod caecam noctem vicerit
Revectans rursus sol diem.
4. Te nunCj ne carnis gaudia
Blandis subrepant aestibus,
Dolis ne cedat saeculi
Mens nostra, sancte, quaesumus ;
5. Ira ne rixas provocet,
Gula ne ventrem incitet,
Opum pervertat ne famis,
Turpis ne luxus occupet,
6. Sed finna mente sobrii
Castü manentes corpore
Totum tideli spiritu
Christo ducamus hunc diem.
Hymni de tempore commuues i. d. 1. Periode d. liturg. Hymnodie. 117
Psalt. et Hymn. ms. incert. origin. saec. ^h. Cod. Vatican. Regln. 11.
A. — Collect, et Hymn. ms. Murbacense (? Augiense) saec. (8. et) 9. Cod.
Oxonien. Bodl. lun. 25. B. — Collect, et Hymn. ms. Corbeiense saec. 9.
Cod. Parisin. 14088. C. — Psalt. et Hymn. ms. Ehenoviense saec. 9. Cod.
Turicen. Ehen. 34. D. — 1, 1 conditur C. — 1, 4 Naturalis (st. Natura lucis)
C; perpeti C, perpete B. — 2, 1 cedit A, cedet B; pollens A. — 2, 3 Ob-
tundens BC. — 8, 1 strati C. — 3, 2 Gratis C; tuos B. — 3, 4 Revertat
A. — 4, 1 u. ebenso 4, 3 u. 5, 1 bis 4 stets „nee" st. .,ne" BC. — 4, 2
subrepat A. — 4,3 cedant B. — 5, 1 sq. Iram nee rixa, Gulam nee venter
B. — 5, 2 Golane A; Gula nee venter C. — 5, 3 Opus A, Opem C. — 5, 4
fluxus Ä. — 6, 1 firmaniento A; subrii B, subrii A. — 6, 2 manente C. —
6, 3 Toto AC; üdele B. — 6, 4 Christe A; dicamus C. — Zu 6, 3 sq. ver-
gleiche „Diei luce reddita" (Nr. 11) 10, 2 sqq..- „Totum clucamus iugiter |
Christo placentes hunc diem | Sancto repleti spiritu^^ — CoUation aus D
habe ich übersehen.
In Anal. Hymn. XXVH, 77 teilte ich diesen Hymnus als mozarabisch
mit. Mein jetziges Urteil ist, dafs nicht sein Ursprung, sondern nur sein
Gehrauch auch mozarabisch war, wofür das Brev. sec. regulam s. Isidori
imp. 1-502 Zeugnis ablegt. Die Lesarten aus letzterer Quelle sind dort ver-
merkt. Eine neue Revision des Textes in B, der damals aus Grimm ent-
nommen war, ermöglichte eine wesentlich bessere Gestaltung des Textes,
namentlich der Str. o. Die hier vorgelegte Textgestaltung nebst Varianten-
verzeichnis mögen als die einzig richtige angesehen werden. Das Gleiche
gilt für die 2 folgenden Hymnen.
Titel in A: „Item ad tertia feiüa dicendus" ; in C; „FerHI ad matutin." ;
ohne Titel in B.
8. Feria quarta ad Matntinas Laudes.
1. Fulgentis auctor aetheris, 3. Laudes sonare iam tuas
Qui lunam lumen noctibus, Dies relatus admonet,
Solem dieruTi cursibus Yultusque caeli blandior
Certo fundasti tramite. Nostra sereuat pectora.
2. Nox atra iam depellitur. 4. Vitemus omne lubricum,
Mundi nitor renascitur, Declinet prava Spiritus,
Novusque iam mentis vigor Yitam facta non inquinent,
Dulces in actus erigit. Linguam culpa non im^plicet;
5. Sed, sol diem dum conficit,
Fides profunda ferveat,
Spes ad promissa provocet,
Christo coniuugat Caritas.
Psalt. et Hymn. ms. incert. origin. saec. ^/g. Cod. Vatican. Eegin. 11.
A. — Collect, et Hymn ms. Murbacense (? Augiense) saec. (8. et) 9. Cod.
Oxonien. Bodl. lun. 25 B. — Collect, et Hymn. ras. Corbeiense saec. 9. Cod.
Parisin. 14088. C. — 1, 1 Fulgentes A; autur C. — 1, 3 Solem diei C. — 2, 4
Dulcis in actis (darüber o) C; eregit ABC, aber in A korr. erigit. —3,1
Laudis C. — 4, 1 Vitemus ergo C. — 4, 2 Declinent A. — 4, 3 factam C.
— 4, 4 Lingua culpam AC; implicent C. — 5, 1 confecit C. — 5, 3 promissa
ad provocet C. — Als Anfang einer Doxologie in A; „Gloria Deo patri."
Vergleiche die Note zum vorhergehenden Hymnus u. Anal. Hymn. XXVH,
69. — Titel in A: „Item himnus quarta feria 'dicendus ;" in C: „Fer. IV. ad
matutin." — Caesarius von Arles zitiert diesen Hymnus als „ad primam."
118
Anhang.
U. Feria qninta ad Matutinas Landes.
4
1. Den«, aeterni luininis
Cantlor inenarrabilis,
Venturus diei iudex,
Qui mentis occulta vides,
2. Tu regnum caeloium tenes
Et totus in verbo tu es,
Per filium cuncta regis,
Sancto spiritui fons es.
3. Trinum nomen, alta fides,
Unum per omnia potens,
Mirumque per Signum crucis
Tu rector immense lucis.
Tu mundi constitutor es,
Tu septimo throno sedes
Iudex, ex alto humilis
Venisti pati pro nobis.
Tu sabaoth omnipotens.
Hosanna summi culminis,
Tibi laus est miral>ilis,
Tu rex primus, anastasis.
Tu fidei auditor es
Et humiles tu respicis,
Tibi altae sedis thronus,
Tibi divinus est honor.
7. Christo aeternoque Deo
Patri cum sancto spiritu
Vitae solvamus munera
A saeculis in saecula.
Psalt. et Hymn. ms. incert. origin. saec. ^/9. Cod. Vatican Eegin. 11.
A. — Collect, et Hymn. ms. Murbacense (? Augiense) saec. (8. et) 9. Cod.
Oxonien. Bodl. Zun. 25. B. — Collect, et Hymn. ms. Corbeiense saec. 9.
Cod. Parisin. 14088. C. — 1, 1 aeterne BC. — 2, 1 tenens C. — 2, 3 reges
A. — 2, 4 Sancti ABC: spiritus B, spiritu C. — 3, 1 alta vides A. — 3, 2
potes A; vergleiche „Deu>< qui caeli luinen es" (Nr. 5) 5, 3 u. „Deus
Creator omnium^'' (Anal. Hymn. L, p. 13) 8, 3. — 3, 3 per fehlt C. — 4, 1
constitor B. — 4, 2 Tu in septimo A; zu diesem merkwürdigen Ausdrucke
vergleiche die Fufsnote in Anal Hymn. XXYII, 70. — 4, 4 parti pro C. —
5, 4 prima A. — 6, 3 alta sedes A, alta sedis C. — 7, 1 Tibique B. —
7 , 3 solva munera C. — Vergleiche die Note zum Hymnus „Aeierne lucis
conditor" (Nr. 7) u. Anal. Hymn. XXYII, 70. — Titel' in A: „Item himnus
feria quinta dicendus;" in C: „Fer. V ad. mat."
10. Feria sexta ad Matutinas Landes.
1. Christe, caeli Domine,
Mundi salvator maxime,
Qui nos crucis munere
Mortis solvisti legibus.
2. Te nunc orantes poscimus,
Tua conserves munera,
Quae per legem catholicam
Cunctis donasti gentibus.
Tu verbum patris aeterni,
Ore divino editus,
Deus ex Deo subsistens,
Unigenitus filius.
Te universa creatura
Mundi fatetur Dominum,
lussu patris inchnata,
Tuis perfecta viribus.
Hymni de tempore communes i. d. 1. Periode d. liturg. Hymnodie. 119
5. Tibi omiies aiigeli 9. Hosianna, fili David,
Caelesteni praestant gloriam, Benedictus a patre,
Te Chorus archangelorum Qui in nomine Doraini
Divini s laudant vocibus. Venis de excelsis Dens.
6. Te multitudo seniorum, 10. Tu agnus imniaculatus,
Bis duodenus numerus Datus terrae victima,
Odoramentis plenas gestans Qui sanctorum vestimenta
Supplex adorant pateras. Tuo lavasti sanguine.
7. Tibi Cherubin et Seraphin, 11. Te multitmlo beatorum
Throni paterni luminis Caelo locata martyrum
Senis aharum plausibus Palmis, signis et coronis
Clamore iugi personant: Ducem sectantur gloriae.
8. Sanctus, Sanctus, Sanctus 12. Quorum nos addas numero,
Dominus, Deus Sabaoth, Te deprecamur, Domine;
Orane caelum atque terra Una voce te sonamus,
Tua sunt plena gloria. Unum laudamus carmine.
Psalt. et Hymn. ras. incert. origin. saec. ^/9. Cod. Vatican. Regin. 11.
A. — Collectan. ms. Murbacense (Augiense?) saec. (8. et) 9. Cod. Oxonien.
Bodl. Iiinius 25. B. — Collect, et Hymn. ms. Corbeieiise saec. 9. Cod.
Parisiii. 14 088. C. — • 1, 1 Nach „Christe" über der Zeile eingetragen „rex"
A. — -1,3 Nach „nos" ebenso über der Zeile eingetragen „hoc" A. — 1, 4
solvisti crimiue (st. legibus), „crimine" ist aber nachgetragen A. — 2, 1 Te
deprecantes poscimus (Nachträgliche Korrektur über der Linie statt „Te
orantes") A. — 2, 2 conservas C. — 3, 1 aeterne C. — 3, 2 editos A. —
3, 3 consistens A. — 4, 1 Tu C. — 4, 3 Tusso B. — 4, 4 perfectis B. —
5, 1 Nach „omnes" über der Zeile eingetragen „et" A. — 5, 4 laudibus
vocibus C. — 6, 1 seniorum multitudo A. — 6, 2 duadenus korrigiert ':u
duodenus B. — 6, 3 adoramentis A; gestaut ABC. — 6, 4 Zu adorant (st.
adorat) cfr. 11, 4 sectantur; patheras B. — 7, 1 Cherubyn, alsdann „yn"
durchstrichen A. — 7, 4 Clamori C. — 8, 3 caelo adque A. — 9, 1 Hosanna
C. — 9, 2 Nach „Benedictus" über der Zeile „es" eingetragen A. — 9, 3
nomine Dei AB. — 9, 4 Venisti ABC; excelsis Domine ABC. — 10, 2 Es
agnus; „Es" über der Zeile eingetragen A. — 11, 3 insignis es et coronis
(„es" nachgetragen über der Linie) A. — 12, 3 voce desonamus B; te
sonemus C. — 12, 4 Uno AC; lauderaus C. — In A hat sichtlich eine ver-
bessernde Hand die Unebenheiten in der Silbenzahl der Verse auszugleichen
gesucht, wozu die Flickworte nicht überall ausreichten. — Anlehnung an
den Text des „Te Deuui laudaimis" ist unverkennbar; man vergleiche den
Hymiais „Dens qiii caeJi Jnmen fs" (Nr. 5), der das „Pater noster" para-
phrasiert. — Titel in A : „Item himnus sexta feria dicendus" ; in C :
„Fer. VI."
11. Feria septinia ad Matutinas Landes.
1. Diei luce reddita 2. Per quem creator omnium
Primis post somnum vocibus Diem noctemque condidit
Dei canamus gloriam Aeterna lege sanciens,
Christi favente gratia, Ut semper succcdant sibi.
120
Anhang.
Tu vera lux fideliuni,
Quem lex veterna non tciiet,
Nüctem nee ortu succedens,
Aeterno fulgens lumine,
Cliriste, precaniur adnue
Orantibus servis tuis,
Iniquitas liaec saeculi
Ne nostram captivet fidem.
Kon cogitemus impie,
Invideamus nemini,
Laesi ne reddanius vicem,
Vincamus in bono malum.
Absit nostris e cordibus
Ira, dolus, superbia,
Absistat avaritia,
Malorum radix omnium.
. 7. Vinum mentem non occupet
Ebrietate perdita,
Sed nostro sensui coinpetens
Tuuni bibamus poculum.
8. Conservet pacis foedera
Non simulata Caritas,
Sed illibata castitas
Credulitate perpeti.
9. Addendis non sit praediis
Malesuada semper famis,
Si affluaut divitiae,
Prophetae nos psalmus regat.
10. Praesta, pater ingenite,
Totuin ducainus iugiter
Christo placentes hunc diem
Sancto repleti spiritu.
Ps;ilt. et Hymn. ms. incert. orginis saec. %. Cod. A^atican. Eegin. 11.
A. — Coli. ms. Murbacense (Augiense?) saec. (8. et) 9. Cod. Oxonien. Bodl.
lun. 25. B. — Collect, et Hymn. ms. Corbeiense saec. 9. Cod. Parisin.
14088. C. • — Psalt. et Hymn. ms. Ehenoviense saec. 9. Cod. Turicen. Ehen.
34. D. — 1, 4 Christi fatentes gratiam A, fatente gratia C. — 2, 2 condens,
mit eingefügtem „i" über der Linie zwischen d und e A, condedit C. — 2,
3 Eterre C. — 3, 2 lex aeterna, A. — 3, 3 Noctis nee ortus occidens A;
orto succedens B; ortu sucidis C. — 3, 4 fulgis C. — 4, 1 adnuas A, abnue
C. — 4, 3 Iniquitas ne saeculi A. — 4, 4 Ne fehlt A. — 5, 1 Nach „Non
CO — " direkt übergesprimgen in die dritte Zeile : reddamus vicem, und dann
später korrigiert : Non quo reddamus in (dieses über der Linie) vicem A. —
5 , 3 Laesi non vincamus (darüber reddamus) C. — 5, 4 bonum malum C. ;
cfr. Nr. 3, Str. 3, 2. — 6, 1 ex A. — 7, 2 Ebrietate (-atem C) perpeti (cfr.
8, 4) BC. — 7, 3 Sit nostris sensibus competens , korrigiert in : Sit noster
sensus competens A ; nostro sensu C. — 7, 4 pocolum C. — 8, 3 Sit illibata
A. — 9, 1 Adtendis C. — 9, 2 Mala suadat C. — 9, 3 Ut sefluant divitiae
A; Divitiae si affluant C. — 9, 4 Prophetiae non(!) psalmus redgat(!) C. —
10, 4 repletu C. — In D ist vom ganzen Hymnus nur ein winziges Bruch-
stück erhalten , nämlich von 5 , 1 : cogitemus impie. — Am Schlüsse noch
„Gloria" A. — „Himnus die sabati dicendus" A; „VII. Fer." C.
12. Ad Primaui.
1 . Postmatutinis laudibus,
Quas trinitati psallimus,
Psallanius rursus, adnionet
Verus pater familias.
2. Simus semper solliciti,
Ne praetereat opus Dei,
Sed oremus sedule,
Sicut docet apostolus.
Psallamus mente Domino,
Psallamus simul et spiritu,
Ne vaga mens in lui'pibus
Inertes tegat animos,
Sed septies in hac die
Dieamus laudes Domino,
Divinitati perpeti
Debita demus gloriae.
H3aiini de tempore communes i. d. 1. Periode d. liturg. Hymnodie. 121
Collect, et Hymn. ms. Murbacense (?Augieiise) saec. (8. et) 9. Cod.
Oxonien. Bodl. lun. 25. A. — Psalt. et Hymn. ms. Ehenoviense saec. 9.
Cod. Turicen. Khenov. 34. B. — Collect, et Hymn. ms. Corbeiense saec. 9.
Cod. Parisin. 14 088. C. —
Hymn. ms. Beneventanum saec. 10. ex. Cod. Vatican. Ottob. 145. D.
Hymn. ms. Severinianum saec. ^^/ii. Cod. Vatican. 7172. E. — Hymn. ms.
Severinianum saec. ^"/n. Cod Parisin. 1092. F. — Hymn. ms. Veronense
saec. ^°/ii. Cod. Capit. Veronen. CIX (102). G. — Hymn. ms. Farfense
saec. "^/ii. Cod. Turicen. Khenov. 91. H. — 1, 1 Post matutinas {-ina D)
laudes DEFGH (offenbar jüngere Korrektur. Die ,,po><tmatuthiae Icmdes'''
sind die „Prim" ; durch „nachmatutinische Lobgesänge" sollen wir aber-
mals psallieren = „Postmatunis laudibus psallamus"); Post matitunis B. —
1, 2 Quos korr. zu Quas A; trinitate C, trinitatis H. — 1, 3 Psalimus korr.
zu Sallamus B, Psalmns C; PsalJimus D. — 1, 4 f'amilia B. — 2, 3 und 4
fehlen B (ötüek des Blattes ist abgetrennt). — 2, 3 seduli G. — 2, 4
decet CG; apostolos C, apostolos A. — 3, 2 et fehlt EFGH. — 4, 2 Laudes
dicamus D; laudis C. — 4, 3 Divinitate B\ Deunitate C; perpetim EFGH. —
4, 4 Debitam demus gloriam EFGH; gloria D. — In DEFGH folgt als
Doxologie:
Gloria Deo patri | Gloria unigenito |
Una cum sancto spiritu | In sempiterna saecula.
Aus EFG in Anal. Hymn. XIY, 68. — In A fehlt die Über.-^chrift; inB:
„Hymnus ad Primam" ; in C: „Incipiunt hymni in anni circulo. Ad
Primam." — Man begreift, wie nach Einführung des Hymnus „lani liicis
ordo sidere^^ in den jüngeren Quellen D— H der vorstehende Hj'umus für
die Fastenzeit angegeben werden konnte.
13. Ad Tertiam.
1. Certum tenentes ordinem 2. Ut simus habitaculum
Pio poscamus pectore Uli sancto spiritui,
Hora diel tertia Qui quondam in apostolis
Trinae virtutis gloriam, Hac hora distributus est.
3. Hoc gradientes ordine
Ornavit cuncta splendide
ßegni caelestis conditor
Aeternae vitae praemiis.
Psalt. et Hymn. ms. incert. origin. saec. ^h. Cod. Vatican. Regin. 11.
A. — Collect, et Hymn. ms. Murbacense ("PAugiense) saec. (8. et) 9. Cod.
Oxonien. Bodl. lun. 25. B. — Psalt. et Hymn. ms. Ehenoviense saec. 9. Cod.
Turicen. Ehen. 34. C. — Collect, et Hymn. ms Corbeiense saec. 9. Cod.
Parisin. 14 088. D. — 1, 1 Certo A; ordine D. - 1, 2 pascamus A, paschamus
D. — 1, 4 gloriae BC, gloria D. — 2, 3 apostulis AD. — 2, 4 Haec D. —
3, 1 Haec korr. zu Hoc C. — 3, 2 splendida B, splendide korr. zu splendida
C. — 3, 3 caelesti D, conditur D. — 3, 4 praemia B, praemium D. — Es
folgt in A als Anfang der Doxologie : Gloria. — In Anal. Hymn. XXVIl,
103 teilte ich den Hymnus irrig als mozarabisch mit; man vgl. dort die
Varianten aus den zwei mozarabischen Quellen. — Cfr. Werner, S. 41. —
Titel in A: „Hymnus ad Tertia cotidianus'" ; in B fehlt er; in C: „Hymnus
privatis diebus ad Tertiam"; in D fehlt er.
122 Anhang.
14. Ad Sextaiu.
1. Dicamus laudes Domino 2. Quia in hac fidelibus
Fervente pronipti spiritu; Verae salutis gloria
Hora voluta sexies Beati agni hostia
Nos ad orandum provocat, Crucis virtute redditur.
3. Cuius luce claiissiraa
Tenebricat meridies,
Samamus toto pectore
Tanti splendoris gratiara.
Psalt. et Hymu. ms. incert. origin. saec. *;'9. Cod. Vatican. Regia. 1 1.
A. — Collect, et Hymn. ms. Murbacense ('? Augiense) saec. (8. et) 9. Cod.
Oxonien. Bodl. lun. 25. B. — Psalt. et Hj^mn. ms. Ehenovieuse saec. 9.
Cod. Turicen. Rhen. 84. C. — Collect, et Hymu. ms. Corbeiense saec. 9.
Cod. Parisin. 14088. D. — 1, 2FerventiA; rursus (st. prompti) A, prumptu
BD. — 2, 2 gratia A, gloria B. — 2, 3 agnis D. — 2, 4 Crucem D; virtntis
BD. ~ 'S, 1 lax D. — 3, 2 Tenebrecat A; meridiem D. — 3, 4 gratiae A,
gratia D. — ■ Titel inA: ..Hymnus ad Sexta" ; in B fehlt er; in C: „Hymnus
ad Sextam privatis diebus; in D: ,.Ad Sexta". — Leider ist mir die Collation
aus C nicht zur Hand. — Unter den mozarahischen Hymnen (Anal. Hymn.
XXVn, 104) habe ich früher zu Unrecht diesen Hymnus mitgeteilt; vgl.
daselbst die Variauten aus der gedruckten mozarabischen Quelle.
15. Ad Nonam.
]. Perfectum tiinum numerum ; 2. Sacium Dei mysterium
Ternis horarum terminis Furo tenentes pectore
Laudes canentes debitas Petri magistii regula
Nonpm dicentes psallimus, Signo salutis prodita.
3. Et nos psallaiTiUS spiritu
Adhaerentes apostolis,
Qui plantas adhuc debiles
Christi virtute dirigant.
'O*^
Psalt. et Hjmn. ms. incert. origin. saec. ^/g. Cod. Vatican. Regin. 11.
A. — Collect, et Hymn. ms. Murbacense (? Augiense) saec. (8. et) 9. Cod.
Oxonien. Bodl. lun. 25. B. Collect, et Hymn. ms. Corbeiense saec. 9. Cod.
Parisiu. 14088. C. —
Hymn. ms. Moissiacense saec. 10. Cod. Rossian. VIiI 144. D. —
Hymn. ms. S. lohannis Laudunensis saec. 10. Cod. Bernen. 455. E —
Collect, ms. Sandionysian. saec. 11. (et 12.) Cod. Parisin. Sangenovefian.
1186. F. — Hymn. ms. Bobiense saec. 10. Cod. Taurinen. G. VII 18. G. —
Hymn. ms. Beneventan. saec. 10. ex. Cod. Vatican. Ottob. 145. H. — Hymn.
ms. Farfense saec. i°/ii. Cod. Turicen. Rhenov. 91. I. — Brev. ms. Farfense
saec. 11. Cod. Tuilcen. Rhen. 82. K. — Hymn. ms. Severinianum saec. ^", ii.
Cod. Vatican. 7172. L. — Hymn. ms. Campidunense saec. ^^/ii. Cod. Tuilcen.
Rhenov. 88. M. — Hymn. ms. Wintoniense saec. 11. Cod. Capit. Dunelmen,
Hymni de tempore communes i. d. 1. Periode d. liturg. Hymnodie. 123
B III 32. N. — Hymn. ms. Cantuariense(?) saec. ^^'ii. Cod. Londiiien. Add.
37517. O.
1, 1 Perfecto trino numero ü — O; sichtlich jüngere Korrektur; zu
ergänzen ist, wie ja oft in den alten Hymnen, „est". — 1, 2 horarum[termlinis
I. — 1, 4 Nota C; Nona dicente A. — 2, 2 Purum C. — 2, 3 regulam
D — N, ausgenommen M, wo „regulae". — 2, 4 Signum C, Signo corrig.
aus Signum B; proditam D — N, ausgenommen M, wo „proditum". — 3, 1
Ut H, At N. — 3, 3 Qui mentes habent D; plantas habent debiles B sqq.;
debilis C. — 3, 4 virtutem DI; diligant DM. —
In D und den folgenden Quellen ist der Anfang der Doxologie „Gloria
tibi trinitas" beigefügt. — Auch diesen Hymnus habe ich zu Unrecht früher
der mozaraliischen Hymnodie, allerdings mit Vorbehalt, zugewiesen (Anal.
Hymn. XXVII, 10")); man vgl. dort die Varianten aus der gedruckten
mozarabischen Quelle.
Dieser Hymnus hielt sich lange, wovon die gedruckten Breviere des
16. Jahrhunderts Zeugnis geben; cfr. Chevalier, Repert. Hymnol., Nr. 14835.
Da seit dem 10. Jahrh. für die gewöhnliche Non ein Hymnus in Brauch war
(„Rerum Dea.^ tenax vigor"), für die Fastenzeit aber wohl die Terz und Se.xt,
aber nicht die Non einen eigenen Hymnus besafsen, erklärt sich die spätere
Verwendung des vorstehenden Hymnus für die Nona tempore Quadragesimas.
16. Hymnus ad Sextam.
Tempore Paschali.
lara sexta sensim volvitur
Ter binis hora carsibus,
Diesque puncto aequali
ütramque noctem respicit.
Hanc ad precandum congruam
Salvator horam tradidit,
Cum diceret fidelibus
Patrem rogandum servulis.
2. Yenite, servi, supplices
Mente, oie extollite
Dignis beatum laudibus
Nomen Dei cum cantico.
Nee non et ille pertinax
Hostis fidei gratiam,
Quam praedicavit gentibu«,
Hoc est adeptus tempore.
3. Hoc namque tempus illud est,
Quod saeculorum iudiccm
Iniusta morti tradidit
Mortalium sententia ;
Et nos amore debitö,
Timore iusto subditi
Adversus omnes impetus,
Quos saevus hostis ineutit,
4. Cum sol repente territus
Horrore tanti criminis,
Mortem minatus saeculo
Diem refugit inipium.
9. Unum rogemus [nunc] patrem
Deum regemque filium
Simulque sanctum spiritum,
In trinitate Dominum,
Hoc et beatus tempore
Abraham lideliter
Peritus in mysterio
Tres vidit, unum credidit.
10. Ut, quos redemit passio
Isto peracta tempore,
Possit sub ipso tempore
Servare deprecatio.
124 Anhang.
Psalt. et Hj'mn. ms. iiicert. origin. saec. ^/a. Cod. Vatican. Reg. 11. —
1, 1 sinsim. — 2, 2 Zwisclicn „Meute" und „ore" über der Zeile „et" eingetragen.
— 9,1 Statt „nunc" über der Zeile „et"; vielleicbt bleibt auch „nunc"
besser unergänzt, da dem Hymnus diese Unebenheit im Khythmus ursprüng-
lich eigen sein dürfte , während eine verbessernde Hand in diesem Codex
mehrmals solche Unebenheiten auszugleichen suchte. — Neben Str. 7 von
s])iiterer Hand eingetragen: „Paulus", der unter dem bekehrten „pertinax
liostis" gemeint ist. — Aufschrift: „Hymnus ad sexta" ; Caesariiis und Aurelian
von Arles geben dem Hymnus die nähere Determination für die Osterzeit.
Für die Terz ist von diesen beiden Bischöfen der Hymnus des hl. Ambrosius
„lam Hurgit hora tcrtia" (Anal. Hymn. L, 12) angeordnet. Die Vermutung
drängt sich auf, trotz verschiedener entgegen stehender Bedenken, dafs auch
dieser und besondei-s der folgende Hymnus den hl. Ambrosius zum Ver-
fasser haben. — Man vgl. übrigens betretis des Stieles den Hymnus „Mediae
voctis" (Nr. 1).
17. Hyumus ad Nonam.
Tempore Paschali.
1. Ter hora trina volvitur, 5. Redit favilla in sauguinern,
Redire qua Christus solet Cinisque caruem reddidit,
Mercede largus vineam Mixtique vivis mortui
Locare mercenariis. Videre Christi gloriam,
2. Decet parates sistere, 6. Novata saecla ci-edere,
Ne transeat merces Dei, Mortis solutis legibus
Plantare quae vitera solet Yitae beatae munere
Christumque cordi adfigere. Cursum perennem currere.
3. Haec hora, quae resplenduit 7. Dicamus ergo proximi
Crucisque solvit nubila Laudes Deo cum cantico;
jVIunduni tenebris exuens, Confessus est latro tidera,
Reddens serena luraina. Quo est redemptus tempore,
4. Haec hora, qua resuscitans 8. Qua gratia ieunium
Jesus sepulcris corpora Laeti solemus solvere ;
Prodire mortis libera Instar futuri muneris
lussit refuso spiritu. Famem probati nesciant,
Psalt. et Hymn. ms. incert. origin. saec. ^h. Cod. Vatican. Regin. 11.
A. — Psalt. et Hymn. ms. Ambrosianum saec. 10. Cod. Vatican, 88. B. —
Psalt. et Hymn. ms. Ambrosianum saec. 10. Clm. Monacen. 348. C. — Hymn.
ms. S. lacobi de Pontida saec. 11. Cod. Vatican. 82. D. — 1, 2 Redire
quia A. - 1, 8 Mercedem largus vineae BCD. — 2, 1 sistire A. — 2, 2
mercis A. — 8, 1 hora qua A. — 3, 2 solvit vincula A. — 4, 1 hora quae
BC; resuscitat D. — .5, 4 Videre (ebenso 6, 1 credere und 6, 4 currere)
sichtlich ein Infinitiv, histor. statt videbant etc. — 6, 4 perenne BD. —
Als Anfang der Doxologie folgt in A: Gloria. — Titel in A: „Hymnus ad
vesperum ('.1. Nonam) in die ieiunii"; BD: „Hymnus ad Nonam". Der „dies
ieiunii" bezeichnet nicht die Fastenzeit; Daniel (I, 41) bemerkt zur Str. 8:
„Veteres christiani diebus stationum ieiunare solebant usque ad Nonam". —
Nach Caesarius und Aurelian von Arles ist dieser Hymnus in der Osterseit
zu verwenden. — Vgl. die Schlufsbemerkung zum vorigen Hymnus.
Hymni de tempore communes i. d. 1. Periode d. liturg. Hj'mnodie. 125
1^. Ad Tesperas.
1. Deus, qui certis legibus 3. Hostis ne fallax incitet
Noctem discernis ac diem, Lascivis crura gaudiis,
Ut fessa curis Corpora Secreta noctis advocaiis
Somnus relaxet otio, Blandus in aestus corporis ;
2. Te noctis inter horridae 4. Subrepat nullus sensui
Tempus precamur, ut, sopor Horror timoris anxii,
Menteni dum fessam detinet, Illudat raentem nee vagam
Fidei lux illuminet, Fallax imago visuum ;
5. Sed, cum profundus vinxerit
Somnus curarum nescius,
Fides nequaquam dormiat,
Vigil te sensus soinniet.
Psalt. et Hymn. ms. incert. origin. saec. ^'9. Cod. Vatican. Regln. 11.
A. — Collect, et Hymn. ms. Murbacense (? Ang-ien-se) saec. (8. et) 9. Cod.
Oxonien. Bodl. lun. 25. B. — Collect, et Hymn. ms. Corbeiense saec. 9.
Cod. Parisin. 14088. C. — 1, 4 Somno A, Somnum BC. — 2, 'S declinet B,
retinet C. — 3, 1 Hoste C. — 3, 2 Lascivis cura A, curis BC. — 3, 4
Blandos A; in aestu C, in isto corpore B. — 4, 3 mente C; ne vagam
BC. — 4,4 visui BC. — 5, 1 Secundum profundum C: profandos B. —
5, 3 Fedis A, Fidem C; dormiet C. — Titel in A: „Hymnus vespertinus" ;
in B fehlt er; in C: „Ad Vesperas". — Caesarius und Aurelian von Arles
ordnen den Hymnus an als „ad Vesperam", in Abwechselung mit dem Hymnus
des hl. Arabrosius „Dens creator omninm^'' fAnal. Hymn. L, 13): auch in
Ä folgt letzterer Hymnus mit dem Titel: „Item hymnus vespertinus". — Zu
Unrecht habe ich vorstehenden Hymnus früher den Mozarabisclien Hymnen
beigezählt (Anal. Hymn. XX^TI, 80); man vgl. dort die Lesarten aus der
einen gedruckten mozarabischen Quelle.
10. Ad Tesperas.
Sator princepsque temporum, 3. Somno non cedat spiritas
Ciarum diem laboribus Yigilque custos corporis
Noctemque qui soporibus Metus inanes arceat,
Fixo distinguis ordine. Fallax depellat gaudium.
Mentem tu castam dirige, 4. Vacent ardore pectora
Obscura ne silentia Faces nee uUas sentiant,
Ad dira cordis vulnera Adfixa ne praecordiis
Telis patescant iuvidi. Mentis vigorem saucient;
5, Sed, cum defessa corpora
Somni tenebunt gratiam,
Caro quietis sit memor,
Fides soporem nesciat.
12(3
Anhang.
Psalt. et Hymn. ms. iucert. origiiiis saec. ^h. Cod. Vaticau. Kegin.
11. — 1, 8 laboribus (cfr. 1, 2). — 3, 3 inanis. — 5, 3 Solo quietis; mau
vgl. aus dem Complet-IIymnus „lesu redemptor saeculi", die "Verse 4, 3 sq:
„Sic caro nostra dormiat | Ut mens soporem nexciat". — 5,4 nesciant. —
Titel: „Item hvmnus vespertinus". — In vorstehendem Hymnus möchte man
fast eine Umdichtung des vorhergehenden vermuten; oder umgekehrt? Nicht
nur die Strophenzahl ist die gleiche, sondern, was wichtiger, die gleichen
Gedanken kommen zum Ausdruck, am Frap])antesten in der 1. und in der
Schlufsstrophe. — Unser Hymnus ist nur durch die eine Quelle bekannt,
während sein Doppelgänger durch Caesarius und Aurelian von Arles bezeugt
und in den alten Quellen überliefert ist. — Cfr. Anal. Hymn. XLIII, 14. —
20. Ad Tesperas.
1. Deus, qui claro lumine
Diem fecisti, Doniine,
Tuani rogamus gloriam,
Dum pronus volvitur dies.
2. lam sol urgente vespero
Occasum suum graditur,
Mundum concludens tenebris,
Suum observans ordinem.
3. Sed tu, excelse Domine,
Precantes tuos famulos,
Labore fessos diei
Quietos nox suscipiat,
4. Ut non fuscatis mentibus
Dies abscedat saeculi,
Sed tua tecti gratia
Cernamus lucem prosperara.
Collect, et Hymn. ms Murbacense (?Augiense) saec. (8. et) 9. Cod.
Oxonien. Bodl. lun. 25. A. — Collect, et Hymn. ms. Corbeiense saec. 9. Cod.
Parisin. 14 088. B. — Collect, ms. S. Maximini Trevirensis saec. 10. Cod.
Treviren. 592 (1404). C. — Hymn. ms. Severinianum saec. ^''/ii. Cod. Vatican.
7172. D. — 1, 3 Tua r. gloria D. — 1, 4 Tu pronos solvitur D. — 2, 1
urguente AB, urguento C, arguentes D; vespere B, vesperura D. — 2, 3
tenebras BD. — 3, 1 tu es celse C. — 3, 3 Labores AB; fessus ABD. —
3, 4 Quieta D. (In 3, 2 dürfte dem Sinne nach aus 3, 4 zu ergänzen sein:
suscipias). — 4, 3 testi B, tecta C. — 4, 4 Carnamus B; luce prospera
BC. — In D folgt noch der Anfang der Doxologie: Gloria tibi. — In B ist
der Hymnus für die Vesper des Sonntags bestimmt.
21. Ad Completorium.
(„D u o d e c i m a m").
1. Cliriste, precamur, adnue
Mixtasque voces fletibus
Semper benignus et pius
Venturam in noctem suscipe.
2. Te corda nostra somnient,
Te per soporem sentiant
Tuamque semper gloriam
Yicina luce concinant.
Vitam salubrem tribue,
Nostrum calorem refice,
Taetram noctis caliginem
Ciaritas tua illuminct.
Hyninis vota persolvimus
Vesperque sacrum poscimus,
Nostrum delens chirograpbum
Tuumque praestans editum.
Brev. ms. Toletanum saec. 11. Cod. Toletan. 35-2. A. — Brev. sec.
regulam s. Isidori impr. Toleti 1502. B. — In 1 , 1 cfr. Nr. 11, Str. 4, 1.
Hymni de tempore communes i. d. 1. Periode d. liturg. Hjannodie. 127
1, 4 in fehlt. — Anfang der Doxologie in A: Deo patri; in B voll-
ständig. — Caesar ius von Arles ordnet den Hymnus an mit den Worten:
„Et ad duodecimam . . . hymnus »Christe precamur adnue« , die alia ad
duodecimam »Christe qui hex es et dies« hymnus dicatur; et sie omni tempore
vicibus isti duo hymni dicautur " — Der Text wird uns nur in den zwei
mozarahischen Quellen überliefert; daher reihte ich den Hymnus früher
unter die mozarabische Hjnnnodie ein (Anal. Hymn. XXVII, 78). Das
Zeugnis des Caesarius aber mufs annehmen lassen, dafs die Mozaraber
eine Anleihe beim Römischen (nionastischen) Ordo machten.
22. Ad Completorium,
1. Christe, qui lux es et dies, 4. Oculi somnum capiant,
Noctis tenebras detegis, Cor semper ad te vigilet;
Lucifer, lucem praeferens, Dextera tua protegat
Lumen beatum praedicans, Famulos, qui te diligunt.
2. Precamur, sancte Domine, 5. Defeusor noster, aspice,
Defende nos in hac nocte, Insidiantem reprime,
Sit nobis in te requies, Guberna tuos famulos,
Quietam noctem tribue, Quos sanguine mercatus es.
3. Ne gravis somnus irruat, 6. Memento nostri, Domine,
Nee hostis nos subripiat, In gravi isto corpore
Nee caro illi conseatiat, Qui es defensor animae ;
Nos tibi reos statuat. Adesto nobis, Domine.
7. Pracsta, pater omnipotens,
Per lesum Christum Dominum,
Qui tecum in perpetuum
Regnat cum sancto spiritu.
Hymn. ms. Hibernicum saec. 9. in. Cod. Paulan. 25. 2. 31. (Blas. memb.
86). A. — Collect, ms. Hibernicum saec. 9. Cod. Capit. Colonien.
1C3. B. — Hymn. ms. Hibernicum saec. 11. in. Cod. Franciscan. Dublinen.
s. n. C. — Hymn. ms. Anglo-Saxonicum saec. '°/ii. Cod. Londinen. (lul.
A VI. D. (Ist Paraphrase). — Hymn. ms. Anglo-Saxonicum (Monasticum)
saec. 11. Cod. Londinen. Vesp. D XII. E. — Hymn. ms. Wintoniense saec. 11.
Cod. Capit. Dunelmen. B III 32. F. — CoUectar. et Hymn. ms. Wintoniense
(? Vigorniense) saec. 11. Cod. Coli. Corp. Christi Cantabrigien. 391. G. —
Collectar. et Hymn. ms. Exoniense (postea Episc". Leofric) saec 11. Cod.
Londinen. Harl. 2961. H. — Hymn. ms. Cantuariense (?) saec. ^^Iii. Cod.
Londinen. Add. 37517.
Psalt. et Hymn. ms. Ambrosianum saec. 10. Cod. Vatican. 83. I. —
Psalt. et Hymn. ms. Ambrosianum saec. 10. Clm. Monacen. 843. K. —
Hymn. ms. Casinense saec. 10. Cod. Casinen. 506. L. — Brev. ms. Casinense
saec. 11. Cod. Vindobonen. 1106. M. — Hymn. ms. Bobiense saec. 10.
Cod. Taurinen. G VII 18. N. — Hymn. ms. Bobiense saec. 11. Cod.
Vatican. 5776. O. — Hymn. ms. Farfense saec. ^^/ii. Cod. Turicen. Rhen.
91. P. — Brev. ms. Farfense saec. 11. Cod. Turicen. Rhen. 82. Q. — Psalt.
et Hymn. ms. Farfense saec. 11. Cod. Roman. Vitt. Eman. 175 (Farf. 4).
R. — Hymn. ms. Veronense saec. ^"/ii. Cod. Capit. Veronen. CIX (102).
S. — ■ Brev. ms. Montis Amiatini saec. ^°/ii. Cod. Casanaten. 1907 (ß n 1).
128
Anhang.
T. — Hymii. ms. Severinianum saec. ^°/n. Cod. Vatican, 7172. U. — Brev.
ms. S. Sofiae Beneventanae saec. 11. Cod. Vatican. 4928. X. — Psalt. et
Hymn. ms. S. lacobi de Pontida saec. 11. Cod. Vatican. 82. Y. — Brev.
ms. Stnuiiense saec. 11. Cod. Laurentian. Conv. suppr. 524. Z. — Brev. ms.
Vallis Travagliae saec. 11. Cod. Capit. Mediolanen. 155. a. — Brev. ms.
Benedictinum saec. 11. Cod. Vallicelan. B 79. b. — Brev. ms. Benedictinum
(Italiae septentr. aut Galliae merid.) saec. 10. ex. Cod. privat. (Hiersemann). c.
Collect, et Hymn. ms. Murbacense (?Augiense) saec. (8. et) 9. Cod.
Oxouien. Bodl. lun. 25. d. — Collect, ms. Frisiiigense saec. ^/lo. Clm.
Monacen. 6411. e. — Tract. ms. Erchamberti super Donatum (Frisingen.)
saec. ^/lo. Clm. Monacen. 6414. add. saec. 10. f. — Eit. et Hymn. ms.
Scheftlariense saec. 10. Clm. Monacen. 17027. g. — Hymn. ms. Campiduuense
saec. "Vn. Cod. Turicen. Eben. 83. ll. — Trop. et Hymn. ms. Ehenoviense
(? Sangallense ) saec. 11. in. Cod. Turicen. Eben. 97. i. — Hymn. ms.
Sangalle.nse('?) saec. 11. Cod Berolinen. VIII o 1. k.
Psalt. et Hymn. ms. Marcbianense saec. (9. et) 10. in. Cod. Duacen.
170. 1. — Hymn ms. Corbeiense saec. 11. Cod. Ambianen. 131. m. — Brev.
ms. St. Germani Pratensis saec. 11. Cod. Parisin. 11550. n. — Collect, ms.
Sandionysianum saec. 11. (et 12.) Cod. Sangenovefian. 1186. 0. — Grad, et
Antiphon, ms. Nivernense saec. 12. Cod. Parisin. Noiiv. acq. 1235. p. —
Hymn. ms. Toletanum saec. 10. Cod. Matriten. Tolet. 1005 (35 — 1). q. —
Hymn. ms. Exsiliense saec. 11. Cod. Londinen. Add. 30851. r. — NTX
k m n O sind nicht kollationiert.
1, 2 detegens IKa, detegens über detegis LT, detege r, detigis C. —
1, 3 Liicifer lucis crederis A, Lucifer luci praeferens lY , Lux ipse lucem
(lumen (|) praeferens q r, Lucisque lumen crederis alle übrigen Quellen, aus-
genommen B und a, welche die Lesart des als ursprünglich befundenen
Textes aufweisen. — 1, 4 Lumen beatis (cretis, 1. creatis C) praedicans
AC (1, Vitam beatam praedicans q, Vitam beatam tribue BIY a, Lumen
beatum (beatis f) tribuens K f g' (zu tribue und tribuens cfr. 2, 4).^ — 2, 2
Defendas nocte ac die A , Defende nocte ac die (1. — 2 , 3 Ut sit Y^. —
2, 4 tribuas A, über „tribuas" geschrieben „tribue" U, tribuens E. — 3, 1
Nee korrig. in Ne e; gravi IKY. — 3," 2 Ne FIKLPQUY a e 0; Hostis ne
C; Hostis nobis (ohne Ne) Ar. — 3, 3 Nee fehlt AC r; Ne FIKLMOPEUY
f g; caro fehlt d; consentiens EH'ILMQ^EZ b e g ll IM pr, consentiens
über consentiat U. — 3, 4 Nee tibi f, Et ne nos reos a, Et nos reos IKY
Ne nos reos U. — 4, 1 somnium q. — 4, 2 ad te semper alle Quellen aufser
AB d; vigilat AB, vigelat C (vielleicht „vigilat" richtig als Lesart der zwei
ältesten Quellen). — 4, 3 protege A, protegas E. — 5, 2 Insidiantes
BEFHKPQUZ a d e f g h i (Insidianie?» = diabo/MJ« ist sichtlich die
bessere Lesart); repriraens U. — 5, 3 tuos filios IRÖY b (weil 4, 4 schon
„famulos", verdiente an sich „filios" den Vorzug). — 5, 4QuodU; mercatus
est h. — 6, 2 In isto gravi IKORUY a f Ir, In grabe isto o. — 6, 3 Tu
es C. — 6, 4 Adesto sancti spiritus IKY h. — Doxologie: In A: „Gloria
patri", sonst nichts ; in EFHKS e f g h 1 p : „Deo patri sit gloria | Eiusque
soli filio etc. ; in vielen anderen Quellen fehlt die Doxologie.
Zwischen 6 und 7 fügt O folgende zwei Strophen ein:
6 a Non sis oblitus, Doraine,
Orationem pauperum,
Ad te clamamus. Domine,
Noli nos dereliuquere.
6 b Peccata nostra, Domine,
Quibus gravamur fortiter,
Dignare nos absolvere
Tuo sancto praesidio.
Die erste dieser Strophen (6al findet sich mit belanglosen Varianten auch
in Q; darauf folgt dann in Q: „Tu, Deus Christe, salva nos, | Aeterne noster
protector i In manu^sj tuajs], Domive \ Commertdo spiritum, meum Deo
datri. — Von Interesse ist diese Zutat dadurch, dafs in der jetzigen Complet
nach dem Hymnus im Capitulum es heifst: „Ne dereUnquas nos, Domine
Hynini de tempore communes i. d. 1. Periode d. liturg. Hymnodie. 129
Deus noster (cfr. 6a, 4 „Noli nos flerelinqnere") und das Respons. darauf
auliebt: „In manus tuaf<, Doinine, commendo spiritum incum." (cfr. Schlufs-
strophe in Q.)
In n und O folgt nach Str. 6:
Taetrae noctis insidias | Huius timoris libera
Tuae lucis magnalibus | Totum cliorum illumina.
Alsdann die Doxologie, welche mit einigen Varianten auch in C sich
vorfindet :
Gloria patri ingenito, | Gloria unigenito
Una cum sancto spiritu | In sempiterna saecula.
In Bd. XXVII der Anal. Hyran. (p. 111) habe ich vorstehenden Hymnus
aus drei mozarabischen Quellen (n o und Breviar. sec. regulam S. Isidori)
mitgeteilt. — Zu 1 , 1 „lux es et dies" cfr. Nr. 6, Vers 3, 2.
Betreffs des Gebrauclies : A bezeichnet den Hymnus als „Hymnus ad
Completorium", und unmittelbar nach ihm folgt ,,Te lucis ante terminum'"
als „Item". — B hat auf Fol. 46 beide C'omplethymnen in der Reihenfolge
wie A, aber ohne jede nähere Bezeichnung. — In der gleichfalls sehr alten
Quelle f steht ohne nähere Angabe der letztere Complethymnus vor „Christe
qui lux es". — Ähnlich in anderen Quellen. Schon dieser Umstand läfst mit
Rücksicht auf analoge Fälle (cfr. die zwei Hymnen zur Nocturn und zu den
Landes am Sonntage) vermuten, dafs der längere Complethymnus für die Winter-
zeit, der kürzere für die Sonmierzeit bestimmt war. Überdies heifst es ausdrück-
lich bei unseiem Hymnus in C: „Hymnus in hieme". — Andere Quellen hin-
gegen, wie P und X, bestimmen ihn für die Fastenzeit, i für den Advent.
Mone (I , p. 93) fand in einer Privathandschrift des 15. Jahrhunderts die
Notiz: „Praecedens hymnus dicatur cottidie usque ad diem Cenae excjusive".
Wenn Mone (1, e. p. 92) bemerkt, „das Lied ist ivolü nicht älter nh
doti 7. Jalirlmnäert^' , so widerspricht dieser Schätzung der Umstand , dafs
schon der hl. Caesariiis von Arles (f 542) in seiner Regel für die .Jungfrauen
diesen Hynnius ausdrücklicii anführt («iehe S. 36). Somit ist der Hymnus
»nndcfttens aus dem A n f a n g e des 6. J a h r h u n d e r t s.
In unser Römischen Brevier ist der schöne Hymnus nicht herüberge-
nommen; in frnmösiftchen Pirevieren hielt er sich bis ins 18. .fahrliundert.
Blume, Cursus Benedicti und liturgische Hymnen.
Inhaltsverzeichnis ').
Abendofficium 14. 77.
Abra, Brief an, 84. 86.
Ad caeli clara iion sum dignus
67. 84,
Ad cenam agni providi 55. 57. 65.
Aeterna caeli gloria 65.
Aeterna Cbristi munera 57. 67. 73. 94.
Aeterno lucis conditor 42. 46. 49.
50. 54. 56. 58. 79. 116.
Aeterne rerum conditor 37. 45. 51.
57. 65. 79.
Agenda matutinavelvespertina 21.
Agendae = Officia divina 21.
Alcuin 106.
Ales diei nuntius 65. 76,i.
Alleluia, Gebrauch des, 18,
Amalar 106.
Ambrosianus, -ani, 301.58. 81. 94.
Ambrosius 31. 32. 33. 51. 55. 57.
61 f. 73. 75. 78. 80. 84. 87. 89. 92.
94. 96. 106.
Amore Cbristi nobilis 92.
Antipbonar von St. Peter 95,1.
Arles 34 f. 95.
A solis ortus cardine 32.
Audi benigne conditor 100.
Aurelian von Arles 21ff. 34ff. 45 ff.
50. 74. 79. 96. 101. Dessen Ee-
gula 39 ff.
Aurora iam spargit polum 65.
Aurora lucis rutilat 54. 57. 67.
Bangor, Hymnar von, 28. 75.
Bannister, H. M., 8. 64. 95,1
Batiffol, P., 14,3. 94 ff.
Bäumer, S. 13,1. 14,3. 24,2. 27. 28.
34. 48,1. 56. 63. 77. 98 ff,
Benedictio (= Canticum 3 puero-
rum) 23.
Benedikt von Aniane 8.
Benedikt von Nursia 7. 13 f. 21.
25. 52. 77 f. 80 f. 84. 103 und öfters.
Biragbi 48, i.
Biron 85, i.
Braga, Konzil v., 95,
Brevier 7. 75 f. 82. 106.
Bucbberger 52,1. 77,i.
Cabrol 84,1.
Caelestin I. 33.
Caeli Deus sanctissime 65.
Caesarius von Arles 21 ff. 34 ff.
45 ff. 74. 79. 86. 95 ff. 101. —
Dessen Regula ad Virgines 35 ff.
Cassiodor 33 f.
Certum tenentes ordinem 49. 54.
56. 59. 121.
Chevalier, Ul., 25. 29. 51, i. 95.
Cbriste caeli Domine 49. 54. 56. 118.
Cbriste precamur adnue 36. 45.
79. 126.
Cbriste qui lux es et dies 36. 45. 46.
53. 56. 65, 68. 73, 75. 79. 93. 96. 127.
') Bei Hymnen ist durch die Zahl im Fettdruck die Seite bezeichnet,
wo der volle Text des Hymnus steht.
Inhaltsverzeichnis.
131
Christus als „dies" und „dies di-
erum" 90.
Ciarum decus ieiuuii 100.
Codices lat. mss'):
Carolsruhan. Aug. CXCV (saec. 9.
in.) 6. 66. 68.
Colonien Capit. 106. (saec. 9.)
29. 68.
Duacen. 170. (saec. 9. et 10.) 63.
Londinen. Add. 30848. (saec.
"/12.) 71.
Londinen. Cleop. E I. (saec. 7.) 13.
Londinen. Vesp. A I. (saec. ''h) 62.
Monaceu. 28118. (saec. 9.) 7. 15.
3.5. 39.
Oxonien. Eodl. lun. 25. (saec. 9.)
25. 55.
Parisin. 14088. (saec. 9.) 53.
Parisin. Mazar. 364. (saec. 11/12.) 96.
Paulan. 25. 2 31. (saec. 9. in.)
6. 65 f. 68.
Sangallen. 2. (saec. 8.) 62.
Sangallen. 20. (saec. 9. et 10.) 63.
Sangallen. 914. (saec. 9.) 7. 15.
Treviren. 592. (saec. 9. et 10.)
64. 69.
Treviren. 1245. (saec. 9. et 10.) 29.
64. 69.
Turicen. Rheijov. 34. (saec. 9.) 57.
Turicen.Ehenov. Ill.(saec.l0.)70.
Vatican. Regln. 11. (saec. ^/9.)48 ff.
Vatican. ßegin. 338. (saec. i*'/n) 64.
Columban 22.
Commune de Tempore 25.
Commune Sanctorum 77.
Completa 23. 43.
Compietorium (Complet) 14. 22. 23.
46. 52.
Concil, von Braga 95, von Toledo
95, von Tours 33. 95.
Conditor alme siderum 100.
Consors paterni luminis 65.
Corbie 54.
Correctoren der Brevierhymnen
71. 98.
Cursus = Officium 22.
Cursus Benedikts 13. 25 und oft.
— Beziehung zum Rom, Cursus
13 f. — Wortlaut desselben 15 ff.
Daniel, H.A., 85,i
Dei fide qua vivimus .54. 56. 74.
Deus aeterni luminis 48,1 . 49. 56. 1 18.
Dens Creator omnium 38. 43. 45.
49. 50. 65. 79.
Deus qui caeli lumen es 54. 55. 56.
58. 87. 114.
Deus qni certis legibus 38. 43. 45.
49. 50. 54. 55. 56. 79. 125.
Deus qui claro lumine 54. 55. 56. 12(».
Dicamus lavides Domino 49. 54. 56.
59. 122.
Diei luce reddita 49. 54. 56. 59. 11!)-
Directanei psalmi 24.
Divinum opus = Officium 21.
Dreves, G., 32. 48,i. 64. 78, i.
Ebert, A., 8.5,1.
Ecce iam noctis tenuatur 100.
Ehrensberger, H., 4S,i. 64.
Ennodius 32.
Ex more docti m3'stico 100.
Farfa 75.
Fastenzeit, H3annen für die, 74.
Faustus von Reji 33.
Fulgentis auctor aetheris 38. 42.
45. 48,1. 49. 50. 56. 79. 117.
Oallinici 24, 1.
Gamurrini 85.
Gebetstunden s. Tagzeiten.
Glaube, oft betont in den Laudes-
hymnen, 91.
Gloria in excelsis 38. 41.
Gotica Hymnodia 82.
Grauert 8.
Gregor d. Gr. 78,1. 97. 100,i.
Grimm, Jac, 55. 56.
') Codices, die nur für die Hymnentexte des Anhanges benutzt wurdmi,
sind hier nicht verzeiclinet.
9 *
132
Inhaltsverzeichnis.
Harnack, Ad., 52,1.
Helisachar 106.
Herbert, A. T., 8.
Hie est dies verus Dei 36. 40. 45.
49. 57.
Hieronymus 83,1.
Hilarius v. Poitiers 32. 84. — Hym-
nen des H. 85. 104.
Holder, Alfr. 66,i.
Horae diurnae 22, — H. noctur-
nae = Matutin 22.
Hören, kleine, 14. 49 f. 52. — Hym-
nen zu den, 61. 73. 79. — Horae
apostolicae 23.
Hymnare, die ältesten, 27 f. — Seit
Anfang des 10. Jahrhunderts 68.
— V. Bangor 28. 75. — v. Cor-
bie 53 ff. — irischer Provenienz
64 ff. — V. Marchiennes 63. —
V. Murbach oder Reichen au 55 ff.
59. — V. ßheinau 57 ff. 82. —
V. St. Gallen 63. — in der Vati-
cana, ältestes, 48 f. 51. 53 f. 87.
97. 103.
Hymnen: von Ambrosius 61. 75.
106. ; V. Autoren des 4. — 6. Jahr-
hunderts 32. ; V. Hilarius 85. 104. ;
der ältesten nicht-irischen und
irischen Gruppe 72ff. ; der ältesten
Hj'mnare (s. Hymnenliste). —
Liturgisch gebrauchte in
Lerius, Arles, Gallien und
Norditalien 34.; im 6. Jahr-
hundert 33 f. ; im 6. — 9. Jahr"
hundert 101.; in Irland 28..
bei den Mozarabern 76 1. 82. ;
in der römischen Kirche 27. 75,1-
95. 106.; zur Zeit Benedikts
27. 45. 81,; zur Zeit Caesarius
und Aurelians 35 ff. 39 ff ; zu den
Laudes 55. 70. 76,i. 77. 79. 83 ff. ;
zu den kl. Hören 61. 73. 79,
Hymnenliste aus:
Cod, Carolsruhan, Aug. CXCV.
(saec. 9. in.) 67.
Cod. Capit. Colonien, 106,
(saec. 9.) 68.
Cod. Oxonien. Bodl. Jun. 25,
(saec, 9.) 56 f.
Cod. Parisin. 14088. (saec. 9.) 54.
Cod. Paulan. 25.2. 31. (saec. 9.
in.) 65.
Cod. Turicen, Rhenov. 34, (saec. 9.)
58 f.
Cod. Yatican. Regln. 1 1. (saec. %.)
49.
Cursus Aurelians imd Caesarius
(saec. 6.) 45.
Cursus Benedikts (mutmaßlich)
81,1. 103. —
Zusammengestellt aus allen
nicht-irischen Quellen des 6.—
9. Jahrhunderts 60 f. — Die
ältere u. jüngere Hj^mnenliste
zur V ergleich ung nebenein-
andergestellt 72 f. — Hymnen-
liste Bäumers für Schlufs des
8. Jahrhunderts und Kritik der-
selben 99 ff.
Hymni communes Sanctorum 73 .77.
Hynini commvmes de Tempore 25.
26. 60 f. — Deren Ordnung in
den ältesten und jüngeren Hym-
naren resp. Brevieren 68 ff.
Hymni proprii de Tempore 25.
61. 103.
Hymnus »ad incensum lucernae"
(später „ad ignem benedicen-
dum") 23.
Hymnum dicat turba fratrum85,l.
Hypatius 25,1.
lam Christe sol iustitiae 100.
lam lucis orto sidere 65. 68.
lam sexta sensün volvitur 36. 40.
43. 45. 49, 123.
lam surgit hora tertia 36. 40. 43.
45. 49. 67. 73.
lesu Corona virginum 67. 106.
niuminans altissimus 49.
Immense caeli conditor 65.
Intende qui regis Israel 49. 92.
Irische, aus Irland stammende,
Hymnare 51. 63 ff. 83. — Hymnen
Inhaltsverzeichnis.
133
28. 72. 104. — Beziehung zu den
nicht-irischen H3Tnnen vor dem
10. Jahrhundert. 64 ff. 72 ff. 104 ff.
Jungfrauenregel Aurelians 39 f-
Caesarius v. Arles 35 f.
Junius, Franz, 56.
Karl der Kahle 106.
Karolinger und die Einführung
der jüngeren Hjminenliste 106.
liaudes = Matutini 23.
Laudeshymnen 55. 70. 76,i. 77. 79.
83 ff. — Im jetzigen röm. Bre-
vier 84.
Lejai, P. 24,2.
Lerins 34 f.
Licht, als Thema der Laudes-
hymnen, 89.
Liturgie und Hymnodie 94 f.
Lucernarium 14. 23. 46.
Lucis Creator optime 65. 68.
Lucis largitor splendide 84 ff. 104.
115.
Lux ecce surgit aurea 65. 76,i.
Magnae Deus potentiae 65.
Magna et mirabüia 37. 42. 45. 49.
79. 114.
^lagnificat 41.
Magnum salutis gaudium 100.
Manser 52,1. 77.
Martyr Dei qui unicum 67.
Matutin = Nocturni 22.
Matutina altera = Prim 52.
Matutinae horae = Matutini 22.
Matutinae laudes 23.
Matutinales canonici 22. 37.
Matutinarii 37. M. canonici 22.
Matutini (= Laudes 23) 22. 46. 52-
77. 82,1.
Mearns, J., 6. 53.
Mediae noctis tempus est 37. 45.
49. 56. 58. 75. 79. 88. 109.
Meridie orandum est 54. 56. 74.
Missa = missio, dimissio, oratio,
lectio 24 36.
Mönchsregel Aurelians 39 f.
Mone 66,1.
Morgenhymnen 89.
Morin, Germ., 8. 47,1.
Mozarabische Liturgie 76,1. 82.
Müller, Jos. 8. 15,1.
Murbach 55. 59. — M-er Hymnen 56.
Ufocturna laus 22.
Nocte surgentes vigilemus 100.
Nocturni, Benennungen der N. 22.
Beziehung zur Matutin 22. Zahl
der N. 14. Zeit des Ursprungs 52.
Nona 22. 23. 52.
Nox atra rerum contegit 65.
Nox et tenebrae et nubila 65. 76,1
Nunc sancte nobis Spiritus 61. 65. 68-
Officium divinum (= kanonisches.
Stundengebet) 21. — Monasti-
sches und römisches 13 f. —
Regelung durch Benedikt 14;
durch Caesarius 35 ff. — Kürzung
des älteren 14.
O lux beata trinitas 65. 68.
Omont, H. 8. 53.
Opus Dei = Officium 22.
Oratio = Officium 22.
Ortiz, Alf., 82.
Osterzeit, Hymnen für die, 49. 67.
73. 80.
Pargoire 14,2.
Parisot 85.
Pater noster (Oratio dominica) 18.
19. 44.; in einen Laudeshymnus
verwoben 92.
Paulinus v. Aquileja 67. 84.
Paulinus v. Nola 32.
Pensum servitutis 44.
Perfectum trinum numerum 49. 54.
56. 75. 122.
Pirminus, Gründer v. Murbach, 55.
Plaine 14,2.
Plasmator hominis Deus 65.
Plenkers, Her ib. 7.
Plinius 52.
Postmatutinae laudes = Prim 52.
Postmatutinis laudibus 52. 54. 56
59. 75. 120.
134
Inh al tsv erzeich nis.
Prima (Priin) 22. 28. 50. 80. ,,novflla
soUemnitas" 52. (vgl. Hören, kl.)
Primo dierum omiiium (55.
Prudentius 23. 32. 76,i. 84. 105.
Psalm 90 in der „Completa'' 43,12.
Rector potens veraxDeiis 61.65.68.
liegula Aureliani 89 ff. Caesarii
ad virgines 35 ff. Columbani 22.
Regularuni codex 8.
Reichenau 55.
Reriun creator optime 65.
ReriunDeus tenax vigor 61. 65. 68.
Resurrectio = lectio de resur. 38,1.
Rex aeterne Domine 37. 42. 45. 51.
57. 75. 79. 88. 111.
Rex Christe factor omnium 100.
Rex gloriose martyrum 67.
Rex sempiterne caelitum 75.
Rhabanus 77.
Rheinau 57.
Römische Kirche vmd Hymnodie
27. 75,1. 95. 106.
Rottmanner, Odilo, 24,2.
Sanctorale 77.
Saiictorum meritis inclita 67.
Satorprincepsquetemi3orum49.1'25.
Schmid, Edm., 7,1.
Sediilins 32.
Servitntis officium 21.
Sexta 22. 23. 52. (vgl. Hören, kl.)
Sic ter quaternis trahitur 54. 56. 74_
Sievers 56.
Somno refectis artubns 65.
Splendor paternae gloriae 42. 46.
49. 50. 56. 58. 65. 79. .84. 94. ; ältester
Morgenhymnus 83,1. ; Vorlage für
die alten Laudeshymnen 86 f.
Stationstage 52.
Stokes, Wh., 66,i.
Strachan, I., 66,i.
Stundengebet, -oi'dnvmg, kirchl.,
kanon. , 13. 14. 34. verschiedene
Namen 21.
Summae Deus clementiae 65.
Summe confessor sacer et sacer-
dos 67.
Summe largitov praeniii 100.
Synaxis = Officium 22.
Tagzeiten, kanon., 13. 21. 44. 65-
77. (vgl. Hören.)
Te Deum („Ambrosian. Lobge-
sang") 38. 44. 45. 46. 49. 50. 55.
57. 86 f. ; verwoben in einen
Morgenhymnus 92.
Telluris iugens conditor 65.
Te lucis ante terminum 65. 68. 75.
Tempus noctis surgentibus 54. 57.
79. 88. 113.
Ter hora trina volvitur 36. 40. 43.
45. 49. 75. 124.
Tertia (Terz) 22. 23. 52. (vgl.
Hören, kl.)
Theodulf v. Orleans 100,2.
Toledo, Concil von, 95.
Tommasi 48. 97.
Tours, Concil von, 33. 95.
Traube, L., 7,i. 8.
Tu trinitatis unitas 65.
Udalricus, Abt von Zell, 74,1.
Verbum suj^ernum prodiens 100.
Vespera (Vesper), verschiedene
Namen 22. 23. — Abend-(Nacht-)
Officium 77 f.; Tag-Officium 14.
77 f. — Bestehend aus zweifachem
Officium 46. — Ursprung 52.
Vesperhymnen 71. 77 ff. 84.
Vigiliae, nocturnae (noctium) 22
[= Noctvxrn); — diurnae, deren
Zahl und verschiedene Namen 22.
Vigilia prima = Vesper 77.
Virginis proles opifcxque 67.
Vox clara ecce intonat 100.
Vuolfcoz, Abt von St. Gallen, 63.
Walpole, A. S , 85,1.
Warren, F. E.. 28,i.
Wattenbach 68,i.
Werner, Jac, 57, i. 70.
Windisch, E., 66,1.
Wölfflin 7,2.
VERLAG VON O. R. REISLAND IN LEIPZIG.
Cl. Blume und G. M. Dreves,
ANALEGTA HYMNIGA MEDII AEVI.
Das im Jahre 1886 begonnene und jetzt schon 50 Bände von ins-
gesamt 942 Bogen umfassende »große und berühmte Sammelwerk der
Analecta Hymnica ( \a. grande . . . e celebre collezione degli Analecta
Hymnica Rassegna Gregoriana VI, Roma 1907, pag. 323) verfolgt das
Ziel, die Erzeugnisse der gesamten a) liturgischen und b) außerliturgischen
lateinischen geistlichen Lyrik des Mittelalters [a) Hymnen, Sequenzen oder
Prosen, Reimoff izien und Rhythmische Messen, Verbeten und Tropen,
b) Cantionen und Motette nebst Rufen und Leichen, Reimgebete oder Lese-
'ieder, Psalterien, Rosarien und Glossenlieder] von ihren Anfängen unter
Hilarius und Ambrosius (4. Jahrh.) bis zum verhängnisvollen Eingriff in
dieselbe durch den Humanismus (16. Jahrh.) möglichst vollständig und aus
allen erreichbaren, zweckdienlichen Quellen (Handschriften und, wenn nötig,
Frühdrucken) in ihrem ursprünglichen Texte, unter Beifügung des kri-
tischen Apparates (Angabe der Quellen nach Herkunft, Alter und Fund-
ort nebst Variantenverzeichnis), den wissenschaftlichen Kreisen zugäng-
lich zu machen und dadurch die nötige Grundlage für eine Geschichte
und überhaupt für das Verständnis und die Würdigung der lateinischen
Hymnodie zu schaffen.
In der Realenzykl. f. protest. Theologie gab Prof. Paul Drews
sein Urteil dahin ab: Die Forschung über die Hymnen wie über-
haupt über die lateinische Kirchenpoesie des Mittelalters ist trotz der
im 19. Jahrhundert eifrig betriebenen Studien noch keineswegs über die
Anfänge hinauskommen. Schien es auch, als hätten die Sammelwerke
von Neale, Mone, Daniel u. a. der Forschung ein leidlich voll-
ständiges Material und damit eine hinreichende Grundlage geschaffen,
so haben die von dem Jesuiten Dreves 1886 begonnenen und seit 1896
im Verein mit seinem Ordensgenossen Blume fortgesetzten Analecta
Hymnica uns belehrt, wie unvollkommen nach Quantität und Qualität
das bisher bekannte Material war . . . Solange dieses großartige Sammel-
werk nicht abgeschlossen ist, kann an eine zusammenfassende Dar-
stellung der lateinischen mittelalterlichen Kirchendichtung nicht gedacht
werden; und auch dann wird es zunächst noch der eingehendsten
Einzeluntersuchung bedürfen. (A. a. O. 3. Aufl. unter Kirchenlied II.)
— 2 —
Bei diesem Urteil ist zunächst nur der ursprüngliche Plan der
Analecta Hymnica und dessen Ausfülirung berücksichtigt, nämlich durch
Herausgabe von »Inedita« das schon gehobene Quellenmaterial zu er-
gänzen und zu vervollständigen. Zu letzterem aber verhält sich das
unedierte, nunmehr fast vollständig ans Licht gebrachte Material wie
10:1. Schon aus diesem Grunde war jener Wunsch der Fachgenossen
begreiflich, den u.a. der Hymnologe Bann ister in die Worte faßte:
Ein ,opus magnum totum' gleich dem ihrigen [dem von Blume und
Dreves] sollte, so denke ich, alle Sequenzen bezw. Hymnen umfassen;
und daher hoffe ich , die Herausgeber werden den Weg verfolgen,
schließlich alle Dichtungen, welche die unseren jetzigen hymnologischen
Anforderungen durchaus nicht mehr entsprechenden Werke von Daniel,
Mone, Kehrein usw. enthalten, aufs neue zu publizieren (vgl. Analecta
Hymnica XL, p. 8). Der Plan war bereits gefaßt, und W. Bäumker
begrüßte ihn also: Mit größter Freude wird in den Kreisen der Fach-
genossen und sonstigen Interessenten die Nachricht aufgenommen worden
sein, daß voraussichtlich in etwa 5 Jahren die Herausgeber der Analecta
Hymnica den gewaltigen Stoff der Inedita zum Druck befördern werden,
und daß darauf die in den bekannten Sammlungen von Daniel, Mone,
Wackernagel, Morel u. A. enthaltenen Hymnen in neuer Bearbeitung
und nach neuen besseren Quellen ediert werden sollen. Schließlich
würden dann die Analecta Hymnica, wenn auch nicht der Form, so doch
dem Inhalt nach einen Thesaurus hymnologicus darstellen, von dem alle
bisher erschienenen Sammlungen nur ein winziges Bruchstück aus-
machen. (Lit. Hdw., Nr. 618, Sp. 1 f.) ;
Die »Riesenleistung der Editoren (C. Weyman in" Lit. Rundschau,
1906, col. 437) ist nunmehr glücklich so weit gediehen, daß auch die
Realisierung dieses erweiterten Programms unmittelbar bevorsteht. Was
Daniel in seinem Thesaurus hymnologicus auf Seite 1 — 234 des I. Bandes
als Dichtung bekannter Autoren bietet, liegt in ganz neuem Gewände
und stark vermehrt sowie mit wesentlichen Änderungen betreffs Zu-
weisung der Dichtungen an bestimmte Verfasser im 48. und 50. Bande
der Analecta Hymnica bereits vor. Der nächste, 51. Band, dessen Druck
begonnen hat, wird die Hymnen des Thesaurus hymnologicus Daniels
und der Ausgaben anderer Hymnologen, der 51. und 52. die Sequenzen
inkl. Notker und Adam v. St. Victor, und ein späterer die Reimgebete
mit dem ganzen erreichbaren Apparate, soweit er zweckdienlich erscheint,
in neuer Auflage darbieten. Was den kritischen Apparat betrifft, so mag
die Mitteilung interessieren, daß z. B. für die alten Hymnen im 51. Bande
durchweg auch nur die ältesten Quellen des 9. — 11. Jahrhunderts als
einzig maßgebende herangezogen sind, diese aber in großer Zahl und
Vollständigkeit, nämlich die Hymnare und Breviere aus Irland, England
(Winchester, Worcester, Exeter, Durham), Frankreich (Moissac, St. Martial,
Laon, Marchiennes, St. Germain des Pres, Corbie, Saint Denis, Ebrun,
Nevers), Deutschland (Reichenau, Rheinau, Murbach, St. Gallen, Kempten,
Scheftlarn, Freising, St. Martin und St. Maximin von Trier), Italien (Monza,
Mailand, Bobbio, Farfa, Val Travaglia, Verona, S. Oiacomo di Pontida,
— 3 —
Monte Amiata, Monte Cassino, S. Severino di Napoli, Benevento) und
Spanien (Silos und Toledo). — Eine ähnlich reiche Fülle von Quellen
ist und wird benutzt, um den ursprünglichen Text der Sequenzen und
Reimgebete festzustellen und ein Bild ihrer Verbreitung zu bieten. Ein
neuer »Thesaurus hymnologicus« wird demnach in 4 Bänden bald vor-
liegen. — Was sonst noch zur Komplettierung der Analecta Hymnica
erübrigt, damit sie die gesamte bisher bekannte und unbekannte lateinische
Hymnodie umfassen, wie die Tropi Antiphonales, die Alleluja-Tropen,
die altirische Hymnodie, die schönen Dichtungen Johns von Hoveden,
und verschiedene Motette, läßt sich voraussichtlich in 2 Bänden unter-
bringen. — Den Abschluß sollen als 57. Band die wichtigen Epilego-
mena bilden, Nachträge in knappster Form zu verschiedenen in den
Analecta Hymnica publizierten Dichtungen. — Mehrere groß angelegte
Verbal- und Realregister zum ganzen Werke werden, fast möchte man
sagen als Hauptsache, wodurch die reichhaltige Fundgrube erst recht
erschlossen wird, das große Unternehmen krönen.
Schon vor 7 Jahren urteilte J. E. We i s : Die bändereichen Analecta
Hymnica (es lagen damals erst 34 Bände vor) von Dreves und Blume
können sich nunmehr getrost neben die epochemachende Hymnographie
de l'Eglise grecque des Kardinals Pitra O. S. B. stellen. (Julian von
Speier, München 1900, S. 66.) — Der englische Hymnologe und Mit-
herausgeber des wichtigen Dictionary of Hymnology , James Mearns,
sagt in der neuesten Auflage dieser Enzyklopädie (London, 1907, unter
, Latin Hymnody'): The most important recent Qerman work is the
Analecta Hymnica of Dreves and Blume . . . The Analecta Hymnica is
a wonderful monument of learning and industry, and when completed,
will deserve, and need, very füll Indexes.« — The Analecta Hymnica
devotes no less then nine volumes to ,Sequentiae Ineditae'. These nine
volumes include 3312 sequences of all ages and of all branches of the
mediaeval Latin Church, edited with admirable skill and patience
(1. c. sub Sequences). — Ähnlich der Fachkenner W. Meyer aus Speier:
»Das wichtigste neue Material enthalten die von Dreves 1886 begonnenen
und von ihm und Blume nahe ans Ende geführten Analecta Hymnica. «
(Ges. Abhdl. z. Mlat. Rhythmik, Leipzig, 1905, I, 199.) — Traube be-
zeichnet im Kritischen Jahresbericht über die Fortschritte der Romanischen
Philologie (Band III, Heft I, S. 47) die Analecta Hymnica als ein für
seine Fachgenossen »unentbehrliches« Werk. — Barbier de Montault
versichert von den Analecta Hymnica: Cet ouvrage devra etre consulte,
non seulement par les liturgistes .... mais aussi par tous ceux, qui
s'occupent de la litterature du moyen äge et de l'hagiographie, universelle
ou locale. Les archeologues devront aussi s'en servir pour l'interpretation
des monuments. (Revue de l'art chretien. 1890.) — Ang. Mercati
begrüßte die Analecta Hymnica als un'opera provvidenziale . Und
die Begründung: II medio evo ci ha lasciato una vera congerie di inni
religiosi e sequenze, delle quali Timportenza non puö certemente sfuggire
a chi ha un pö di pratica colla storia locale, sono interessantissimi per
la storia della cultura, per la liturgia, e non di rado anche per la
— 4 —
teologia . . . i teologi ponno ricavarne non lieve utilitä. (L'Osservatore
Romano, 1S96, Nr. 36.) — Dem entsprechend die Versicherung des
Benedictiner-Abtes W. Hauthaler bei einer Besprechung der Analecta
Hymnica: Welch ein Schatz kirchlicher Denkweise und christlichen Lebens
ist in diesen Gesängen enthalten! Welch eine Fundgrube für das Studium
der Kulturgeschichte aller Völker des lateinischen Abendlandes werden
fortan diese Dichtungen mit ihren oft launigen und drastischen Herzens-
ergüssen bilden! (Salzb. Kirchenztg., 1896, Nr. 96.) — Eine Schwierig-
keit deutet Prälat Franz an: Während das hymnologische Material in
den Analecta Hymnica in seltener Vollständigkeit vorliegt, sind seit
Martin Gerbert die anderen liturgischen Schätze Deutschlands beinahe
ganz ungehoben geblieben; gegenüber dem lebendigen Interesse, welches
die mittelalterlichen liturgischen Bücher in England und Frankreich finden,
ist diese Teilnahmslosigkeit der deutschen Theologen wahrhaft be-
schämend. (Rituale v. St. Florian, Freiburg 1904, S. 4.) — Desto mehr
Dank gebührt dem warmen Appell des Prälaten Hülskamp, den er
vor mehreren Jahren in seiner Zeitschrift ergehen ließ: Unsere Leser
wissen, mit welch dankbarer Anerkennung der Hdw. den hochverdienten
hymnologischen Forschungen und Veröffentlichungen von Dreves und
Blume Band für Band gefolgt ist . . . Allen Dank den Ordensvorständen,
welche den beiden gelehrten Hymnologen so bereitwillig die Zeit und
die Mittel zur Verfügung stellen, um ihre mühsamen, aber auch für die
Wissenschaft so ergiebigen Forschungen in den Bibliotheken und Archiven
aller christlichen Länder auch ferner fortsetzen zu können! Und nicht
minder Dank dem hochherzigen Verleger, welcher den beiden Jesuiten-
patres die öffentliche Mitteilung ihrer Forschungsresultate so opferwillig
ermöglicht! Nun ist's aber auch eine Ehrenpflicht unserer größeren
Bibliotheken und kirchlichen Institute, ihre Dankbarkeit dadurch zu be-
kunden, daß sie sich des Fortschreitens des großen Sammelwerkes
durch Anschaffung je eines Exemplares annehmen. Die großen Staats-
und Stiftsbibliotheken werden das schon von selber tun. Das reicht
aber zur Wiedereinbringung der Druckkosten nicht entfernt aus, und
darum möchten wir besonders den Vorständen unserer Priester-Seminarien
zur Förderung der liturgischen, kirchenhistorischen und kirchenmusi-
kalischen Studien ihrer Zöglinge und sonstigen Bibliotheksbenutzer die
Anschaffung des Dreves-Blume'schen Thesaurus hymnologicus angelegent-
lich empfehlen. (Lit. Hdw. XXXVI, Nr. 677, Col. 422 f.)
Ein Mißverständnis, das vielleicht P. v. Winterfeld durch seine
Replique auf eine Anregung Bannister's in gewisse Kreise getragen
hat, bedarf der Klärung. — Der letztere Hymnologe, Spezialist in der
Sequenzendichtung, hat oft und in vorzüglicher Weise den Analecta
Hymnica gute Dienste geleistet (Band XL erschien von ihm, Band XLVII
von ihm und Blume, und die Sequenzen in Band LH und LIIl werden
ebenfalls von diesen beiden Hymnologen gemeinsam ediert werden).
Ban nister schrieb nun 1902: : Inzwischen haben die namhaftesten
Rivalen auf diesem Forschungsfelde (der Hymnodie) , Misset und
Weale, die Herausgabe ihrer Analecta Liturgica, welche im Jahre 1888
— 5 —
begonnen und als ,S"PP'£rn^ntum amplissimum' angekündigt wurden,
nach der Publikation von 912 Sequenzen als abgeschlossen erklärt. Dies
bestärkte mich in der Überzeugung, daß das Werk von Blume und
Dreves als das eigentliche, Standard-Corpus' der lateinischen Hymnodie des
Mittelalters überhaupt und speziell der Sequenzendichtung gelten muß.
Daher ließ ich auch den Plan fallen, der mich eine Zeitlang beschäftigte,
besonders aus englischen Quellen eine Separatausgabe von Sequenzen-
Texten zu veranstalten. Es kann ja nur wünschenswert erscheinen, daß
wir in der Hymnologie betreffs der Texte auf ein vollständiges und
zuverlässiges Werk zu verweisen haben. Aus dem Grunde zog ich es
vor, aus meiner Textsammlung den Herausgebern der Analecta Hymnica
jene Sequenzen anzubieten, die von ihnen bisher noch nicht ediert
waren . . . Meine Absicht ist demnach klar, nämlich durch diesen Beitrag
das große, einzig dastehende Sammelwerk der Vollständigkeit näher zu
bringen; und ich hoffe, daß manche Gelehrte, die mit dem gleichen
Wissenszweige der Liturgie sich befassen, hierdurch veranlaßt werden,
meinem Beispiele in irgendeiner Art zu folgen.« (Cfr. Analecta Hymnica
XL, p. 5 f.) — Letzteren Satz konnte Winterfeld, dessen frühzeitiger
Tod einen großen Verlust für die Sequenzenforschung bedeutet, als gegen
die durch ihn in den Monumenta Germaniae geplante Publikation der
älteren Sequenzen gerichtet ansehen. Er erwiderte im Neuen Archiv
für ältere deutsche Geschichtskunde : Wir verdanken den rüstigen
Herausgebern der Analecta Hymnica Großes auf allen Gebieten der
Hymnologie. Aber die Last war für die Arbeitskraft einer oder zwei
Männer, sie mochte noch so groß sein, überhaupt zu schwer, als daß
Abschließendes geleistet werden konnte ... So dankbar wir den Analecta
Hymnica und ihren Herausgebern sein müssen, so groß ihr Verdienst
immer bleiben wird, auch wenn sie nicht bloß in den Sequenzen der
alten Schule, sondern ebenso in anderen Teilen überholt sein werden,
es wäre falsch, den Plan der Sequenzenausgabe im Rahmen der Monu-
menta Germaniae fallen zu lassen. Es handelt sich nicht um eine Kon-
kurrenzausgabe« (a. a. O. XXVIII, S. 787). — Die Herausgeber der Ana-
lecta Hymnica, wie Blume ausdrücklich versichert, erblicken auch
keineswegs in der geplanten Sequenzenausgabe in den Monumenta
Germaniae eine Konkurrenz , begrüßen sie vielmehr, so eigenartig auch
manchem der Platz der Publikation erscheinen muß, als eine dankens-
werte Mitarbeit auf dem großen und mühereichen Felde der Hymnologie;
denn nichts liegt ihnen ferner, als die Leistung durch die Analecta
Hymnica in jeder Hinsicht für »abschließend« zu erklären. Wohl aber
sei gegenüber den weiteren Bemerkungen Winterfelds im Auge zu be-
halten, daß die Analecta Hymnica eine kritische Textpublikation sind,
bei der die Geschichte nur nebenbei, wenn auch in relativ ergiebigem
Maße (vgl. Hymnographi latini, einleitende Exkurse über Mozarabische
Dichtung, über Ursprung und Entwicklung der Tropen, über die
Sequenzen von Limoges usw.), zu ihrem Rechte kommen konnte. Das
Ideal wäre allerdings, die Sequenzen, Hymnen usw. in chronologischer
Ordnung, ihrem Werdegange durch die einzelnen Länder folgend, zu
publizieren; aber bei der Riesenmasse des Materials, das nunmehr
wenij^stens sachlich und (soweit möglich) nach Auetoren geordnet in den
Analecta Hymnica vorgelegt ist und wird, war das beim ersten Wurf
ein Ding der Unmöglichkeit, zumal ursprünglich nur ein Nachtrag durch
Inedita geplant war. Erst nach Vollendung der Textausgabe soll und
kann die historische Forschung mit Erfolg einsetzen, und allen Anzeichen
nach wird, um ein Beispiel herauszuheben, nach Publikation der Se=
quenzenbände 52 und 53 und erst recht der Epilegomena sich heraus-
stellen, daß der Gang der Sequenzen durch die einzelnen Länder ein
anderer ist, als Winterfeld a. a. O. laut seiner zeitlich geordneten Liste
(nämlich St. Gallen, Reichenau, Bayern, Italien, Limoges usw.«) es ver-
mutet. Überdies kann und soll im allgemeinen Sachregister die ge-
schichtliche Gruppierung der einzelnen Dichtungsarten zum Ausdruck
kommen. — Gaben namentlich in den früheren Bänden die Quellen ab
und zu keinen hinreichenden Aufschluß über Alter und Verbreitung einer
Dichtung, so wird im Ergänzungsbande der Epilegomena die Angabe
weiterer und mehrmals auch älterer, inzwischen aufgefundener Quellen
nebst den etwaigen Varianten diesen anfangs unvermeidlichen Fehler
wettmachen. Nach Abschluß der Analecta und der Epilegomena wird
somit im grossen und ganzen (absolute Vollständigkeit ist unmöglich)
kaum eine ins Gebiet der lateinischen Hymnodie des Mittelalters gehörende
Dichtung sich finden, von der nicht die Analecta Hymnica den originellen
Text, die ältesten und auch die übrigen zur Illustration der Verbreitung
erforderlichen Quellen nebst Varianten, und, soweit es beim jetzigen
Stande der Forschung möglich ist, den Verfasser oder doch die ungefähre
Ursprungszeit und Heimatsstätte angeben oder erkennen lassen. Genaue
Gesamtregister werden helfen, alles dieses rasch zu finden und zugleich
die übrigen Schätze, die in den Tausenden verschiedener Liedertexte
verborgen sind, leichter heben zu können. — Im Anschluß an die
Analecta Hymnica plant Bannister seit Jahren eine Herausgabe der
Melodien der Sequenzen.
Der Wunsch des Hymnologen W. Bäumker (im Lit. Hdw., 1898,
Nr. 681) erscheint demnach berechtigt: >Möge das hochgelehrte und
hochverdiente Werk, dessen weiteren Bänden wir mit Spannung ent-
gegensehen, in berufenen Kreisen sich immer mehr Sympathien erwerben
und ganz den Absatz finden, welchen eine so aufsergewöhnliche Leistung
verdient.«
Bisher sind folgende 50 Bände bzw Gruppen erschienen;
Cantiones Bohemicae. Leiche, Lieder und Rufe des 13., 14. und
15. Jahrhunderts nach Handschriften aus Prag, Jistebnicz, Wittingau, Hohen-
furt und Tegernsee. 1886. M. 6. — . (Teil I der ganzen Sammlung.) (In
anastat. Neudruck.)
Cantiones et Muteti. Lieder und Motetten des Mittelalters, Erste Folge.
1S95. M. 8.— Zweite Folge. 1895. M. 7.— Dritte Folge. 1904 (siehe
Historiae Rhythniicae Teil XLV). (Teil XX, XXI und XLVb.)
Christanus Campoliliensis. Christans von Lilienfeld religiöse Dichtungen
und Boncore de Sancta Victoria. Boncore's di Santa Vittoria Novus Liber
Hymnonim ac Orationuni. 1903. M. 8.50. (Teil XLI a/b.)
Coiiracliis Geiuuiceiisis. Konrad's von Haimburg und seiner Nachahmer,
Albert's von Prag und Ulrich's von Wessobrunn Reimgebete und Leselieder.
1888. M. 6.— (Teil IIL)
Historiae Rhythmicae. Liturgische Reimofficien des Mittelalters.
Erste bis achte Folge. Aus Handschriften und Wiegendrucken. 1889 — 1904.
M. 75— (Teile V, XIII, XVIII, XXIV/XXVI, XXVIII, XLVa.) (Teil XLV
enthält auch: Cantiones et Muteti. Lieder und Motetten des Mittelalters,
Dritte Folge.)
Hyinnai'ius Moissiacensis. Das Hymnar der Abtei Moissac im 10. Jahr-
hundert. Nach einer Handschrift der Rossiana. Im Anhange : a) Carmina
scholarium Campensium. b) Cantiones Vissegradenses. 1888. M. 5. — (Teil IL)
HymiiariiiS Severiniaiivis. Das Hymnar der Abtei St Severin in Neapel.
— Orricus Scacabarotius. Origo Scaccabarozzis Liber Officiorum. 1893.
M. 8.- (Teil XIV.)
Hyuini Inetliti. Liturgische Hymnen des Mittelalters aus handschriftlichen
Breviarien, Antiphonalien und Processionalien. Erste bis siebente Folge.
1889/1903. M. 61.50. (Teile IV, XI, XII, XIX, XXII, XXIII, XLIII.)
Hyiiiuotlia Gotica. Die Mozarabischen Hymnen des alt-spanischen Ritus.
Aus handschriftlichen und gedruckten Quellen. 1897. M. 9.— (Teil XXVII.)
Hyiuiiodia Hiberica. Spanische Hymnen des Mittelalters aus liturgischen
Handschriften und Druckwerken Römischen Ordos. M. 9. — (Teil XVI.)
Liturgische Reimoff icien aus spanischen Brevieren. 1894. M. 7.50. (Teil XVII.)
Hyiunograplii Latini. Lateinische Hymnendichter des Mittelalters. Erste
u. zvi^eite Folge. 1905—1907. 34 u. 42 Bogen. M. 38.— (Teil XLVIII, L.)
Pia Dictamina. Reimgebete und Leselieder des Mittelalters. Erste bis
siebente Folge. 1893/1905. M. 62.50. (Teile XV, XXIX/XXXIII, XLVI.)
Prosarivim Lemovicense. Die Prosen der Abtei St. Martial zu Limoges.
aus Troparien des 10., 11. und 12. Jahrhunderts. 1890. M. 8.— (Teil VII.)
Psalteria Rliythinica. Gereimte Psalterien des Mittelalters. Erste und
zweite Folge. 1900/1. M. 8.— und M. 8.50. (Teile XXXV/XXXVI.)
Seqiientiae lueditae. Liturgische Prosen des Mittelalters aus 'Hand-
schriften und Wiegendrucken. Erste bis neunte Folge. 1890 — ^1904. M. 86. —
(Teile VIII, IX, X, XXXIV, XXXVII, XXXIX, XL, XLII, XLIV.)
Tropi Gratluales. Tropen des Missale im Mittelalter. I. Ad Ordinariuni
Missal. 1905. 27 Bogen. M. 13.— (Teil XLVII.) II. Ad Proprium Missarum.
1906. 25 V4 Bogen. M. 12.50. (Teil XLIX.)
Utlalricus "Wessofontaims. Ulrich Stöcklin's von Rottach, Abtes zu
Wessobrunn. 1438 — 1443 Reimgebete und Leselieder mit Ausschluss der
Psalterien. 1889. M. 6.— (Teil VI.) — Psalterien. 1902. M. 8. -.
(Teil XXXVIII.)
Teil 51^57 nebst mehreren Gesamtregistern folgen im Laufe dernächsten Jahre.
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Stephan Geibel & Co.
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Pierersche Hofbuchdruckerei
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